MDReport 2008, Heft 2 Seite R17

Rezension Dr. Egon Schneider „Die Klage im Zivilprozess“ 3. Auflage
Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof



Der Grandseigneur des Zivilprozessrechts hat sein bewährtes Werk jetzt knapp drei Jahre nach Erscheinen der 2. Auflage (2004) in der 3. Auflage vorgelegt. Berühmt ist der Verfasser ja u. a. für kritische Justizberichte (Beispiel: „Justizspiegel“) und seine scharfsinnigen, originellen Kolumnen in der ZAP. Egon Schneider – der wohl bekannteste Zivilprozessrechtler – beschränkt sich aber keineswegs auf Justizkritik. Mit seinem grundlegend überarbeiteten Werk gibt er nicht nur Referendaren und jungen Anwälten, sondern auch erfahreneren Kollegen einen wertvollen Leitfaden an der Hand, der sicher durch das Labyrinth des Zivilprozessrechts führt.

Der Aufbau folgt der Anwaltstätigkeit in der Praxis. Schneider hilft seinen Lesern bei Vorbereitung, Einleitung und Durchführung des Prozesses auf die Sprünge. Seine prägnante Darstellung zur vorgerichtlichen Beratung des Mandanten, zum Abschluss des Anwaltsvertrags, möglichen Haftungsbegrenzungen, der vorprozessuale Korrespondenz und schließlich zur Vorbereitung und Einleitung des Verfahrens einschließlich wertvoller taktischer Überlegungen machen den prozessualen Hürdenlauf zum beruflichen Vergnügen.

Ausführlich stellt Schneider innerhalb und außerhalb des Prozesses alle wichtigen Verfahrensschritte dar. (z. B. Streitverkündung, Präklusionsrecht, Widerklage, Aufrechnung im Prozess, Anbieten von Beweisen, Verhalten bei Beweiserhebung, Fragen der Behauptungs- und Beweislast, Klageerwiderung und Replik). Zahlreiche praxisorientierte Beispiele und taktische Ratschläge fördern das Verständnis und helfen bei der Bewältigung auch schwieriger Fragen.

Für die praktische Tätigkeit des forensischen Anwalts und dessen täglichen „Kampf ums Recht“ (hier Ihering 1872) gibt es nichts Vergleichbares. Was schon für die erste Auflage zu konstatieren war (vgl. Reinelt, BB 2000, Heft 43, S. IX), gilt für die aktuelle Auflage unverändert. Gedankenführung und Diktion des Verfassers, der bekanntlich auch ein hervorragendes Buch über „Logik für Juristen“ (inzwischen in der 5. Auflage) geschrieben hat, sind strikt der Logik verpflichtet. Leider werden diese Grundsätze in der Ausbildung kaum noch gelehrt. Dass Studenten, und gelegentlich auch Richter, begriffliche Definitionen für obsolet halten und oft nicht wissen, wie man einen Begriff definiert, ist eine Erfahrung, die man täglich in Ausbildung und Praxis machen kann. Schneider hilft diesem Mangel ab. „Modus Barbara“ und „Justizsyllogismus“ sind dann für den Rechtsanwender keine Böhmischen Dörfer mehr.

Die sprachliche Barbarei eines typischen, schwammigen und amorphen Juristendeutsch ist dem Verfasser ein Gräuel. Egon Schneider ist der Ludwig Reiners der juristischen Stilkunst. Wer von Schneider nicht nur Zivilprozessrecht, sondern auch Sprache lernt, hat schon – unabhängig vom Prozesserfolg - gewonnen.

Das Werk ist eine ausgezeichnete Anleitung für erfolgreiche Tätigkeit des Anwalts in der Praxis. Seine umfassende prozessuale Darstellung, die der Logik verpflichtete Gedankenführung und die vorbildliche Diktion machen es nicht nur zu einer hilfreichen, sondern auch zu einer spannenden Lektüre.

Bescheiden formuliert Schneider in der Einleitung (Rd.-Nr. 10):

„Damit kein Missverständnis über das Ziel aufkommt: Es geht nicht um lückenloses zivilprozessuales Wissen. Darüber verfügt niemand.“

Vielleicht trifft das aber gerade auf ihn nicht zu. Seine jahrzehntelange Erfahrung, seine komplette Beherrschung des Zivilprozessrechts und seine Fähigkeit, auch komplizierteste Zusammenhänge im Verfahrensrecht unnachahmlich prägnant und klar darzustellen, sind unübertroffen. Bewundernswert ist nicht zuletzt, dass die Schaffenskraft des Autors auch in deutlich fortgeschrittenem Alter – er hat das 80. Lebensjahr überschritten – noch zugenommen hat.

Der tägliche „Kampf ums Recht“ wird mit den Waffen des Verfahrensrechts ausgetragen. Ein erfolgreicher Anwalt kann ihm nur bestehen, wenn er die Verfahrensordnung beherrscht. Nur dann – so Schneider - kann er auch solchen Prozessrisiken entgegenwirken, die – aus welchen Gründen auch immer – auf fehlerhafte verfahrensrechtliche Handhabung, auch durch Gerichte, zurückgehen.

Schneider gibt nicht nur mit seinen unübertroffenen Kolumnen in der ZAP, auf die ich mich regelmäßig freue, sondern jetzt auch mit der 3. Auflage seiner Klage im Zivilprozess allen forensisch tätigen Juristen eine großartige und unterhaltsame Hilfestellung.

Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof