ZAP Kolumne 2002, Seite 315

Treuhandschaft und Rechtsberatung

RA Dr. Ekkehart Reinelt, München

 

Der griechische Philosph Heraklit, den man auch den "Dunklen" nannte, erkannte: "panta rhei". Alles fließt. Nichts ist gewiß, alles einem ständigen Wandel unterworfen. Hat Heraklit prophetisch unsere Rechtswirklichkeit beschrieben? Seine Feststellung gilt jedenfalls auch für unsere Rechtsprechung. Auf das, was jahrzehntelang gegolten hat, kann man sich nicht mehr verlassen. Rechtssicherheit ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Ein Beispiel hierfür ist die Neuentdeckung des BGH, die das Verhältnis des RBerG zur Treuhandschaft betrifft. Nach Auffassung des Gerichts ist ein Treuhandvertrag, der einen Treuhänder nicht primär zur Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange des Treugebers verpflichtet, sondern ihm Befugnisse zur Vornahme und Änderung von Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit dem Beitritt eines Treugebers zum geschlossenen Immobilienfonds einräumt, wegen Verstoßes gegen das RBerG unwirksam (BGH NJW 2001, 3774; BGH NJW 2001, 70 und BGH BB 2001, 2497). Bereits zuvor hat der BGH in einem Bauträgerfall (dort ging es um die Haftung des Notars) entschieden (BGH NJW 2001, 70 = ZAP EN-Nr.776/2000):

"Ein Vertrag, durch den ein Geschäftsbesorger (oder Treuhänder) im Rahmen eines Bauträgermodells vom Erwerber beauftragt wird, alle hierfür notwendigen Verträge abzuschließen, verstößt gegen das RBerG."

Ob das Oberste Gericht bei seiner extensiven Interpretation dieses Gesetzes die damit verbundenen Konsequenzen für Recht und Wirtschaft erkannt hat, ist zu bezweifeln.

Seit Jahrzehnten investieren Anleger in Bauträgermodelle, früher in Bauherrenmodelle und vor allem in Fondsmodelle Kapital. Die Investitionssumme in der Branche dürfte inzwischen 3-stellige Milliardenbeträge (sowohl in DM als auch in €) übersteigen. Das jährliche Investitionsvolumen beträgt regelmäßig mehrere Mrd. DM. Zigtausende von Anlegern haben sich an solchen Modellen beteiligt und dabei über Jahrzehnte hin erhebliche Steuervorteile erzielt. Nur durch Kapitalanlagegesellschaften, die als Publikumsgesellschaften auftreten, ist die Realisierung unzähliger Fondsobjekte (im Immobilienbereich, im Kraftwerkbereich, bei Medienfonds etc.) möglich gewesen. In der heutigen Zeit sind nach dem Auslaufen des Fördergebietsgesetzes jedenfalls im Immobilienbereich die Modelle eher renditeorientiert.

Bei fast allen vertraglichen Konstruktionen dieser Publikumsgesellschaften treten, schon weil es aus praktischen Gründen gar nicht anders möglich ist, Treuhänder auf, die den Beitritt des Anlegers zur Fondsgesellschaft vollziehen (häufig geschieht dies durch Beitritt zu einer Personengesellschaft, die das Objekt bereits hält), dessen Anteile treuhänderisch halten, die notwendigerweise mit der Durchführung des Projekts verbundenen Verträge abschließen und sonst notwendige Rechtshandlungen (Grundbucherklärungen, Registererklärungen etc.) vornehmen. Solche Verträge werden entweder im Namen des Anlegers oder aber mindestens für seine Rechnung geschlossen (nämlich dann, wenn der Treuhänder im eigenen Namen aber für Rechnung des Anlegers agiert). Zu den zur Realisierung des Projekts notwendigen Verträgen gehören u. a. Darlehensverträge mit Banken, damit zusammenhängende Grundschuldbestellungen auf Grundstücken, Vollstreckungsunterwerfungen, Beitritte zu Mietverträgen, Vermittlungsverträgen, Garantieverträgen und dergleichen mehr. In aller Regel sind die abzuschließenden Verträge wenigstens in Grundzügen bereits in einem Prospekt beschrieben, der die Grundlage der Anlageentscheidung bildet. Einen Gestaltungs- oder Verhandlungsspielraum für die Verträge, denen häufig nur beigetreten wird, hat der für die Anleger agierende Treuhänder meistens nicht.

