ZAP 2006, Fach 7, Seite 301

Grundbuchfähigkeit der GbR?
Von Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München

I. Vorbemerkung
"Justitia fundamentum regnorum". Dieser Leitspruch von Kaiser Franz I. von Österreich (1768 bis 1835) ziert nicht nur das äußere Burgtor der Hofburg in Wien, sondern auch den Justizpalast in München. Altbundeskanzler HELMUT KOHL hat ihn in einer Rede am 20.07.1984 zu Ehren des deutschen Widerstandes vom 20.07.1944 wie folgt übersetzt: „Gerechtigkeit ist, was die Staaten erhält".

Wenn man mir - nach dem Ende vieler Königreiche - die Übertragung des lateinischen Plurals in den deutschen Singular gestattet, könnte man auch sagen: „Die Justiz ist die Basis des Gemeinwesens". Oder deutet vielleicht die Verwendung des Begriffs „fundamentum" an, daß es erstrebenswert sein könnte, im Interesse der Erhaltung des Gemeinwesens bestehende Verhältnisse zu bewahren, um das Wort: „zementieren" zu vermeiden? Diesen Eindruck könnte man manchmal gewinnen, wenn in Teilbereichen an überholten Rechtsstrukturen festgehalten wird.

lI. Rechtsprechungswandel zur Rechtsfähigkeit der GbR
Gelegentlich macht sich in der Rechtsprechung eine solche traditionsbewußt-bewahrende Haltung bemerkbar, wenn in bestimmten Bereichen ein Rechtsprechungswandel eingetreten ist, die Gerichte sich aber im übrigen scheuen, diesen Wandel konsequent in allen anderen Bereichen umzusetzen. Ein Beispiel dafür ist die in der Rechtsprechung veränderte Betrachtung der BGB-Gesellschaft (BGH ZAP F. 15, 5.355; NJW 2001, 1065). Seit dieser Entscheidung wird die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht mehr wie früher als Gebilde ohne Rechtspersönlichkeit beurteilt, lediglich gekennzeichnet durch die gesamthänderische Verbundenheit einzelner Gesellschafter. Die Rechtsprechung hat explizit anerkannt, daß die Außen-GbR rechts- und parteifähig ist und als solche am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Sie wird damit als teilrechtsfähige „Wirkungseinheit" stark der OHG angenähert. Konsequent hat vor dem Hintergrund dieser geänderten Rechtsprechung der V. Senat des BGH auch die Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähig angesehen (BGHZ 163, 154; ZAP F. 7, 5.295). Ein in die BGB-Gesellschaft eintretender Neugesellschafter haftet analog § 128 HGB für früher begründete Verbindlichkeiten (BGH NJW 2003, 1803). Für frühere Zeiträume gibt es Vertrauensschutz (vgl. Reinelt, „Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung", BrBp 2003, 44). Mit diesen Entscheidungen wird die gewandelte Beurteilung der BGB-Gesellschaft konsequent umgesetzt.

Aber: Es gibt durchaus wichtige Bereiche, in denen die entsprechenden Konsequenzen der neuen Beurteilung der GbR gerade nichtgezogen werden. Der BGH vertritt z. B. die Auffassung, die GBR könne trotz ihrer nunmehr entdeckten Teilrechtsfähigkeit nicht Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft sein (BGH NJW 2006, 2189; a. A. SCHÄFER NJW 2006, 2160). Das OLG Celle (NJW 2006, 2194) steht auf dem Standpunkt der nach wie vor herrschenden, aber bestrittenen (vgl. etwa Ott NJW 2003,1223) Auffassung, die GbR sei nicht grundbuchfähig. M. E. ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Rechtsprechung die geänderte Sichtweise in bezug auf die BGB-Gesellschaft konsequent umsetzt und zu dem Ergebnis kommt: Entgegen bisheriger Auffassung ist die GbR auch grundbuchfähig.

III. Argumente gegen die Grundbuchfähigkeit der GbR
Die zurückhaltenden traditionsverbundenen Interpretationen, die der GbR die Grundbuchfähigkeit derzeit noch absprechen, werden vor allem begründet mit Argumenten der Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Publizität. Trifft es zu, daß das Gebot der Rechtsklarheit die Grundbuchfähigkeit der GbR ausschließt? Ich meine: nein. Weder die Erfordernisse der Rechtsklarheit und Publizität noch die Vorschriften der Grundbuchordnung oder der Grundbuchverfügung stehen der Grundbuchfähigkeit der GbR im Wege.

