NJW 1986, 826

Ermächtigung des Verkäufers zur einseitigen Ausgestaltung der Teilungserklärung

Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München

I. Einleitung

An der Entscheidung des BGH, die die Ermächtigung des Verkäufers zur einseitigen Ausgestaltung der Teilungserklärung ohne Verstoß gegen § 313 BGB im Kaufvertrag gestattet, übt Löwe eine in Form und Inhalt ungewöhnliche Kritik. Er bezeichnet das Urteil des BGH als unzutreffend, unhaltbar, Ausreißer, Fehlurteil und erklärt, dem BGH fehle jegliches Problembewußtsein. Ihm, Löwe, sei ein vergleichbarer Fall aus der BGH-Judikatur der letzten Jahre, in dem in derart eklatanter Weise ein doch evidentes AGB-Problem einfach übersehen werde, nicht bekannt.

Entgegen dieser vollmundigen Kritik ist die Entscheidung des BGH richtig und überzeugend. Sie beendet eine für die Praxis unhaltbare, mit den bürgerlichrechtlichen Regelungen über den Kauf nicht zu vereinbarende und im Ergebnis absolut unbefriedigende Patt-Situation beim Verkauf von Wohnungen vor Aufteilung, mithin praktisch bei jedem Kauf von Eigentumswohnungen vom Plan weg.

Das OLG Düsseldorf hatte nämlich entschieden: Wird beim Kauf eines erst noch zu bildenden Wohnungseigentums die Erstellung der Teilungserklärung mit wesentlichen Regelungspunkten dem Ermessen des Veräußerers nach § 315 BGB überlassen, so genügt der Kaufvertrag nicht den Anforderungen von § 313 BGB. Diese Entscheidung führte dazu, daß die Veräußerung noch zu bildenden Wohnungseigentums durch Bauträger vor Erstellung der Teilungserklärung, die häufig sinnvollerweise erst nach vollständiger Veräußerung aller Einheiten konzipiert werden kann, um auf die Bedürfnisse der einzelnen Erwerber Rücksicht zu nehmen, nicht möglich war. Veräußert werden konnten in Konsequenz der Entscheidung in diesem Stadium lediglich Miteigentumsanteile. Dieser praxisfremden und dogmatisch nicht überzeugenden Rechtsprechung hat der BGH in der von Löwe scharf kritisierten Entscheidung ein Ende bereitet.

Weder die Vorschrift des § 313 BGB noch entgegen der Auffassung von Löwe die Anwendung des AGB-Gesetzes, - ohnehin inzwischen zu einem Instrumentarium kaum mehr berechenbarer richterlicher Inhaltskontrolle gediehen, die eine auch nur einigermaßen prognostizierbare Entscheidung und damit die Rechtssicherheit einer oft nebulösen, subjektiv empfundenen und daher mitunter willkürlichen Billigkeit opfert - gebieten meines Erachtens eine Abweichung von der höchstrichterlichen Entscheidung, die Löwe kritisiert. Was hat der BGH entschieden und was hat die erboste Kritik von Löwe verursacht?

Anders als das OLG Düsseldorf sagt der BGH: Der Verkauf eines noch zu begründenden Sondereigentums verbunden mit einem noch zu bildenden Miteigentumsanteil ist möglich. § 313 BGB steht nicht entgegen, wenn der Verkäufer im Vertrag zur Erstellung der Teilungserklärung ermächtigt wird. Die - notgedrungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhandene - Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung kann entsprechend einer im Vertrag vorgesehenen Ermächtigung durch den Verkäufer auch mit Wirkung gegenüber dem Käufer nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB nachträglich festgelegt werden.