In seiner Entscheidung (BGH NJW 2001, 3774) führt der BGH hierzu aus:

"Konkrete fremde Rechtsverhältnisse werden insbesondere durch den Abschluß von Verträgen gestaltet, die von einem Geschäftsbesorger im Namen eines Dritten abgeschlossen werden. Ob der Geschäftsbesorger dabei einen inhaltlichen Gestaltungsspielraum hat oder ob er allgemein verwendete Vertragsformulare benutzt, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unerheblich ......"

Der BGH meint also, daß sogar dann, wenn der vom Treuhänder abzuschließende Vertrag beim Beitritt zum Fonds wörtlich vorgegeben ist und der Treuhänder diesen Vertrag mit Wirkung für den Anleger abschließt, der Treuhänder oder Geschäftsbesorger gegen das RBerG verstößt. Damit sollen Treuhandvertrag und infolgedessen wohl auch alle vom Treuhänder abgeschlossenen Verträge (mindestens schwebend) unwirksam sein. Diese Unwirksamkeit soll sich auch auf die erteilte Vollmacht erstrecken (BGH BB 2001, 2497 = ZAP EN-Nr. 4/2002).

In der Konsequenz würde das folgendes bedeuten: Seit Jahrzehnten abgeschlossene Verträge, mit denen insgesamt 3-stellige Milliardeninvestitionen (in DM und €) bewegt worden und in deren Vollzug die größten und bedeutendsten Bauvorhaben in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten verwirklicht worden sind, wären unwirksam. Der Treuhänder würde als "falsus procurator" für die Erfüllung all dieser Verträge haften. Der Treuhänder oder Geschäftsbesorger könnte natürlich in eigener Person aus wirtschaftlichen Gründen niemals diese Verträge erfüllen. Eine Rückabwicklung der Milliardeninvestitionen mit unzähligen Anlegern (seinerzeit getätigt im Vertrauen auf die damals bejahte Wirksamkeit der Verträge) auf eine nicht mehr entwirrbare Weise (vielleicht rückwirkend für die letzten Jahrzehnte) würde ein rechtliches Chaos unvorstellbaren Ausmaßes bewirken. Konsequent könnten im Gefolge dieser Rechtsprechung alle Anleger, die sich jemals an solchen Fonds beteiligt haben und in irgendeiner Weise damit unzufrieden sind (sogar bei von vornherein als solchen konzipierten Unterdekkungsmodellen), auf Rückabwicklung klagen. Die damit verbundene Prozeßlawine würde in Zahl und wirtschaftlichem Ausmaß alle bisherigen Vorstellungen sprengen und hätte das vollständige Erliegen der gesamten deutschen Rechtspraxis und Rechtsprechung zur Folge. Die Anleger, die jahrzehntelang (dann retrospektiv zu Unrecht) Verlustzuweisungen zur Steuerminderung in Anspruch genommen haben, müßten evtl. bei einer Bereicherungsabwicklung - da ihnen zu Unrecht Steuervorteile zugewiesen worden sind - entsprechenden Erstattungsansprüchen der Treuhänder und Geschäftsbesorger ausgesetzt sein. Mindestens müßten rückwirkend unzählige Steuerbescheide "berichtigt" werden. Die Tätigkeit der Finanzämter käme zum Erliegen.

Angesichts dieses anarchischen Szenarios tröstet es auch wenig, daß der BGH in einer der Entscheidungen (BB 2001, 2497, 2498) darauf hinweist, daß seine Rechtsprechung rückwirkend tief in weithin abgeschlossene Vorgänge eingreift und vielleicht Vertrauensschutz zu bedenken sei. Er führt nämlich aus:

"Eine solche Rückwirkung ist aber bei gerichtlichen Urteilen grundsätzlich hinzunehmen . . ."

Schon die Römer wußten:

"quidquid agis prudenter agas et respice finem" (Tue, was du tust, mit Besonnenheit und denke an die Konsequenzen.)

War das den drei Senaten des BGH (llI., IX., XI.) klar, als sie die Serie von Entscheidungen gefällt haben? Haben die Bundesrichter bedacht, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen auslösen könnten, vom Zusammenbruch sämtlicher Treuhandgesellschaften und Initiatoren bis zur Rückabwicklung zigtausender Verträge, völliger Überlastung der Justiz und der Finanzbehörden, ganz abgesehen von den unermeßlichen volkswirtschaftlichen Schäden, verbunden mit dem Verlust von Arbeitsplätzen?

