jurisPR-BGHZivilR 20/2009 Anm. 2

Keine Fortsetzung der Klage aus Abschlagsrechnungen nach Schlussrechnungsreife

Anmerkung zu BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 20.08.2009 - VII ZR 205/07
Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof  

Leitsätze
1a. Der Anspruch auf Abschlagszahlung kann dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Bauleistung abgenommen ist und der Auftragnehmer die Schlussrechnung gestellt hat (Bestätigung von BGH, Urt. v. 15.04.2004 - VII ZR 471/01 - BauR 2004, 1146 = NZBau 2004, 386 = ZfBR 2004, 552).
1b. Gleiches gilt, wenn die Abnahme erfolgt ist, die Leistung des Auftragnehmers fertiggestellt ist und die Frist abgelaufen ist, binnen derer der Auftragnehmer gemäß § 14 Nr. 3 VOB/B die Schlussrechnung einzureichen hat. Daran ändert nichts, dass eine Klage auf Abschlagszahlung bereits erhoben worden ist. Diese Klage kann, auf eine Schlussrechnung gestützt, fortgeführt werden.
1c. Eine Fertigstellung i.S.v. § 14 Nr. 3 VOB/B liegt vor, wenn der Auftragnehmer die vertraglichen Leistungen erbracht hat. Die Abnahme indiziert die Fertigstellung regelmäßig auch dann, wenn Restleistungen fehlen. Fehlen wesentliche Restleistungen, kann sich aus deren Gewicht und den Bauumständen ergeben, dass die Leistung noch nicht fertiggestellt ist.
2. Die Abschlagsforderung ist grundsätzlich aus der Differenz zwischen der Vergütung für die erbrachten, nachgewiesenen Leistungen und bereits geleisteten Zahlungen zu berechnen. Eine isolierte Durchsetzung der Vergütung für einzelne Positionen kommt nur in Betracht, wenn in deren Höhe ein positiver Saldo festgestellt werden kann (im Anschluss an BGH, Urt. v. 09.01.1997 - VII ZR 69/96 - BauR 1997, 468 = ZfBR 1997, 186).
3. Eine Forderung aus § 2 Nr. 5 VOB/B kann grundsätzlich nicht in der Weise berechnet werden, dass lediglich bestimmte Mehrkosten geltend gemacht werden, ohne den sich aus einer Änderung des Bauentwurfs oder einer anderen Anordnung des Auftraggebers ergebenden neuen Preis darzulegen, der unter Berücksichtigung sämtlicher Mehr- und Minderkosten zu ermitteln ist.
4a. Sind in einem der Ausschreibung beiliegenden Bodengutachten bestimmte Bodenverhältnisse beschrieben, werden diese regelmäßig zum Leistungsinhalt erhoben, wenn sie für die Leistung des Auftragnehmers und damit auch für die Kalkulation seines Preises erheblich sind. Ordnet der Auftraggeber die Leistung für tatsächlich davon abweichende Bodenverhältnisse an, liegt darin eine Änderung des Bauentwurfs, die zu einem Anspruch auf eine veränderte Vergütung gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B führen kann.
4b. Gibt der Auftragnehmer ein funktionales Angebot für eine von dem Vertrag abweichende Ausführung von Gründungsarbeiten ab, für die eine von ihm einzuholende öffentlich-rechtliche Zustimmung im Einzelfall (Z.i.E.) notwendig ist, kann dessen Annahme durch den Auftraggeber unter dem Vorbehalt, dass die Z.i.E. erteilt wird, nicht dahin ausgelegt werden, der Auftraggeber wolle das funktionale Angebot in ein detailliertes Angebot in der Weise ändern, dass die Auflagen der zunächst erteilten Z.i.E. den Vertragsinhalt bestimmen und die sich aus weiteren Auflagen ergebenden Mehrkosten von ihm zu übernehmen sind (hier: Nachtrag zur Z.i.E. für das Pfahlsystem Soil-Jet-Gewi einschließlich Verbundkonstruktion am Pfahlkopf mit einer HDI-Sohle).
5. Entscheidet ein erstinstanzliches Gericht bewusst, eine bestimmte Forderung sei nicht anhängig gemacht worden, wird die möglicherweise gleichwohl gegebene Anhängigkeit hinfällig, wenn das Urteil insoweit nicht angefochten wird. Der Kläger kann die Sache erneut anhängig machen..

A. Problemstellung
Eine Fülle von Problemstellungen birgt die zu besprechende Entscheidung. Es geht um die Mehrkosten bei der Herstellung eines komplizierten Schleusenbauwerks, die durch erhöhten Aufwand unter anderem für Zement für die Sohle der Schleuse entstehen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin, eine ARGE, wird nach öffentlicher Ausschreibung mit den Bauarbeiten zur Errichtung der Schleuse beauftragt. Die Durchführung der Arbeiten erfolgt auf der Basis eines von der Klägerin unterbreiteten Nebenangebots, das zunächst eine Verbilligung gegenüber dem ursprünglichen Vertragsangebot bringen sollte. Die Herstellung der Bodenplatte wird mit einem pauschalierten Einheitspreis pro Flächeneinheit angeboten. Bei Durchführung der Arbeiten für die Bodenplatte stellt sich aus der Sicht der Klägerin heraus, dass in erheblichem Umfang (gegenüber den kalkulierten Mengen) Mehrkosten unter anderem für Mehrzement anfallen. Solche Mehrkosten macht die Klägerin im Wege eines Nachtragsangebots auf der Basis einer Abschlagsrechnung geltend, ohne dabei die Grundlage für die Neubildung eines Preises nach § 2 Nr. 5 VOB/B (Berücksichtigung aller Mehr- und Minderkosten) zu berücksichtigen.

Das Landgericht weist die Klage ab. Der Klägerin stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten zu. Das Berufungsgericht erklärt die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt, soweit Mehrvergütungsansprüche unter anderem auf Mehrkosten für Zementverbrauch gestützt werden, die aus bestimmten im Tenor des Urteils im Einzelnen beschriebenen Veränderungen resultieren und verweist den Rechtsstreit zur Klärung der Höhe des Anspruchs zurück. Das Berufungsgericht lässt die Revision zu, soweit es um die angebliche Zulässigkeit der Klage aus Abschlagsrechnungen geht. Der BGH hebt auf Revision und Anschlussrevision das Berufungsurteil auf und verweist die Sache zurück.

Zunächst bejaht der BGH trotz der beschränkten Zulassung durch das Berufungsgericht die uneingeschränkte Zulässigkeit der Revision. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Zulassung der Revision nicht beschränkt werden auf die Frage der Zulässigkeit einer auf einzelne Positionen von Abschlagsrechnungen gestützten Zahlungsklage und auf die Frage, ob aus einer Abschlagsrechnung bei Schlussrechnungsreife weiter geklagt werden kann. Die Revisionszulassung kann weder auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen noch auf einzelne Rechtsfragen beschränkt werden (BGH, Urt. v. 07.07.1983 - III ZR 119/82 - NJW 1984, 615). Diese unzulässige Beschränkung hat die Folge, dass das Urteil in vollem Umfang zu überprüfen ist. Das hat der BGH bereits früher entschieden (BGH, Urt. v. 26.10.2004 - XI ZR 255/03 - NJW 2005, 664). Auch im vorliegenden Fall führt der BGH aus, dass eine derartige Beschränkung der Zulassung der Revision nicht zulässig sei. Die Zulassung der Revision könne zwar auf einen tatsächlichen und rechtlich selbstständigen Streitpunkt beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein kann. Die Beschränkung der Revision auf die Prüfung von Rechtsfragen, nämlich darauf, ob eine Klage auf Abschlagszahlung auf die Bezahlung einzelner Positionen gerichtet sein und trotz zwischenzeitlich eingetretener Schlussrechnungsreife erhoben werden kann, sei nicht möglich. In Wirklichkeit ist die Frage, ob aus der Abschlagsrechnung weiter vorgegangen werden kann, ohnehin keine Frage der Zulässigkeit der Klage, sondern gehört zur Begründetheit. Schon deshalb sei die Beschränkung auf die Zulässigkeit der Klage unwirksam und die Revision daher uneingeschränkt zugelassen. Das Gericht kann eine Beschränkung der Revision – so der BGH – nicht dadurch erreichen, dass es irrtümlich eine für die Begründetheit der Klage relevante Rechtsfrage der Zulässigkeit der Klage zuordnet.

