ZAP Aktuell, 2001, Seite 1438

Neuregelung der Postulationsfähigkeit vor den OLG

RA Dr. Ekkehart Reinelt, München

 

Das Bundesministerium der Justiz hat am 13. B. 2001 einen Referentenentwurf eingebracht, nämlich ein Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (vgl. bereits ZAP-Aktuell Nr. 20/2001, S. 1247). Dieser Entwurf sieht eine erneute Änderung des § 78 ZPO vor: Nunmehr sollen alle Anwälte, die die Zulassung zum OLG haben, vor allen Oberlandesgerichten auftreten können, in Bayern auch vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht. Nur im Revisionsverfahren vor dem BGH bleibt es bei der bisherigen Regelung: Die spezielle Zuständigkeit der BGH-Anwälte bleibt unberührt. In der Begründung wird ausgeführt: Das BVerfG habe die Verfassungswidrigkeit des Verbots der Simultanzulassung u. a. damit begründet, daß die Freiheit der Berufsausübung eine so weitgehende Einschränkung nicht rechtfertige (vgl. dazu REINELT ZAP F. 23, S. 517). Die Gesetzesbegründung wiederholt dann Ausführungen aus der Entscheidung des BVerfG (NJW 2001, 353), nämlich: Die Vorteile für die Rechtspflege durch eine bessere Erreichbarkeit der postulationsberechtigten Anwälte und die Erleichterung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Gericht und örtlich niedergelassener Anwaltschaft habe der Gesetzgeber bei der Reform des anwaltlichen Berufsrechts und durch die Aufhebung der Lokalisation bei der Zulassung zum LG als Belange aufgegeben.

Aus diesen Erwägungen - so die Gesetzesbegründung - erscheine es sachgerecht und naheliegend, auch beim OLG entsprechende Einschränkungen auf örtlich zugelassene Anwälte aufzugeben.

Zwingend ist diese Begründung nicht. Denn aus der Tatsache, daß das BVerfG die Simultanzulassung als übermäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG beurteilt hat, folgt keineswegs, daß das Lokalisierungsprinzip bei der OLG-Zulassung aufgegeben werden müßte. Das Lokalisierungsprinzip bei der OLG-Zulassung findet seine Rechtfertigung schließlich nicht nur in der räumlichen Nähe und dem persönlichen Kontakt zwischen Richter und Anwaltschaft, sondern auch darin, daß die Rechtsprechung der einzelnen Oberlandesgerichte teilweise stark voneinander abweicht und die genaue Kenntnis der lokalen Rechtsprechung von Bedeutung sein kann. Die vorgeschlagene gesetzliche Neuregelung ist daher keine zwangsläufige Entscheidung des BVerfG zum Verbot der Simultanzulassung (andernfalls müßte man sie wohl konsequenterweise auch auf die Zulassung zum BGH als Revisionsgericht übertragen). Der Gesetzesvorschlag, das Lokalisierungsprinzip beim OLG aufzugeben, liegt jedoch im Zuge der bisherigen Rechtsentwicklung: Auch hier läßt sich die - im Gesetzesentwurf freilich nur dürftig begründete - Auffassung vertreten, daß es keine überwiegenden Gründe des Gemeinwohls gibt, für die Postulationsfähigkeit vor den Oberlandesgerichten am Lokalisationsgrundsatz festzuhalten.

Die vorgeschlagene Neuregelung, die zum 1.7.2002 in Kraft treten soll (Art. 16 des Referentenentwurfs), führt allerdings nicht dazu, daß jeder Anwalt automatisch bei den Oberlandesgerichten postulationsfähig sein wird. Nach wie vor bedarf es einer Zulassung beim OLG, die die Landesjustizverwaltungen oder die Anwaltskammern auf Antrag vornehmen (§§ 20, 224a BRAO), wenn eine Zulassung bei einem Gericht des ersten Rechtszugs 5 Jahre lang bestanden hat (§ 226 Abs. 2 BRAO).

Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München