Früher oder später wird man in Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der GbR als Außengesellschaft auch ihre Grundbuchfähigkeit zu bejahen haben. Mit den traditionellen Argumenten müßte man nämlich auch noch heute entgegen der inzwischen etablierten Rechtsprechung des BGH die Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder der Wohnungseigentümergemeinschaft ohne Benennung der einzelnen Mitglieder verneinen. Denn dort tritt beispielsweise beim Erlaß einer Endentscheidung eines Gerichts die gleiche Rechtsunsicherheit ein. Aus welchen Personen setzt sich denn die - teilrechtsfähige und damit nach der Rechtsprechung des BGH prozeßfähige- BGB-Gesellschaft aktuell zum Zeitpunkt des Erlasses eines Titels zusammen? Auch hier wäre -- versteht man Rechtsklarheit i. S. d. traditionsbewußten Rechtsprechung -- ansonsten schon aus prozessualen Gründen (wer ist Partei, auf wenn erstrecken sich Rechtshängigkeit und Rechtskraft?) die Benennung einzelner Gesellschafter erforderlich. Das ist aber gerade nach der neuen Auffassung des BGH zur Prozeßfähigkeit der BGB-Gesellschaft nicht mehr der Fall.

Nachdem der BGH mit Recht die Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft bejaht und daraus die zutreffende Konsequenz gezogen hat, daß die BGB-Gesellschaft als „Wirkungseinheit" Prozesse führen, verklagt werden und Rechte erwerben kann, ist es nur konsequent, diese zutreffende Auffassung auch auf das Gebiet des Grundbuchrechts zu übertragen. Es ist ohne weiteres möglich, eine BGB-Gesellschaft durch Bezugnahme auf das von ihr gehaltene Objekt einwandfrei zu individualisieren und ihre Handlungsfähigkeit durch die eigene Geschäftsführung der BGB-Gesellschaft sicherzustellen. Über die Frage der Zusammensetzung dieser Gesellschaft zum jeweils aktuellen Zeitpunkt gibt der Gesellschaftsvertrag Auskunft. Daß das nicht in der Form des § 29 GBO geschieht, kann für die Grundbuchfähigkeit der BGB-Gesellschaft selbst keine entscheidende Rolle spielen. Es entspricht vielmehr gerade dem Gebot der Rechtsklarheit, wenn die BGB-Gesellschaft insgesamt infolge der Rechtsprechung des BGH als rechtsfähig und damit konsequenter Weise auch als grundbuchfähig behandelt wird. Wenn einzelne Gesellschafter ausscheiden oder eintreten, sind das Vorgänge, die die Eintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als solche nicht berühren. Das dient insgesamt auch der Vereinfachung des Grundbuchverkehrs.

Sind Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wirklich gefährdet, wenn man die GbR als grundbuchfähig ansieht? Die gegenteilige Auffassung wird oft einfach unter Verwendung der durchaus auslegungsbedürftigen Begriffe wie „Rechtsklarheit" und „Rechtssicherheit" als unbrauchbar verworfen. Die Begriffe werden dabei als sakrosankte Leerformeln verwendet, um bestimmte Folgerungen zu rechtfertigen. Erforderlich ist aber, daß man sich in concreto Gedanken darüber macht, ob und inwieweit eine durch solche Begriffe insinuierte Unsicherheit tatsächlich entsteht.

Ein Beispiel aus der Praxis:
Eine BGB-Gesellschaft hat einen Titel erstritten (ohne daß - was ja nach neuer Auffassung nicht notwendig ist- im Prozeß die einzelnen Gesellschafter benannt worden sind). Sie will jetzt im Wege der Zwangsvollstreckung vorgehen. Alle Pfändungsversuche in bewegliche Habe und Forderungen des Schuldners waren vergeblich. Es bleibt nur noch die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück des Vollstreckungsschuldners. Nun steht die BGB-Gesellschaft vor dem Problem, eine Zwangshypothek auf dem Grundstück eintragen zu lassen.