Natürlich ist es das gute Recht der Rechtsprechung, ihre Auffassungen auch zu überprüfen und zu neuen Überlegungen zu kommen. Aber nachdem die Treuhandtätigkeiten der vorliegenden Art seit Jahrzehnten von der Rechtsprechung gebilligt worden sind und die Gerichte bislang in keinem einzigen Fall zu einer überraschenden Anwendung des RBerG (oder des früheren Rechtsberatungsmißbrauchsgesetzes) gekommen sind, ist es doch interessant, sich einmal anzusehen, welche gravierenden und zwingenden Überlegungen zum plötzlichen Sinneswandel und zur Anwendung des RBerG geführt haben mögen.

Zunächst einmal ist es ja überraschend: Warum soll der von einem Treuhänder vermittelte Beitritt zu einem fertig bereitliegenden Vertragswerk verbunden mit dem Abschluß aller dazu erforderlichen Verträge verbotene Rechtsbesorgung oder -beratung durch den Treuhänder darstellen? Verboten ist geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, insbesondere Rechtsberatung. Die maßgebenden Vorschriften lauten:

Art. 1
§ 1 Abs. 1 RBerG

"Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen darf geschäftsmäßig ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher oder unentgeltlicher Tätigkeit nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist. . ."
§ 5 Ziff. 1
"Die Vorschriften dieses Gesetzes stehen dem nicht entgegen, 
1. daß kaufmännische oder sonstige gewerbliche Unternehmen für ihre Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigen, die mit einem Geschäft ihres Gewerbebetriebs in unmittelbarem Zusammenhang stehen... 
3. daß Vermögensverwalter, Hausverwalter und ähnliche Personen, die mit der Verwaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Rechtsangelegenheiten erledigen."

Ganz offenbar will das Gesetz also nicht darauf abzielen, daß ganze Wirtschaftszweige, in denen selbstverständlich auch immer rechtliche Dinge eine Rolle spielen, wie insbesondere in der gesamten Kapitalanlagebranche, zum Erliegen kommen. Vielmehr sollen die Geschäfte, die im Zusammenhang mit solchen Tätigkeiten (§ 5 Ziff. 1 nennt das Gewerbebetriebe) stehen, ebenso Bestand haben wie die Tätigkeiten der Vermögensverwalter und ähnlicher Personen, also auch der Treuhänder. Da jede Treuhandtätigkeit (bei der Realisierung von Großprojekten für Anleger unerläßlich) eo ipso auch rechtliche Vorgänge betrifft - es werden vertraglich Treuhandverhältnisse begründet und Rechtshandlungen vorgenommen - würden bei der weiten Interpretation des BGH jegliche Treuhandtätigkeit und Geschäftsbesorgungstätigkeit und damit die Beteiligung von Anlegern an Fondsobjekten unmöglich gemacht und ganze Wirtschaftszweige lahmgelegt mit allen damit verbundenen Konsequenzen unübersehbarer Verluste von Arbeitsplätzen und Insolvenzen von Firmen. Das ist ganz offensichtlich vom BGH nicht gewollt und in den Konsequenzen nicht durchdacht.

Alle wirtschaftlichen Vorgänge wie z. B. Kauf, Miete, Darlehen usw. sind untrennbar mit der rechtlichen Seite dieser Vorgänge verbunden. Wer Zigaretten am Kiosk kauft, schließt bekanntlich drei rechtlich relevante Verträge ab (Kaufvertrag und zwei Übereignungen beweglicher Sachen). Begeht also unzulässige Rechtsberatung, wer für einen anderen Zigaretten kauft? Selbstverständlich nicht. Die Erbringung von Dienstleistungen, die unvermeidliche rechtliche Folgen hat, ist einer Rechtsberatung nicht gleichzusetzen. Rechtsberatung bedeutet doch die Erörterung möglicher rechtlicher Konsequenzen im Rahmen eines schuldrechtlichen Verhältnisses, Abwägung rechtlicher Vor- und Nachteile auf der Grundlage einer Vereinbarung mit dem Auftraggeber und die Abgabe einer Empfehlung des Beraters für einen bestimmten rechtlichen Weg. All das tut der Treuhänder einer Publikumsgesellschaft weder im Bauträgerfall noch beim Immobilienfonds. Er fungiert lediglich formal als Abschlußvertreter für bereitliegende Verträge, zu deren Überprüfung oder Beratung er vom Anleger überhaupt nicht beauftragt wird. Der Anleger kann und muß, wenn er hierzu Rechtsberatung haben will, sich eines eigenen Anwalts bedienen, mit dem dann der Rechtsberatungsvertrag abgeschlossen wird. Im Geschäft der Publikumsgesellschaften findet eine solche Rechtsberatung nicht statt. Die Subsumtion dieses Vorgangs unter das RBerG durch das Bundesgericht ist also zunächst verwunderlich. Dabei seien an dieser Stelle einmal die verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit dieses Gesetzes, seine mögliche Europarechtswidrigkeit und auch seine rechtspolitische Fragwürdigkeit dahingestellt (immerhin setzt das RBerG das frühere Rechtsberatungsmißbrauchsgesetz fort, das die Nationalsozialisten zum Ausschluß jüdischer Anwälte von der Rechtsberatung geschaffen haben).