II. Stellungnahme

Mit seiner gegenteiligen Entscheidung hatte das OLG Düsseldorf der Praxis den Verkauf noch zu bildenden Teileigentums praktisch unmöglich gemacht. Nach dieser Auffassung mußte die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung, um § 313 BGB zu erfüllen, mit beurkundet werden, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem unter Umständen mangels (vollständiger) Erstellung des Bauwerkes und/oder Veräußerung weiterer zu bildender Sondereigentumseinheiten eine auf die tatsächlichen Verhältnisse des erstellten Bauwerks abgestellte Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung überhaupt nicht möglich war. Diese Entscheidung zwang dazu, eine nicht sachgerechte Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung in abstracto schon vorzubereiten und mitzubeurkunden mit allen Problenen einer eventuell erforderlichen nachträglichen Änderung, eine gerichtliche Entscheidung, die in ihrer Praxisferne und Unpraktikabilität für unbekümmertes Judizieren vom grünen Tisch ohne detaillierte Kenntnisse der tatsächlichen Geschehnisabläufe in ihrer zeitlichen Reihenfolge kennzeichnend war.

Dementsprechend hat Ludwig die Entscheidung des OLG Düsseldorf scharf kritisiert und dessen Überlegungen widerlegt. Der zentrale Gedanke des OLG Düsseldorf, Vereinbarungen, die die Bestimmungen des Leistungsgegenstands einem Vertragsteil nach § 315 BGB überlassen, brächten Rechtsunsicherheit und seien deshalb mit dem Gedanken des § 313 BGB nicht zu vereinbaren - eine von Ludwig so bezeichnete sprunghafte und assoziative Argumentation -, führt in der Tat in der Konsequenz dazu, alle beurkundungspflichtigen Vereinbarungen, die den Keim der Unsicherheit in sich tragen, als unwirksam anzusehen.

Das KG hatte deshalb auch mit Recht bereits gegenteilig entschieden. Nach diesem Urteil kann ein Kaufvertrag über Wohnungseigentum, der vor einer beabsichtigten Vorratsteilung geschlossen wird, nicht deshalb als nichtig angesehen werden, weil die Größe des zum Sondereigentum gehörenden Miteigentumsanteils noch nicht genau festgelegt ist und der Inhalt der vom Käufer aufzustellenden Teilungserklärung noch nicht feststeht. Mit Recht vertritt das KG die Auffassung, daß einer der Vertragsteile oder ein Dritter die Einzelheiten der Leistung gem. § 315 BGB einseitig bestimmen kann und in diesem Fall nur diese Vereinbarung selbst der Form bedarf. Die dem Bestimmungsrecht obliegenden Einzelheiten liegen demgegenüber gerade noch nicht fest und unterliegen damit auch nicht dem Formzwang.

Ebenso wie das KG und entgegen OLG Düsseldorf hat der BGH in der von Löwe kritisierten Entscheidung völlig überzeugend darauf hingewiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung auch in einem beurkundungsbedürftigen Vertrag die Bestimmung einer Vertragsleistung dem billigen Ermessen eines Vertragsteiles oder eines Dritten überlassen bleiben kann. Sofern dort die Bestimmungsbefugnis selbst zutreffend beurkundet ist, müssen und brauchen die zu bestimmenden Regelungen nicht mitbeurkundet werden. Diese an sich selbstverständliche Erkenntnis folgt bereits unmittelbar aus § 315 BGB, der ein solches Bestimmungsrecht vorsieht. Die Vorschrift gilt nach übereinstimmender Auffassung entsprechend ihrer systematischen und inhaltlichen Bedeutung natürlich auch bei beurkundungsbedürftigen Verträgen. Die Entscheidung des BGH berücksichtigt die Anwendbarkeit des § 315 BGB und das Wesen und die Schutzfunktion des § 313 BGB zutreffend. Wer einem Vertragsteil eine inhaltliche Bestimmung überläßt, gerade bei beurkundungsbedürftigen Verträgen nach angemessener notarieller Belehrung über die damit bewußt aus der Hand gegebene Gestaltungsbefugnis, bedarf keines zusätzlichen Schutzes im Rahmen der Formvorschriften.