Gibt es einen nachvollziehbaren Grund dafür, daß nur durch die Eintragung aller BGB-Gesellschafter und nicht der BGB-Gesellschaft als solcher eine Zwangshypothek im Wege der Vollstreckung eingetragen werden kann? Überwiegt ggf. ein solcher Grund das Gläubigerinteresse an der Vollstreckung? Nein! Es ist für den Rechtsverkehr völlig gleichgültig, ob als Vollstreckungsgläubiger und Inhaber des materiellen Rechts die BGB-Gesellschaft (vertreten durch ihren Geschäftsführer), individualisiert durch ihre Namen eingetragen wird oder alle derzeitigen Mitglieder namentlich aufgeführt werden. Denn der einzelne Gesellschafter kann ohnehin nicht unabhängig von der BGB-Gesellschaft Rechte selber geltend machen. Das kann nur die Gesellschaft insgesamt. Die Rechtszuständigkeit und die Person des Vollstreckungsgläubigers sind auch bei der BGB-Gesellschaft eindeutig und rechtsklar individualisiert.

IV. Bedürfnisse der Praxis
Auch praktische Gründe streiten für diese Lösung: Viele Milliarden an Investitionsvolumen wurden in der BRD in den vergangenen Jahren von Immobilienfonds angelegt. Diese sind entweder als Kommanditgesellschaften oder BGB-Gesellschaften strukturiert. Sie setzen sich oft zusammen aus Hunderten oder Tausenden von Personen. Mir sind aus eigener Praxis BGB-Gesellschaften bekannt, die aus über tausend Gesellschaftern bestehen. Dient es wirklich der „Rechtsklarheit", wenn solche hundert oder tausend Gesellschafter als Berechtigte einer Zwangshypothek zur gesamten Hand ins Grundbuch eingetragen werden müssen? Bis der Grundbuchbeamte die Eintragungen hat erledigen können, ist der Bestand der Gesellschafter erfahrungsgemäß verändert. Einige sind verstorben, unbekannt beerbt, andere unauffindbar, weitere haben ihre Beteiligung bereits auf Dritte übertragen. Es ist tatsächlich und unter Berücksichtigung selbst eines höheren als in der Praxis üblichen Arbeitstempos von Grundbuchbeamten unmöglich, solche ständig veränderten Eintragungen vorzunehmen. Bei deren Komplettierung, wenn sie denn überhaupt erfolgt, ist die Lage schon wieder ganz anders. Das ist alles andere als klar oder rechtssicher. Praktisch lassen sich solche Eintragungen bei größeren Immobilienfonds überhaupt nicht mehr erledigen. Das bedeutet im Ergebnis: Einer BGB-Gesellschaft, die ohne weiteres Pfändungsbeschlüsse oder Gerichtsvollzieheraufträge unter ihrem Namen einleiten kann, wird das Recht der Zwangsvollstreckung ins Grundbuch genommen. Wenn dieses Grundstück aber z. B. der einzige Vollstreckungsgegenstand des Schuldners ist, wird eine solche aus vielen Personen bestehende BGB-Gesellschaft im Ergebnis rechtlos gestellt. Eine solche Rechtsverweigerung ist auch verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar (vgl. Ott NJW 2003,1223).

Die Eintragung eines ständig wechselnden Bestandes an Gesellschaftern, gerade bei den unzähligen in der Bundesrepublik als BGB-Gesellschaft organisierten Immobilienfonds, scheidet in solchen Fällen nicht nur aufgrund der praktischen Undurchführbarkeit, sondern auch aus folgenden Grunde aus: Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH verstößt eine dem Treuhänder erteilte Vollmacht, die die Aktionsfähigkeit für die einzelnen Gesellschafter auch im Grundbuchbereich sichergestellt hatte, gegen das Rechtsberatungsgesetz. Diese von allen Senaten des BGH übernommene Rechtsprechung wurde begründet durch das Urteil des BGH v. 18.09.2001 (BGHZ 145, 265, 269) und dann durch zahlreiche Entscheidungen fortgeführt (BGH NJW 2003, 2088; BGHZ 153, 214, 218; BGHZ 159, 294; BGH NJW 2001, 3774). Die Rechtsprechung führt nicht nur zur Nichtigkeit des Treuhandvertrages, sondern auch der Vollmacht des Treuhänders (BGH BB 2001, 2497). In der genannten Entscheidung befaßt der BGH sich ausdrücklich mit der von ihm angeordneten uneingeschränkten Rückwirkung seiner Rechtsprechung. Er sagt dazu: „...Eine solche Rückwirkung ist bei gerichtlichen Urteilen grundsätzlich hinzunehmen....".