Zu einer Endentscheidung sieht der BGH sich im konkreten Fall nicht in der Lage. Er verweist den Rechtsstreit aus zwei Gründen zurück:

Die Klage erweise sich (weil die Klägerin die Voraussetzungen des § 2 Nr. 5 VOB/B für ihre Nachtragsforderung nicht erfüllt habe) letztlich als nicht schlüssig (Orientierungssatz 3). Auf den Mangel der Schlüssigkeit sei die Klägerin jedoch bisher nicht hingewiesen worden. Offenbar liegt hier der Gedanke eines Verstoßes gegen § 139 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG zugrunde.

Zum anderen könne unter Umständen von der Klage aus Abschlagszahlung auf die Klage aus der zwischenzeitlich erstellten Schlussrechnung umgestellt werden, so dass – obwohl möglicherweise die Klage aus Abschlagsrechnung nicht mehr zulässig sei – der geltend gemachte Anspruch aus der zwischenzeitlich erstellten Schlussrechnung im zurückverwiesenen Verfahren weiterverfolgt werden könne.

C. Kontext der Entscheidung
Der BGH wiederholt seine bereits früher vertretene Auffassung, dass ein Anspruch auf Abschlagszahlung jedenfalls dann nicht mehr durchgesetzt werden könne, wenn die Bauleistung abgenommen ist und der Auftragnehmer eine Schlussrechnung gestellt hat (BGH, Urt. v. 15.04.2004 - VII ZR 471/01). Das entspricht bisherigen Entscheidungen (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.1985 - VII ZR 160/83 - BauR 1985, 456).

Dasselbe gelte aber auch – das ist der Inhalt des Orientierungssatzes 1 –, wenn die Abnahme erfolgt ist, die Leistung des Auftragnehmers fertiggestellt ist und die Frist abgelaufen sei, binnen derer der Auftragnehmer gemäß § 14 Nr. 3 VOB/B die Schlussrechnung einzureichen hat (ebenso Ingenstau/Korbion/Locher, VOB/B, 16. Aufl., B § 16 Nr. 1 Rn. 46; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 5. Teil Rn. 191; Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2. Aufl., § 16 Rn. 97; Kandel in: Beck’scher VOB-Kommentar, 2. Aufl. B § 16 Nr. 1 Rn. 16). So sah das bisher auch schon die herrschende Meinung (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rn. 984, 1228, mit Hinweis auf OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.05.1999 - 22 U 226/98 - NJW-RR 2000, 231, gegen OLG Bamberg, Urt. v. 01.09.2003 - 4 U 87/03 - BauR 2004, 1168). Der BGH schließt sich hier der herrschenden Meinung an: § 14 Nr. 3 VOB/B begründet die Pflicht des Auftragnehmers, die Schlussrechnung abhängig von den vertraglichen Leistungsfristen in bestimmten Zeiträumen nach der Fertigstellung der Leistung einzureichen. Daraus ergebe sich, dass nach Ablauf der dort genannten Fristen dem Auftragnehmer kein schützenswertes Interesse mehr einzuräumen ist, eine Abschlagsforderung noch durchzusetzen. Damit erlischt deshalb – so der BGH – das Recht des Auftragnehmers, Abschlagsforderungen zu erheben oder weiterzuverfolgen. Das gelte auch, wenn bereits Klage auf Abschlagszahlung erhoben ist. Von diesem Zeitpunkt also müsse grundsätzlich auf die Klage aus Schlussrechnung umgestellt werden.