Wenn also schon so gravierende, offensichtlich in keiner Weise gewollte rechtliche und wirtschaftliche Umwälzungen mit den neuen BGH-Entscheidungen verbunden sein können, interessiert man sich besonders für die zentrale Begründung, die das Gericht den Entscheidungen zu diesem rechtspolitisch, europarechtlich und verfassungsrechtlich mehr als zweifelhaften Gesetz in seinen Entscheidungen gibt.

Die zentrale Begründung des BGH in der Entscheidung NJW 2001, 3774 lautet wie folgt:

"Bei der insoweit vorzunehmenden sorgfältigen Prüfung (sc: nämlich ob ein Verstoß gegen das RBerG in § 1 Abs. 1 Ziff. 1 vorliegt oder nicht), ob eine angebotene Dienstleistung als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten oder nur als kaufmännische Hilfeleistung einzuordnen ist, ist entscheidend, ob die Teiltätigkeit als sozial abgrenzbare Aktivität mit eigenem, von dem sonstigen Berufsinhalt geschiedenen charakteristischen Gepräge im Hinblick auf die zu wahrenden Gemeinwohlbelange verboten werden muß."

Was soll das eigentlich heißen? Man sucht nach einem tragfähigen Grund, wann die Tätigkeit als Dienstleistung verboten werden muß. Die einzige Begründung ist: Wenn die BGH-Richter ein solches Verbot für richtig halten!

Ein Verstoß gegen das RBerG liegt also nach dieser Entscheidung vor, wenn die Richter der Meinung sind, daß ein Verstoß vorliegt. Mit anderen Worten: Es ist so, weil wir sagen, daß es so ist. Das ersetzt die rationale Argumentation. Ein klassischer Zirkelschluß und ein (in den Konsequenzen nicht durchdachtes) Urteil, mit dem nicht auf nachvollziehbare Weise Recht gesprochen, sondern Politik gemacht wird. Worauf die offensichtlich unzureichend rechtlich begründete und deshalb wohl rechtspolitisch motivierte Entscheidung zurückgeht, läßt sich nicht klären. Vielleicht ist sie geboren aus Verbraucherschutzvorstellungen und einem darauf gegründeten manipulatorischen Ideenglauben. Vielleicht war jemand selbst an schiefgelaufenen Anlagemodellen beteiligt. Darüber kann man nur mutmaßen. Fest steht aber: Mit einer zirkelschlußartigen Begründung wird das RBerG auf Fälle der vorliegenden Art unbesehen bei allen Publikumsgesellschaften angewendet, bei denen Geschäftsbesorger oder Treuhänder ersichtlich gerade keine Rechtsberatung betreiben. Zur Verstärkung seiner Argumentation beruft sich der BGH gewissermaßen per argumentum ex auctoritate auf die Entscheidung des BVerfG (NJW 1998, 3481, 3482), die den Zirkelschluß des BGH jedoch nicht enthält.

Offensichtlich will der BGH das dann anders sehen, wenn die Begleitung in rechtlichen Angelegenheiten nur ein Annex einer wirtschaftlichen Betreuung ist. Würde also beim Immobilienfonds der Initiator, der diese wirtschaftliche Betreuung vorzunehmen hat, die Verträge abschließen, hätte der BGH wohl keine Bedenken. Nun ist aber bei Modellen dieser Art aus gutem Grund eine Funktionsteilung auf verschiedene Funktionsträger herbeigeführt worden. Der Treuhänder wird eigens eingesetzt, um die Unabhängigkeit des Anlegers gegenüber dem Initiator zu gewährleisten. Es sind also gerade Verbraucherschutzgründe, die zu einer sinnvollen Aufteilung der Funktionen führen. Warum soll diese aus Verbraucherschutzüberlegungen entwickelte sinnvolle Funktionstrennung nun dadurch konterkariert werden, daß die Verträge als unwirksam angesehen werden? Aus der Sicht des Anlegers - der durch diese Funktionstrennung nur bessergestellt wird - macht es unter Berücksichtigung des Rechtsberatungsgesetzes überhaupt keinen Unterschied, ob die Funktionen sich in einer Hand vereinigen, also der Initiator alle Verträge abschließt, oder ob der unabhängige Treuhänder mit dem Abschluß der rechtlich erforderlichen Verträge betraut wird.

