ZAP Kolumne 2013, Seite 499

ZAP Kolumne

Fachveranstaltungen von BGH-Richtern
Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Als auf der Tagung der ARGE-Baurecht am 22./23. 3. 2013 im Taschenbergpalais in Dresden einer der Herausgeber der Zeitschrift „Baurecht“ ans Mikrofon trat und sich meldete: „Leupertz, Stuttgart…“ breitete sich in dem mit gut dreihundert Teilnehmern gefüllten Saal allgemeine Heiterkeit aus, war doch der Teilnehmer eigentlich jedem Baurechtler in Deutschland als aktives Mitglied des VII. Zivilsenats (Bausenat) am Bundesgerichtshof in Karlsruhe bekannt. Wer es nicht schon zuvor erfahren hatte, hat es dort mitbekommen: Bundesrichter Prof. Stefan Leupertz ist auf eigenen Wunsch zum Ende des letzten Jahres als Richter beim Bundesgerichtshof ausgeschieden, ein herber Verlust für den – allerdings exzellent besetzten – Bausenat. Dass ein Bundesrichter (14 Jahre vor der Pensionierungsgrenze) auf eigenen Wunsch aus dem Justizdienst ausscheidet und dabei natürlich auch wirtschaftliche Konsequenzen in Bezug auf seine Pension riskiert, ist sicherlich außergewöhnlich. Was mag die Ursache für einen solchen Schritt sein? Beim Neujahrsempfang des BGH-Präsidenten im Januar diesen Jahres hieß es, dass ein Bundesrichter nunmehr auf eigenen Wunsch „privatisiere“.

Wer den überaus regen Baurechtsexperten Leupertz kennt, weiß natürlich, dass von Privatisieren bei ihm keine Rede sein kann. Er ist und bleibt erfreulicherweise im Baurecht weiter aktiv, Herausgeber der Zeitschrift „Baurecht“, Präsident des Deutschen Baugerichtstags, Honorarprofessor der Technischen Universität Dortmund, Schiedsrichter für Privates Baurecht und Verfasser unzähliger Veröffentlichungen und brillanter Vorträge, die ihn in Baurechtskreisen allgemein bekannt gemacht haben. Die Gründe für sein freiwilliges Ausscheiden aus dem Justizdienst kennen wir im Einzelnen nicht. Sie sind sicher vielfältig. Man kann nur vermuten, dass dabei auch eine Rolle gespielt haben mag, wie mit Nebentätigkeiten von Richtern umgegangen wird. Grundlage hierfür ist eine Verordnung über die Nebentätigkeit der Richter im Bundesdienst ( BRiNV vom 15. 10. 1965, mehrfach geändert am 19. 4. 2006, zuletzt BGBl, S. 866). Dort ist der Grundsatz verankert, dass Nebenbeschäftigungen nur geringen Umfang haben dürfen und sichergestellt sein muss, dass die dafür entrichteten Vergütungen marginal bleiben. Im Prinzip bedürfen Nebentätigkeiten der Genehmigung des Dienstherrn. Nach § 5 BRiNV gilt jedoch die Genehmigung als erteilt, wenn die Vergütung 100 € im Monat nicht übersteigt. Dann reicht ausnahmsweise eine Anzeige aus. Ausgenommen von den Beschränkungen der Genehmigungsbedürftigkeit für Nebentätigkeiten sind die Richter des Bundesverfassungsgerichts.

Die Bestimmungen dieser Verordnung und deren restriktive Auslegung durch die Justizverwaltung gehen offenbar zurück auf Gutachtertätigkeiten von Richtern, insbesondere eines früheren Frankfurter Richters für umfangreiche Rechtsgutachten Mitte der 80-er Jahre. Die damalige, gut bezahlte Nebentätigkeit wurde von der Presse mit dem Titel „Raffkes mit Robe“ (Spiegel 48/1996) bekannt gemacht. Man hatte offenbar den Eindruck gewonnen, dass lukrative Feierabendjobs von Deutschlands hohen Richtern – zu Lasten der Dienstgeschäfte – aus dem Ruder laufen (Spiegel-Online vom 26. 11. 2007). Der ehemalige Präsident des Bundesarbeitsgerichts, Thomas Dieterich, hat die Befürchtung geäußert, dass das Berufsbild der Richter durch eindeutig gewerbliche Aktivität beschädigt werde. Wie es in Deutschland häufig geschieht, hat man daraufhin das Kind mit dem Bad ausgeschüttet, statt zu differenzieren zwischen gut bezahlten, lobbyorientierten Tätigkeiten und fachlichen Fortbildungsveranstaltungen. BGH-Richter müssen sich (im Gegensatz zu Bundesverfassungsrichtern) ihre Vortrags- und Seminartätigkeit grundsätzlich (von der oben dargestellten Ausnahme abgesehen) einzeln genehmigen lassen. Verdienen können sie mit Fachveranstaltungen so gut wie nichts. Bei der Genehmigung verfährt die Justizverwaltung äußerst restriktiv, um sich ja nicht den Anschein zu geben, die Richter könnten wegen umfangreicher, argwöhnisch beäugter Nebentätigkeit ihre dienstlichen Verpflichtungen vernachlässigen. Es mag durchaus zutreffen, dass manche Richter auf zu vielen Hochzeiten tanzen. Aber in der Regel ist es nach allen Erfahrungen in der Praxis gerade so, dass die in Fachveranstaltungen und Seminaren besonders aktiven Richter ihre Dienstgeschäfte auf herausragende Weise zuverlässig erledigen. Nicht nur im Baurecht ist es von großer Bedeutung, dass die interessierten juristischen Kreise detailliert über die fachlichen Weichenstellungen und Denkweisen der obersten Richter informiert werden. Gerade Seminare und Fortbildungsveranstaltungen von Bundesrichtern sind daher für die Entwicklung der Rechtskultur von größter Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund kann es nur auf außerordentliches Bedauern stoßen, wenn fachlich hochkompetente und dazu noch rhetorisch überragend begabte Persönlichkeiten wie der besagte ehemalige Bundesrichter (jetzt Schiedsrichter und Rechtsanwalt in Stuttgart) vielleicht auch deshalb freiwillig aus dem Justizdienst ausscheiden, weil sie nicht in gewünschtem und für die Fortbildung der Anwaltschaft auch dringend erforderlichem Umfang auf Veranstaltungen und Seminaren – bei denen Vergütung und Auslagenersatz nur gerade die anfallenden Kosten decken – tätig werden und damit einen wichtigen Beitrag zur Fortbildung und Entwicklung des Rechts leisten dürfen.