Das führe allerdings nicht zur Abweisung der Klage aus der Abschlagsrechnung, denn es bestehe die Möglichkeit, die Forderung im Berufungsverfahren auf eine dann erstellte Schlussrechnung zu stützen. Dies sei prozessual möglich (so Tz. 91). § 533 ZPO finde auf Änderungen des Klageantrags nach § 264 Nr. 1 und 3 ZPO, die auch in der Berufungsinstanz gelten, keine Anwendung. Durch Erstellung der Schlussrechnung werde erst die materielle Voraussetzung für die Fälligkeit geschaffen.

Diese Auffassung ist nicht ganz unproblematisch: Sie führt dazu, dass der Auftragnehmer im an das Berufungsgericht zurückverwiesenen Verfahren die Schlussrechnung weiterverfolgen kann und den Parteien dadurch im Ergebnis eine Instanz genommen wird. Das wäre unproblematisch, wenn es lediglich um die Forderung aus der Abschlagsrechnung geht. Bei Erstellung der Schlussrechnung über ein umfangreiches Bauvorhaben sind aber selbstverständlich (neu) auch Positionen enthalten, die bislang nicht Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen den Parteien waren. Deshalb führt die Umstellung auf die Schlussrechnung im Berufungsverfahren im Ergebnis dazu, dass umfangreicher Prozessstoff unter Ausklammerung der ersten Instanz vollständig neu in der Berufungsinstanz erstmalig behandelt und entschieden wird. Der BGH bezeichnet dies in Tz. 91 als unproblematisch, weil es sich lediglich um Klageerweiterungen i.S.d. § 264 Nr. 1 und 3 ZPO handele. Das trifft aber nur insoweit zu, als es tatsächlich um Positionen geht, die bereits Gegenstand der Abschlagsrechnung waren. Andere – bisher im Verfahren nicht erfasste – Positionen sind m.E. neuer Prozessstoff, so dass die Umstellung auf die Schlussrechnung insoweit eine Klageänderung nach § 263 ZPO bedeutet. Bei Klage aus einer Schlussrechnung ist anerkannt: Eine Teilklage über einzelne Schlussrechnungspositionen ist unzulässig (vgl. Orientierungssatz 2), weil es sich bei den Rechnungsposten nicht um Forderungen oder Forderungsteile handelt, die einen Zahlungsanspruch begründen, sondern nur um unselbstständige Rechnungsposten. Lediglich der Schlussrechnungssaldo stellt eine Werklohnforderung dar (OLG Jena, Urt. v. 17.01.2007 - 4 U 1041/05 - IBR 2007, 1113). Das hat zur Folge, dass zwar ein erstrangiger Teilbetrag einer Schlussrechnung, nicht aber eine einzelne Position aus der Schlussrechnung geltend gemacht werden kann.

Da aus einer Schlussrechnung zwar gegebenenfalls erstrangige Teilbeträge eingeklagt werden können, die Klage aber nicht auf Teilpositionen aus der Schlussrechnung beschränkbar ist, bedeutet das im Ergebnis über den Anwendungsbereich des § 264 Nr. 1 und 3 ZPO hinaus eine in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageänderung, deren Sachdienlichkeit mit Rücksicht auf den Verlust der ersten Instanz nach § 263 ZPO zweifelhaft sein kann.