Die Situation ist absolut vergleichbar mit der Erteilung einer Vollmacht. Ein Vollmachtgeber kann beschränkte oder inhaltlich unbeschränkte, unter Umständen auch unwiderrufliche Vollmacht (ggf. unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB) erteilen (mit oder ohne inhaltliche Weisungen an den Bevollmächtigten). Verzichtet er auf Beschränkungen der Vollmacht, muß er sich das Handeln des Bevollmächtigten in vollem Umfang zurechnen lassen. Der Vollmachtgeber bedarf in diesem Fall bei Erteilung einer solchen Vollmacht (im Falle der Unwiderruflichkeit bei Grundstücksgeschäften in notarieller Form) ebensowenig eines Schutzes gegen sich selbst, wie der Käufer, der - wie in dem vom BGH entschiedenen Fall - den Verkäufer zur Erstellung einer Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung im Rahmen billigen Ermessens ermächtigt.

Was aber in vollem Umfang mit den bürgerlichrechtlichen Vorschriften der §§ 315, 313 BGB und der dort niedergelegten Schutzfunktion vereinbar ist, kann nicht gleichzeitig, wie Löwe meint, ein Verstoß gegen § 9 AGB-Gesetz sein. Wenn der Erwerber damit einverstanden ist, die Katze im Sack (so Löwe) zu kaufen, kann er sich ohne Verstoß gegen das venire contra factum proprium nicht nachträglich auf den Standpunkt stellen, der bewußte Kauf der Katze im Sack würde ihn unangemessen übervorteilen.

Das AGB-Gesetz, zu dessen Vätern Löwe selbst zählt, soll die Vertragsgerechtigkeit sichern. Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz soll unangemessene, von einer Partei diktierte Allgemeine Geschäftsbedingungen ausschalten. Die Generalklausel darf aber kein Freibrief für den Richter werden, ein inhaltlich ausdrücklich vom Gesetzgeber gebilligtes Ergebnis zu verhindern, wenn nicht im Einzelfall aus ganz besonderen Umständen eine zusätzliche unbillige Benachteiligung des anderen Vertragspartners ersichtlich ist. Rechtsschöpfung, insbesondere eine solche contra legem, ist verfassungsrechtlich unzulässig. Wenn also das Gesetz in § 315 BGB die auch ohne weiteres nachvollziehbare Wertung getroffen hat, daß es nicht unangemessen ist, wenn ein Vertragsteil sich bewußt seiner inhaltlichen Gestaltungsbefugnis begibt, kann eben diese vom Gesetz in § 315 BGB vorgenommene Wertung nicht durch richterliche Inhaltskontrolle außer Kraft gesetzt werden.

An der Kritik von Löwe, der sich sicherlich gerade im Zusammenhang mit dem AGB-Gesetz verdient gemacht hat, wird meines Erachtens ein grundsätzliches Fehlverständnis eines übertriebenen Verbraucherschutzes deutlich. Richtig verstandener Verbraucherschutz bedeutet nämlich nicht Schutz des Verbrauchers gegen sich selbst und die Konsequenzen seiner eigenen rechtsgeschäftlichen Handlungen, Entmündigung des Bürgers und Ersetzung der rechtsgeschäftlichen Handlungsfreiheit durch nachträgliche richterliche Manipulation, sondern ein Einwirken im Sinne ausgleichender Gerechtigkeit bei gravierender Benachteiligung eines (schwächeren) Vertragsteils durch einen anderen (stärkeren). Wenn das Gesetz es zuläßt, daß ein mündiger Bürger uneingeschränkte, ihn verpflichtende Vollmacht erteilt (will Löwe etwa einen Vollmachtgeber etwa auch durch Anwendung des AGB-Gesetzes gegen sich selbst schützen und eine solche Vollmacht nach § 9 AGB-Gesetz für unwirksam erklären?), dann kann er in gleicher Weise einen Vertragsteil ermächtigen, im Rahmen billigen und damit durch die Gerichte immer noch überprüfbaren Ermessens eine künftig erst sinnvoll konzipierbare Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung zu erstellen.

