BrBp, Heft 1 2003, Seite 4

Fördert der Gesetzgeber die illegale Betätigung im Baugewerbe?

RA Dr. Ekkehart Reinelt, München

In jüngerer Zeit hat der Gesetzgeber eine Neigung, Ziele oder Funktionen von Gesetzen durch euphemisierend-verfälschende Titulierung zu verdecken. So wäre das von der Bundesregierung eingebrachte und im Vermittlungsausschuss am 9.4.2003 deutlich abgespeckte "Steuervergünstigungsabbaugesetz" (zumindest in der ursprünglich in den Bundestag eingebrachten Fassung) sicherlich korrekter zu bezeichnen gewesen als "Gesetz zur verdeckten Steuererhöhung".Wie verhält es sich in diesem Zusammenhang mit dem "Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe" vom 30.8.2001 BGBl I Seite 2267?

Übermäßige Bürokratisierung und unzumutbarer Verwaltungsaufwand hemmen - so wird allenthalben beklagt - die wirtschaftliche Entwicklung. Gerade auch die Bauwirtschaft ist hiervon betroffen. Unpraktikable und überbürokratische Vorschriften lassen sich auf Dauer nicht durchsetzen oder fristen ein Schattendasein. Das gilt auch für baurechtliche Vorschriften, beispielsweise die völlig an der Praxis vorbeientwickelte und deshalb auch bedeutungslose Fertigstellungsbescheinigung nach § 641 a BGB. Ein weiteres Beispiel hierfür in der Baurechtspraxis ist das "Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe". Es fordert von jedem Auftraggeber von Bauleistungen- mit ganz wenigen Ausnahmen die Abführung von 15 % der Rechnungssumme direkt ans Finanzamt des Bauunternehmers. Beispiel:
- Ein Metzgermeister lässt den Verkaufsraum seiner Metzgerei neu fliesen, die Heizung erneuern und eine neue Ladentheke einbauen.
- Ein pensionierter Schullehrer lässt in seinem vermieteten Mehrfamilienhaus eine neue Heizung und neue Fenster einbauen.

In beiden Fällen unterliegt der Auftraggeber, der als "Unternehmer" im Sinne des zitierten Gesetzes gilt, der Verpflichtung, bei Auszahlung der Vergütung für die Bauleistungen die Bauabzugssteuer zu beachten, einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (vgl. zum Verwaltungsaufwand Antrag der FDP-Fraktion vom 20.11. 2001 Bundestagsdrucksache 14/7541; zum neuesten Verwaltungserlass zum Bausteuerabzug vgl. Diebold, DB 2003,1134).
Bevor er die 15 %ige Steuer abführt und die entsprechenden Erklärungen gegenüber dem Finanzamt abgibt, hat er umfangreiche Rechtsfragen zu klären:
- Was ist grundsätzlich unter dem Begriff einer Bauleistung zu verstehen?
- Liegt sie nur vor, wenn das Bauwerk in seiner Substanz verändert wird?
- Wie verhält es sich bei Erhaltungs- oder Wartungsarbeiten?

Diffizile rechtliche Streitigkeiten über Abgrenzungsfragen treten in fast jedem Fall auf. Zusätzlich ist die Finanzierung vieler Projekte gefährdet, weil die Banken ihr zusätzliches Risiko absichern müssen.

Die Fragen um die Freistellungsbescheinigung, die den "Unternehmer" von der Abführung der Steuer befreit, sind hoch kompliziert. Wenn der Steueranspruch "nicht gefährdet erscheint", ist eine Freistellungsbescheinigung vom Finanzamt zu erteilen. Der "Unternehmer", der die Bauleistungen in Auftrag gibt, hat nicht nur die 15 %ige Steuer abzuführen. Er muss monatlich Steueranmeldungen "nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck" beim Finanzamt abgeben und muss in diesen Voranmeldungen den Steuerabzug selbst berechnen. Damit entsteht nicht nur ein erheblicher, die Bauleistung deutlich verteuernder Verwaltungsaufwand, sondern der "Unternehmer" muss auch regelmäßig komplizierte Rechts- und Steuerfragen klären, um der gesetzlichen Vorschrift überhaupt genügen zu können. Dazu ist er selbst - in der Regel weder Fachmann auf dem Gebiet des Zivilrechts noch des Steuerrechts - nicht in der Lage. Er muss sich also geschäftsmäßiger Hilfe bedienen. Schaltet er Berater ein, die nicht die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft haben, gerät er in eine Falle, die die Rechtsprechung kürzlich aufgestellt hat:
Der BGH hat zwischenzeitlich mit einer Serie von (übrigens wegen Art. 12 und Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich bedenklichen) Entscheidungen durch unverständliche Ausweitung des Anwendungsbereichs des auf nationalsozialistische Zeit zurückgehenden Rechtsberatungsgesetzes (RBerG, ursprüngliche Intention: Fernhalten jüdischer Rechtsanwälte von jeder Berufsausübung, auch als Rechtsbeistand) fast jegliche geschäftsmäßige Besorgung mit rechtlichen Bezügen zum Erliegen gebracht (z. B. BGH NJW 2002,2325; BGH BB 2003, 217) und damit das gesetzliche Vertretungsrecht der §§ 164 ff. BGB, jedenfalls für den geschäftsmäßigen Bereich, nahezu vollständig außer Kraft gesetzt. Wer geschäftsmäßig für einen anderen Besorgungen tätigt - und dazu gehört mit Sicherheit auch die Überprüfung und Erledigung der sich aus dem "Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe" ergebenden Fragen - verstößt i. d. R. gegen das RBerG. Von ihm abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärungen sind nach der Rechtsprechung des BGH nichtig. Der Unternehmer gerät also zwischen Scylla und Charybdis: Einerseits wird ihm mit den genannten gesetzlichen Vorschriften zur Bauabzugssteuer angesonnen, als Büttel des Finanzamtes rechtliche Besorgungen und Tätigkeiten zu erledigen, die er wegen der Komplexität der Fragen schon in eigener Person nicht erledigen kann. Auf der anderen Seite läuft er bei Einschaltung kompetenter Dritter, die keine Erlaubnis zur Rechtsbesorgung haben, Gefahr, dass sämtliche rechtsgeschäftlichen Erklärungen nichtig sind (§ 134 BGB). Der Gesetzgeber verlangt von ihm, in erheblichem Umfang rechtliche Fragen zu prüfen und zu bewältigen, die Rechtsprechung belohnt diese Verpflichtung mit demVerdikt, dass fast jede geschäftsmäßige, mit rechtlichen Aspekten verbundene Tätigkeit (und das ist so gut wie jede) gegen das RBerG verstößt mit der Folge der Unwirksamkeit vorgenommener Rechtshandlungen. Nicht zu Unrecht führt ein Artikel in der Zeitschrift "Cash" 2003, 63/64 aus, dass nach der zwischenzeitlich etablierten Rechtsprechung des BGH zur Anwendung des RBerG kaum mehr als ein Auftrag zum Brötchenholen als wirksame Geschäftsbesorgung übrig bleibt und alle weiteren - jedenfalls geschäftsmäßigen - Rechtsbesorgungen, die durch Vertreter im Sinne der §§ 164 ff. BGB vorgenommen werden, wegen Verstoßes gegen das RBerG zur Nichtigkeit entsprechender Rechtshandlungen führen sollen (Ausnahme: Die wirtschaftliche Seite der Tätigkeit überwiegt die rechtliche, was der Richter natürlich nach Belieben in jedem einzelnen Fall so oder anders gewichten kann).