Die Rechtsprechung bewirkt also die uneingeschränkte Nichtigkeit der Treuhändervollmacht auch mit Rückwirkung. Dies wiederum führt zu folgendem Ergebnis: Immobilienfonds, die durch Treuhänder vertreten sind (wie das bei Immobilienfonds seit Jahrzehnten üblich ist), haben als Folge der höchstrichterlichen Rechtsprechung die durch den Treuhänder garantierte Handlungsfähigkeit, insbesondere auch im grundbuchrechtlichen Verkehr verloren. Es ist illusorisch, anzunehmen, daß Hunderte oder Tausende von Gesellschaftern neue wirksame Vollmachten erteilen oder selbst für entsprechende Grundbuchvorgänge notariell beglaubigte Erklärungen abgeben. Eine solche BGB-Gesellschaft ist völlig handlungsunfähig. Die Rechtsprechung hat die Aufgabe, deren Handlungsfähigkeit wieder herzustellen, wenn Recht nicht verweigert werden soll. Das kann und muß dadurch geschehen, daß die BGB-Gesellschaft durch ihre Geschäftsführung auch im Grundbuchverkehr handeln kann, ohne daß es der Eintragung aller einzelnen Gesellschafter bedarf.

Die Rechtsschutzansprüche einer BGB-Gesellschaft, z. B. in der Vollstreckung, werden durch die althergebrachte, praktisch unbrauchbare und dogmatisch nach der neueren Rechtsprechung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft nicht mehr zu rechtfertigende Rechtsauffassung verletzt. Ihr wird der Rechtsschutz in der Zwangsvollstreckung mit dem Festhalten am bisherigen Prinzip einer Notwendigkeit der Eintragung aller Gesellschafter verweigert.

Es ist an der Zeit, die notwendigen Konsequenzen für die Grundbuchfähigkeit der BGB-Gesellschaft nach neuerer Rechtssituation zu ziehen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle hält zu Unrecht trotz geänderter Auffassung der Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft an den althergebrachten Grundsätzen traditionsbewußt fest.

V. Grundbuchrecht
Gegen die hier vertretene Auffassung spricht auch nicht die aus dem Jahre 1935 stammende Grundbuchverfügung. Die BGB-Gesellschaft steht nach neuerer Rechtsprechung zwischen der natürlichen Person und der Handelsgesellschaft. § 15 Abs. 1 a GBV spricht von der natürlichen Person (nicht der GbR), §15 Abs. 1 b GBV regelt die Eintragung der Handelsgesellschaft. Die Vorschriften zwingen keineswegs zur Eintragung aller einzelnen Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Auch aus Abs. 3 jener Vorschrift läßt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Dort ist nur geregelt, was grundbuchrechtlich zu geschehen hat, wenn sich eine BGB-Gesellschaft zur Handelsgesellschaft oder Partnerschaftsgesellschaft wandelt. Die neue Sichtweise auf die BGB-Gesellschaft legt nahe: Wenn man für die Haftung des eintretenden Gesellschafters die Vorschriften der OHG (§ 128 HGB) analog anwendet, ist kein Grund ersichtlich, warum nicht für die Eintragung im Grundbuch § 15 Abs. 1 b GBV (also die Analogie zur Handelsgesellschaft auch dort) zur Anwendung kommen sollte, mit der Folge, daß die BGB-Gesellschaft nur unter ihrem Namen, vertreten durch die Geschäftsführung, einzutragen ist. Das ist grundbuchrechtlich zulässig und zum Schutz der Rechte der BGB-Gesellschaft geboten.

VI. Schlußbetrachtung
Das Verhältnis des Richters zum Gesetzgeber vergleicht der Präsident des BGH GÜNTER HIRSCH (ZRP 2006, 161: „Der Richter wird's schon richten!") zutreffend mit der Beziehung eines Pianisten zum Komponisten. Wie jener die Partitur mit Leben zu erfüllen hat, verfügt der Richter über den interpretatorischen Spielraum, § 15 Abs. 1b GBV auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog anzuwenden und damit die nach heutiger Auffassung notwendigen rechtlichen Konsequenzen für die Grundbuchfähigkeit der BGB-Gesellschaft zu ziehen. Die Wende in der Rechtsprechung in bezug auf die BGB-Gesellschaft sollte konsequent insgesamt und damit auch auf dem Gebiet des Grundbuchrechts vollzogen werden. „Justitia fundamentum regnorum". Eine Urkunde mit diesem Text wurde 1963 bei der Errichtung des Juridicums der Universität Bonn unter dem Grundstein eingemauert. Der lateinische Leitspruch sollte aber nicht so verstanden werden, daß die bisherige Rechtsauffassung von der mangelnden Grundbuchfähigkeit der GbR nach der heute noch h. M. zum Schutze des Althergebrachten einbetoniert wird.