D. Auswirkungen für die Praxis
Die übrigen für die Baupraxis wichtigen Aussagen des BGH ergeben sich aus den Leitsätzen: Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nach Auffassung des BGH eine Abschlagsforderung für einzelne Positionen eines Vertrages nicht unabhängig davon erhoben werden, welche Leistungen sonst erbracht sind und abgerechnet werden können. Das Erfordernis der zeitraumbezogenen Abrechnung führe – so der BGH – dazu, dass der Auftragnehmer mit der Abschlagsrechnung Vergütungsansprüche für insgesamt abgerechnete Leistungen verlangen könne, ähnlich wie dies auch bei der Schlussrechnung der Fall ist (Tz. 59). Daraus wird man den Schluss ziehen können, dass nicht ohne weiteres einzelne Positionen einer Abschlagsrechnung Gegenstand einer gesonderten Klage sein können. Denn der Abrechnungssaldo stellt nur eine vorläufige Forderung dar. Einzelne Rechnungspositionen haben keinen eigenständigen Charakter, ähnlich wie das bei der Schlussrechnung der Fall ist (OLG Brandenburg, Urt. v. 09.07.2003 - 13 U 47/03 - IBR 2003, 465; OLG Jena, Urt. v. 17.01.2007 - 4 U 1041/05 - IBR 2007, 1113). Deshalb wird man auch bei Abschlagsrechnungen davon ausgehen müssen, dass sie nur insgesamt und nicht aufgegliedert hinsichtlich einzelner Teile zum Gegenstand einer eigenen Klage gemacht werden können.

Von großer Bedeutung für die Praxis sind die Ausführungen des BGH im Zusammenhang mit der geltend gemachten Nachtragsforderung nach § 2 Nr. 5 VOB/B (Orientierungssatz 3).

Ein Anspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B muss einen (unter Berücksichtigung von Mehr- und Minderkosten) neu gebildeten Preis schlüssig erkennen lassen. Dazu gehört die Darlegung der Mehr- oder Minderkosten, die sich aus einer Änderung des Bauentwurfs oder anderen Anordnungen ergeben (BGH, Urt. v. 11.03.1999 - VII ZR 179/98 - BauR 1999, 897, 899). Eine Klage, die – wie im vorliegenden Fall – lediglich mit erhöhten Kosten einzelner Elemente der Preisgrundlagen begründet worden ist, ist grundsätzlich unschlüssig. Die eigentlich notwendige Konsequenz der Abweisung der Klage umgeht der BGH hier mit dem Hinweis darauf, dass die im Anwaltsprozess klagende ARGE bis zur Revisionsinstanz auf die sich hieraus ergebende Unschlüssigkeit nicht hingewiesen worden sei.

Wichtige Fingerzeige gibt die Entscheidung auch für die Auslegung von Werkverträgen mit funktionaler Baubeschreibung, insbesondere unter Beteiligung der öffentlichen Hand (Orientierungssatz 4): Soweit Bodengutachten Vertragsbestandteil werden (ob das im konkreten Fall so war, konnte der BGH nicht entscheiden) und diese bestimmte Bodenverhältnisse beschreiben, die dann aber in veränderter Form angetroffen werden, kann eine gleichwohl erfolgende Anordnung der Leistung durch den Bauherrn für tatsächlich davon abweichende Bodenverhältnisse unter Umständen einen Anspruch des Unternehmers nach § 2 Nr. 5 VOB/B auslösen.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann allerdings bei einer funktionalen Baubeschreibung – wie sie hier vorliegt – nicht davon ausgegangen werden, dass der Inhalt öffentlich-rechtlicher Genehmigungen, die der Auftragnehmer für die Durchführung des Bauvorhabens einzuholen hat, den Inhalt des Vertragsverhältnisses bestimmt oder modifiziert. Die in diesem Zusammenhang notwendigen Zustimmungen im Einzelfall durch die öffentliche Behörde (öffentlich-rechtliche Genehmigungen besonderer Art in Einzelfällen) können auch dann nicht zur Bestimmung des funktional beschriebenen Vertragsinhalts herangezogen werden, wenn Auftraggeber die öffentliche Hand ist. Diese Zustimmungen im Einzelfall haben weder die Bedeutung, den Vertrag erst zustande zu bringen noch ihn inhaltlich zu bestimmen (Tz. 85). Ob und inwieweit im Rahmen der funktional beschriebenen Bauleistung die Änderung von Herstellparametern für die Bodenplatte unter Umständen mit veränderten Bodenverhältnissen zusammenhängt und diese – eventuell – zum Inhalt des Vertragsverhältnisses gemacht worden sind, ist eine tatsächliche Frage des Einzelfalles und daher nicht vom Revisionsgericht zu entscheiden. Deshalb verweist der BGH zurück.

