ZAP 2001, Fach 23, Seite 523

Angabe von Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkten nach § 7 BORA

RA Dr. Ekkehart Reinelt, München

 

Leitsätze:
§ 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO ermächtigt den Satzungsgeber zum Erlaß der in § 7 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) getroffenen Regelung.

§ 7 Abs. 1 S. 1 BORA ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

BGH, Beschl. v. 16. 10. 2000 - AnwZ (B) 65/99

Bearbeiter: Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München

1. Anwälte aus Nordrhein-Westfalen hatten auf ihrem Briefbogen, jeweils dem Namen des Anwalts zugeordnet, Schwerpunkte angegeben:

"Schwerpunkt Gesellschafts- und Insolvenzrecht"
"Schwerpunkt Baurecht"
"Schwerpunkt Familienrecht"

Auch das Kanzleischild enthielt einen entsprechenden Hinweis. Im berufsrechtlichen Verfahren wurde ihnen das untersagt. Der BGH hat die Entscheidung bestätigt (Beschl. v. 16. 10. 2000, a. a. 0.). Der BGH vertritt die Auffassung, die Benennung eines "Schwerpunktes" ohne Zusatz sei mit § 7 Abs. 1 Ziff. 1 der BORA nicht vereinbar.

§ 7 Ziff. 1 der BORA lautet:

"1. Unabhängig von der Angabe von Fachanwaltsbezeichnungen dürfen als Teilbereiche der Berufstätigkeiten nur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden. Insgesamt sind nicht mehr als 5 Benennungen zulässig, davon höchstens 3 Tätigkeitsschwerpunkte.

2. Tätigkeitsschwerpunkte darf nur benennen, wer nach der Zulassung mindestens 2 Jahre auf dein benannten Gebiet nachhaltig tätig gewesen ist."

Nach der Aufhebung des früheren Werbeverbots begannen einzelne Anwälte damit, auf Kanzleischildern oder Briefbögen über ihre hauptsächlichen Tätigkeitsgebiete zu informieren. Potentielle Mandanten haben ein Interesse daran zu erfahren, womit sich der Anwalt in erster Linie beschäftigt und auf weichem Gebiet er jeweils schwerpunktmäßig tätig ist (vgl. HARTUNG/HOLL/RÖMERMANN, Anwaltliche Berufsordnung, § 7 BORA, Rn. 2). Ob allerdings die Angabe von Schwerpunkten insbesondere für Einzelanwälte nicht auch kontraproduktiv, sein kann, sei dahingestellt: Der Mandant rechnet dann in der Regel damit, daß der Rechtsanwalt auf anderen Gebieten nicht über die entsprechende Kompetenz verfügt.

Die Entwicklung der Angaben von Schwerpunkten war von Anfang an begleitet von heftiger Kritik in der Literatur und teilweise auch in der Rechtsprechung (BGH NJW 1991, 264 1; OLG Düsseldorf AnwBl. 1992, 135). In Literatur und Rechtsprechung war umstritten, ob und in welchem Umfang die Angaben von Schwerpunkten als wettbewerbswidrig eingestuft werden mußte oder nicht.

Mit der neuen Entscheidung des BGH ist jetzt klar: Die Angabe von Schwerpunkten ohne Differenzierung danach, ob es sich um Interessen- oder Tätigkeitsschwerpunkte handelt, ist nicht zulässig. Auf Briefbögen, Kanzleischildern und sonstigem Informationsmaterial muß klargemacht werden, ob es sich um einen Interessen- oder Tätigkeitsschwerpunkt handelt. Nur wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt sind - also der Anwalt auf dem entsprechenden Gebiet nach der Zulassung mindestens 2 Jahre lang nachhaltig tätig geworden ist - kann ein als Tätigkeitsschwerpunkt bezeichnetes Rechtsgebiet aufgeführt werden. Sonst muß es ausdrücklich als Interessenschwerpunkt gekennzeichnet werden.

Die Entscheidung des BGH ist nicht nur bemerkenswert, weil sie Klarheit in der Interpretation des § 7 BORA schafft, sondern weil sie eine bisher strittige Frage - Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des § 7 der BORA - klärt.