Bei größeren Bauvorhaben im Bauträgergeschäft ist es inzwischen mitunter ein einträgliches Geschäft für professionelle Störer im Rahmen von Bauherren- und Erwerbermodellen geworden, sich die Zustimmung - unter Umständen vollkommen unbedeutender Detailformulierungen - in der Gemeinschaftsordnung teuer abkaufen zu lassen. In einer größeren Wohnungseigentümergemeinschaft ist es schlechterdings nicht möglich, die Zustimmung aller einzelner Erwerber zu jeder einzelnen Klausel im Rahmen einer zu erstellenden Gemeinschaftsordnung herbeizuführen. Der Veräußerer hat daher gerade bei größeren Wohnungsanlagen ein legitimes Interesse daran, sich zur Erstellung der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ermächtigen zu lassen. Daß dieses Vorgehen seinerseits wiederum der Wertung des Gesetzes entspricht, folgt daraus, daß im Rahmen des Wohnungseigentumsgesetzes die Aufteilung nicht nur durch Vertrag der Miteigentümer untereinander nach § 3 WEG, sondern auch durch den Eigentümer selbst nach § 8 WEG vorgenommen werden kann. Auch hier hat das Gesetz eine grundsätzliche Wertung getroffen. Danach ist es gerade nicht als unangemessen anzusehen, wenn der Veräußerer im eigenen Besitz' aufteilt und die Gemeinschaftsordnung konzipiert. Da dieses Vorgehen aus den geschilderten Gründen jedoch gerade bei Veräußerung einzelner noch zu bildender Einheiten häufig nicht sinnvoll ist, weil damit im Stadium vor endgültiger Errichtung auf die Unwägbarkeiten im tatsächlichen Bauablauf und die Interessen der späteren Erwerber nicht angemessen Rücksicht genommen werden kann, ist es ausgeschlossen, ein vom Gesetz inhaltlich gebilligtes Ergebnis über das AGB-Gesetz außer kraft zu setzen. Die Ermächtigung des Veräußerers durch den Erwerber zur nachträglichen Erstellung von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung kann deshalb ebenfalls nicht als unangemessene Benachteiligung nach § 9 AGB-Gesetz gewertet werden.

III. Ergebnis

Wenn eine Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung noch nicht vorhanden ist, der Kaufvertrag über einzelne Einheiten jedoch gleichwohl abgeschlossen werden soll, gibt es folgende Möglichkeiten:

a) Das in Wohnungseigentum aufzuteilende Gebäude besteht bereits. Hier ist ein Aufteilungsplan nicht erforderlich, es genügt vielmehr - wie bei einer erst noch zu vermessenden Teilfläche eines Grundstücks - eine eindeutige Beschreibung des Vertragsgegenstands nach Lage und Größe.

b) Bei erst zu errichtenden Gebäuden muß in der Urkunde auf eindeutige Pläne (nicht unbedingt Aufteilungspläne), gegebenenfalls auf genehmigte Baupläne gem. § 13a Abs. 4 Beurkundungsgesetz verwiesen werden.

c) In allen Fällen, in denen Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung noch nicht vorliegen (weder beurkundet noch beglaubigt) und damit der rechtliche Inhalt des zu bildenden Wohnungseigentums noch nicht eindeutig feststeht, kann mit dem BGH die Ausgestaltung der Gemeinschaftsordnung dem Verkäufer nach billigem Ermessen nach § 315 BGB überlassen werden.

Die Entscheidung des BGH, wonach der Erwerber den Veräußerer ohne Verstoß gegen § 313 BGB (oder gegen § 9 AGB-Gesetz) zur einseitigen Ausgestaltung von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ermächtigen kann, ist entgegen der Kritik von Löwe dogmatisch überzeugend, ausgewogen und im Ergebnis zutreffend. Sie trägt den Bedürfnissen der Praxis ebenso wie der bei allem Verbraucherschutz noch geltenden rechtsgeschäftlichen Vertragsfreiheit Rechnung. Nicht die Entscheidung des BGH, sondern die Kritik von Löwe, und die Entscheidung des OLG Düsseldorf sind Ausreißer.