Die Entscheidung enthält insgesamt eine Fülle wichtiger Erkenntnisse für die Baupraxis, wie sie sich in den Leitsätzen widerspiegeln. Erfreulich ist, dass die Entscheidung endgültig Klarheit darüber schafft, dass der Anspruch auf Abschlagszahlungen auch dann nicht mehr weiterverfolgt werden kann, wenn Schlussrechnungsreife eingetreten ist und das entsprechende Auswirkungen auch auf ein laufendes Verfahren (Klage aus Abschlagsrechnung) hat. Von großer Bedeutung ist auch die Klarstellung, wie eine Mehrvergütungsforderung nach § 2 Nr. 5 VOB/B zu berechnen ist. Nicht ganz unproblematisch erscheint die Auffassung des BGH, die auf Abschlagsrechnung gestützte Klage könne ohne weiteres im Berufungsverfahren auf die gesamte Schlussrechnung umgestellt werden, weil es sich nur um eine Klageerweiterung i.S.d. § 264 Nr. 1 und 3 ZPO handele. Diese Auffassung wird zur Folge haben, dass auch völlig neu auftretende Schlussrechnungspositionen unter Übergehung einer Instanz erstmalig in der Berufungsinstanz abgehandelt werden können und müssen.

Schließlich enthält die Entscheidung wichtige Erkenntnisse zur Interpretation funktionaler Angebote in der Baupraxis: Wenn das vom Unternehmer entwickelte und verfolgte Herstellungsverfahren besonderer Genehmigungen (Zustimmungen im Einzelfall) bedarf, ändern oder bestimmen solche vom Auftragnehmer einzuholenden Genehmigungen den Inhalt des funktional beschriebenen Angebots nicht.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Schließlich ist für die Praxis noch eine prozessuale Frage von Bedeutung: Wie soll das Berufungsgericht mit dem Umstand umgehen, dass ein erstinstanzliches Gericht bewusst einen Teil der geltend gemachten Forderung nicht in seine Entscheidung einbezogen hat, wie dies im vorliegenden Fall in der ersten Instanz geschehen ist? Entscheidet ein erstinstanzliches Gericht bewusst, eine bestimmte Forderung sei nicht anhängig gemacht worden (selbst wenn das unzutreffend sein sollte), wird die möglicherweise gleichwohl gegebene Anhängigkeit hinfällig, wenn das Urteil insoweit nicht angefochten wird. Der Kläger kann die Sache dann erneut anhängig machen. Im konkreten Fall habe das Berufungsgericht einen solchen ausgeklammerten Teil des Streitstoffes entgegen seiner im Berufungsurteil vertretenen Auffassung nicht ohne entsprechenden Rechtsmittelangriff der klagenden Partei ohne weiteres an sich ziehen können.

Die Klägerin sei aber nicht gehindert gewesen, diesen Anspruch erneut in der Berufungsinstanz (und zwar auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erst in der mündlichen Verhandlung) zu erheben (Tz. 71). Hier handele es sich um eine Klageerweiterung, die auch in der Berufungsinstanz möglich sei. Auch diese Auffassung führt dazu, dass ein von der ersten Instanz bewusst nicht entschiedener Teil, der erstmalig in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens geltend gemacht wird, unter Ausklammerung der ersten Instanz vom Berufungsgericht zu entscheiden ist.