Die Folge der BGH-Entscheidungen kann ein unabsehbares, nicht mehr entwirrbares rechtliches Chaos mit wirtschaftlich katastrophalen Folgen sein. Richtigerweise kann das Rechtsberatungsgesetz nur zur Anwendung kommen, wenn die Rechtsbesorgung und/oder Rechtsberatung gerade der zentrale Vorgang ist, mit dem der Besorger oder Berater beauftragt werden soll, nicht aber dann, wenn eine wirtschaftliche Anlageentscheidung insgesamt notgedrungen mit der Erledigung von Rechtshandlungen durch den Treuhänder oder Geschäftsbesorger einhergeht, und zwar gleichgültig, ob die einzelnen Tätigkeiten - wie beispielsweise der Abschluß rechtlich relevanter Verträge - auf einzelne Funktionsträger verteilt oder nur von einem einzigen Unternehmen vollzogen werden.

Freilich: In einer der Entscheidungen (BGH BB 2001, 2497) findet sich der bereits zitierte zarte Hinweis darauf, daß möglicherweise der Grundsatz des Vertrauens auf eine jahrzehntelange Gültigkeit dieser Vorgänge nicht in Frage gestellt werden dürfe. Diesen Grundsatz hat der BGH aber selbst gleich wieder massiv in Frage gestellt. Wie weit soll dieser Vertrauensschutz gehen? Soll er dazu führen, daß alle nach Auffassung des BGH nach § 134 BGB wegen Verstoß gegen das RBerG nichtigen Verträge dann plötzlich doch als gültig zu behandeln sind, ähnlich wie eine faktische Gesellschaft nicht einfach hinwegdiskutiert werden kann? Fraglich ist das allemal, weil bei den meisten Modellen die Treuhänder ihrerseits Gesellschafter und nur durch Treuhandverhältnisse mit den einzelnen Anlegern verbunden sind. Kann man hier die Grundsätze der faktischen Gesellschaft anwenden und die Treuhandverträge trotzdem als wirksam fingieren? Oder ist in Wirklichkeit nur noch der Treuhänder (statt der Anleger) der alleinige Berechtigte und Verpflichtete im Rahmen des gesamten Kapitalanlagemodells?

Die Analyse der Entscheidungen und die nach ihnen zu befürchtenden Konsequenzen sind jedenfalls betrüblich: Mit einer mehr als dünnen, logisch fehlerhaften Argumentation ohne sorgfältige Subsumtion unter die gesetzlichen Vorschriften werden, aus welchen Gründen auch immer, Entscheidungen jenseits des Sinns und Zwecks des RBerG getroffen, deren Konsequenzen offenbar keiner der beteiligen Bundesrichter vollständig durchdacht hat.

Bei der Autoritätsgläubigkeit und dem Präjudizienkult, die in der deutschen Rechtsprechung herrschen, ist zu befürchten, daß die Untergerichte bei künftigen Fällen, die Anleger aus Vertragsreue -Morgenluft witternd- vor die Gerichte bringen werden, die Fehlentscheidungen des BGH und die darin enthaltene Interpretation des Rechtsberatungsgesetzes blind unter Berufung auf die Autorität des Gerichts übernehmen. Genau das ist bereits in zwei OLG-Entscheidungen geschehen, die ohne eigene Begründung den BGH-Entscheidungen folgen (OLG Zweibrücken, Urt. v. 21. 1. 2002 - 7 U 70/01, unveröffentlicht; OLG Brandenburg ZIP 2002, 299; a. A. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16. 1. 2002 - 9 U 187/01). Wenigstens gibt es eine den Schaden etwas begrenzende Entscheidung des OLG München (OLG-Report München 2002, 57). Danach bleiben - trotz angeblichen Verstoßes eines Geschäftsbesorgungsvertrags gegen das RBerG - die vom Geschäftsbesorger vermittelten Verträge, insbesondere Darlehensverträge, wirksam. Es bleibt zu hoffen, daß das oberste Gericht bei nächster Gelegenheit deutlich zurückrudert und seine Entscheidungen als das erkennt, was sie sind: Einzelfallentscheidungen mit einer verfehlten, sinnwidrig extensiven Interpretation des Rechtsberatungsgesetzes, die zur Vermeidung verheerender Konsequenzen nicht verallgemeinert werden dürfen.