2. In der Literatur und Rechtsprechung war bereits frühzeitig die Auffassung vertreten worden, § 7 der BORA sei ganz oder teilweise nichtig (vgl. HARTUNG/HOLL/RÖMERMANN, Anwaltliche Berufsordnung, 1997, § 7 BORA Rn. 34 ff.). Das LG Regensburg (MDR 1999, 574) hat die Verfassungsmäßigkeit des § 7 BORA bezweifelt: Der Vorschrift fehle, soweit es um die Nennung von Tätigkeitsschwerpunkten geht, die für Grundrechtsbeschränkungen notwendige Ermächtigungsgrundlage. Darüber hinaus verstoße die Festlegung der Höchstzahl von Schwerpunkten gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Das LG Regensburg hat zur Frage der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit das anhängige Verfahren ausgesetzt. Das BVerfG sollte über die Vorfrage, ob § 7 BORA gegen Art. 3 und 12 GG verstößt, entscheiden. Jedoch: Die Aussetzung des LG Regensburg nach Art. 100 GG zur Vorlage an das BVerfG war verfehlt. § 7 der BORA ist kein Gesetz. Aussetzung nach Art. 100 GG ist nur bei Rechtsnormen möglich. § 7 BORA ist jedoch keine Rechtsnorm, sondern eine untergesetzliche Norm, die den Charakter einer Satzung hat und ihrerseits auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, nämlich § 59 Abs. 2 Nr. 3 BRAO, beruht. Dementsprechend hat das BVerfG nicht entschieden. In einer weiteren Entscheidung hat das LG Regensburg dann § 7 der BORA selbst mangels Ermächtigungsgrundlage als nichtig bezeichnet: Der Satzungsgeber sei bei der Ausgestaltung der Vorschrift hinsichtlich der Benennun- von Tätigkeitsschwerpunkten über die Vorgaben des Gesetzes hinausgegangen. Die Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO decke lediglich Interessen-, nicht Tätigkeitsschwerpunkte (LG Regensburg BB 1999, 2427).

3. Anderer Meinung in dieser Frage ist nunmehr der BGH in seiner neuen Entscheidung v. 16.10.2000 (a. a. 0.). Der BGH hat entschieden, daß § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO den Satzungsgeber zum Erlaß der in § 7 Abs. 2 der BORA für Rechtsanwälte getroffenen Regelung ermächtigt und § 7 Abs. 1 S. 1 BORA mit Art.12 Abs. 1 GG vereinbar ist.

Die Begründung des Gerichts: Die Angaben über selbstgenannte Interessensschwerpunkte sind letztlich als Fall der anwaltlichen Werbung anzusehen. Diese ist in § 43b BRAO im Grundsatz zugelassen, durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verletzt nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie dient den Interessen des Rechtsuchenden an einer zutreffenden Information. Auch wenn der Begriff "Tätigkeitsschwerpunkte" in der Ermächtigungsgrundlage des § 59 Abs. 2 Ziff. 3 BRAO nicht ausdrücklich erwähnt ist, läßt dies nicht den Schluß zu, daß die Ermächtigungsgrundlage die Regelung in § 7 der BORA nicht decke. Einer ausdrücklichen Aufführung in der Ermächtigungsrundlage bedurfte es nach Auffassung, des BGH nicht. Eine Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten - so der BGH - ist grundsätzlich als erlaubte Werbung zulässig. Die entsprechende Regelung ist auch geeignet, dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu dienen, ohne die Freiheit der Berufsausübung übermäßig einzuschränken.

Damit ist die streitige Frage der Wirksamkeit des § 7 BORA höchstrichterlich entschieden. Die Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 Ziff. 3 BRAO reicht für § 7 BORA aus: Der Satzungsgesetzgeber hat sich nach Auffassung des BGH im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften gehalten, wenn er die berufsausübende beschränkende Regelung in bezug auf die Benennung von Tätigkeits- und Interessenschwerpunkten geregelt hat.

Jeder Anwalt wird sich jetzt darauf einstellen müssen, sich an die Vorgaben des § 7 BORA zu halten. Insbesondere darf er nicht "Schwerpunkte" angeben, ohne daß zwischen "Interessenschwerpunkt" und "Tätigkeitsschwerpunkt" unterschieden wird.