Die eine Hand (Rechtsprechung) weiss nicht, was die andere (Gesetzgeber) tut. Der Unternehmer ist jedenfalls mit dem "Gesetz gegen die illegale Betätigung im Baugewerbe" vollständig überfordert. Er selbst kann die Fragen nicht lösen. Kompetente Vertreter (andere als Rechtsanwälte) kann er nicht einschalten, weil deren Tätigkeit von der Rechtsprechung des BGH mit dem Verdikt der Nichtigkeit überzogen wird.

Im Übrigen ist zu hoffen, dass der Metzgermeister und der pensionierte Schullehrer darüber informiert sind, was ein SiGe-Plan ist und welche Funktion ein SiGeKo hat. Weiss er das nicht und kümmert er sich nicht darum, handelt er ordnungswidrig und verwirkt ein Bußgeld von bis zu 5000,00 EUR (§ 7 Abs. 1 Baustellenverordnung i.V m. § 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG). Er wird sich also erkundigen müssen: Ein SiGe-Plan ist ein auf gefährlichen Baustellen bereitzuhalten der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan bezogen auf die Arbeitsschutzbestimmungen, die auf der Baustelle eingehalten werden müssen. Ein SiGeKo ist ein Sicherheits- und Gesundheitskoordinator, der bei gleichzeitiger Tätigkeit mehrerer Handwerker - wie in den vorliegenden Fällen - für Koordination von Sicherheit und Gesundheit auf der Baustelle verantwortlich ist. Diesen muss der "Unternehmer" = Auftraggeber einsetzen (sog. BaustellenVO vom 10. 6. 1998, "Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen" BGBl l Seite 1283 ff.).

Wenn der Auftraggeber sich rechtmäßig verhalten will, muss er also einen wesentlichen Teil seiner (gerade bei Selbstständigen knappen) Zeit darauf verwenden, hoch komplizierte Rechtsvorschriften zu studieren und zu erfüllen, wie sie die "Baustellenverordnung" oder das "Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe" von ihm fordern. Vermutlich hat er dazu weder die Fähigkeit noch die Zeit und/oder Bereitschaft. Kann man es ihm wirklich verdenken, wenn er angesichts dieser bürokratischen Zumutungen auf den ganzen Papierkram verzichtet und die Arbeiten lieber unter der Hand vergibt?

Im Übrigen: Wenn der AG von den einschlägigen Vorschriften keine Ahnung hat oder sich jedenfalls erfolgreich ahnungslos gibt, ist sein zivilrechtliches Risiko nicht allzu groß. Denn nach der Rechtsprechung kann ein Bauvertrag u. U. gültig sein, wenn nur eine Partei bewusst gegen das Gesetz zu Bekämpfung der Schwarzarbeit (SchwarzArbG) verstößt (BGH Baurecht 1984,290; BGH Baurecht 2001, 632). In einem solchen Falle nur einseitigen Verstoßes gegen das SchwarzArbG nur durch den AN wendet die Rechtsprechung § 134 BGB mit der entsprechenden Nichtigkeitsfolge nicht an. Dann hätte der AG sogar Gewährleistungsansprüche (BGH NJW 1985,2403; BGH Z 89, 369).

Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, statt der euphemistischen Verwendung einer Nomenklatur über das "Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe" der Wahrheit die Ehre zu geben und das Gesetz als das zu bezeichnen, was es tatsächlich ist, nämlich ein "Gesetz zur Förderung illegaler Betätigung im Baugewerbe" oder - prägnanter - ein "Gesetz zur Förderung der Schwarzarbeit".