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Nutzen und Schaden von Schlagworten
Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Um komplizierte Sachverhalte einprägsam und knapp zu formulieren, greift man —
auch im Baurecht — oft zu Schlagworten oder schlagwortartigen Formulierungen.
Sie kennzeichnen eine Problematik prägnant, können aber auch in ihrer gewollten
Vereinfachung problematisch sein. So verhält es sich mit der einen oder anderen
Kurzformulierung, die der unter Leitung von Prof. Leupertz tagende Arbeitskreis
I des 4. Baugerichtstags in Hamm im Mai 2012 verwendet hat. Dort wurden richtige
und wichtige Anregungen für die Gestaltung des Rechts gegeben, oft knapp gefasst
mit schlagwortartigen Kurzformulierungen, so zum Beispiel: „Wer einmal plant, plant immer." Dieser dem Plenum vom Arbeitskreis I vorgestellte griffige Kernsatz soll zum
Ausdruck bringen, dass der Bauherr die Planungsverantwortung, die er einmal
übernommen hat, auch bei Änderungen des Bauentwurfs beibehält. Im Grundsatz
stimmt das natürlich. Aber gilt das immer? Was ist, wenn der Auftragnehmer
Sondervorschläge für die Durchführung bestimmter Baumaßnahmen, z.B. Lehrgerüste,
übernimmt, die er selber entwickelt hat? Die Unterbreitung solcher
Sondervorschläge durch Auftragnehmer führt notgedrungen zur Änderung von
planerischen Unterlagen. Wenn aber der Sondervorschlag vom Auftragnehmer
ausgeht, ja es sich um eine von ihm selbst entwickelte Konstruktion handelt,
muss deren Planung notgedrungen auch in der Verantwortungssphäre des
Auftragnehmers angesiedelt sein. Dann aber tritt das in der Praxis häufige
,Problem auf: Wie werden die unterschiedlichen Planungsleistungen von
Auftraggeber und Auftragnehmer miteinander koordiniert? Wo ist die Schnittstelle
und wer haftet, wenn etwas schief geht? Diese Problematik lässt sich gerade
nicht schlagwortartig damit lösen, dass der Bauherr, der zunächst geplant hat,
in der planerischen Verantwortung bleibt. Das griffige Schlagwort gilt also
nicht ohne Ausnahmen. Das Beispiel zeigt, dass es gerade auch anders gelagert
sein kann. Deshalb Vorsicht bei der Verabsolutierung von griffigen
Schlagwortformulierungen! Eine andere, sattsam bekannte Formel war ebenfalls Gegenstand der Erörterung auf
dem 4. Baugerichtstag: „Pacta sunt servanda — auch im Baurecht." Natürlich stimmt dieser Grundsatz. Wer nachträgliche Anordnungen formuliert,
löst sich unter Umständen vom Inhalt des bisher Vereinbarten und trägt demgemäß
die volle Verantwortung. Wohin allerdings die Verabsolutierung dieser Grundsätze
führen kann, machte ein Teilnehmer des Baugerichtstags mit folgender
Argumentation deutlich: „Wenn der Bauherr schon durch Anordnungen nachträglich in das Gefüge des
Bauvertrags eingreifen kann und darf, soll umgekehrt—ausgleichende Gerechtigkeit
— dem Auftragnehmer zugebilligt werden, die Höhe der dadurch entstandenen
Vergütung von sich aus einseitig zu bestimmen." Dieses krasse Ergebnis lässt sich nur scheinbar mit dem Grundsatz der
Vertragstreue und der ausgleichenden Gerechtigkeit rechtfertigen. Die Überlegung
führt im Ergebnis vollständig in die Irre, nämlich zu einem nicht akzeptablen
Vergütungsdiktat des Auftragnehmers (das allenfalls über § 315 BGB korrigiert
werden könnte). Natürlich gilt der Grundsatz pacta sunt servanda auch im Baurecht. Aber: Die
Gestaltung eines Bauvorhabens ist in aller Regel so angelegt, dass das endgültig
errichtete Bauwerk nur selten vollständig übereinstimmt und übereinstimmen kann
mit dem planerisch und in der Baubeschreibung bestimmten Bauvorhaben. Es ist dem
Bauvertrag geradezu wesensimmanent, dass im Laufe des Bauvorhabens von
Bauherrenseite Anordnungen getroffen werden müssen. Teils dienen Sie der
Konkretisierung einer bereits beschriebenen oder angelegten Leistung. Dann
bewegen sie sich im Rahmen des abgeschlossenen Vertrags und sind kostenneutral.
Teils sind Anordnungen notwendig, weil Leistungen nicht vollständig beschrieben
sind oder weil bestimmte Umstände eine Veränderung der Leistung notwendig
machen, ggf. auch Umstände, die ausschließlich in der Sphäre des Bauherren
liegen. Ein auf die Entwicklung angelegter Vertrag wie der Bauvertrag nähert
sich einem Dauerschuldverhältnis an und gleicht in seiner Rechtsnatur oft eher
einem entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S. des § 675 BGB. In einem
solchen Vertrag sind Anordnungen in größerem Umfang notwendig als in einem
Vertrag, in dem von vornherein alle Verpflichtungen eindeutig bindend bestimmt
werden können. Anders als etwa der Mietvertrag, bei dem das Mietobjekt fest
steht, wenn es bereits errichtet ist, erfordert ein in der Entwicklung
befindliches Bauvorhaben größere Flexibilität und damit auch ein weitergehendes
Anordnungs- und Bestimmungsrecht des Bauherren. Es ist daher schon vom Ansatz
fraglich, solche Anordnungen, auch wenn sie über die Konkretisierung der
Leistungen hinausgehen, als im Grundsatz unvereinbar anzusehen mit dem Postulat
der Vertragstreue. Anordnungen sind oft kein willkürlicher Eingriff in das
Gefüge des Bauvertrags, sondern für den Fortgang des Bauvorhabens unerlässliche
Gestaltungsmomente. Wenn der Bauherr also Anordnungen trifft, verhält er sich in
der Regel nicht vertragsuntreu. Natürlich muss dann für die Vergütung des
Unternehmers gesorgt werden. Ob und wie das geschehen soll, ist Gegenstand
zahlreicher Diskussionen. Gerade weil der Bauvertrag so strukturiert ist, hat
die Rechtsprechung das Kooperationsgebot entwickelt. Mit diesem ist aber mit
Sicherheit nicht vereinbar die Forderung, dass der Auftragnehmer einseitig den
Preis für Abweichungen und nachträgliche Anordnungen selber bestimmen und gar
mit diesem Verlangen das Bauvorhaben einstellen oder verzögern kann. Der
Baugerichtstag hat die Lösung solcher Probleme über Bauverfügungen diskutiert,
die in der Art Einstweiliger Verfügungen vorläufige streitbeilegende Regelungen
herbeiführen könnten. Die damit zusammenhängenden Probleme sind bei aller
Prägnanz nur mit Schlagworten nicht zu lösen. Also: Schlagwortartige Kurzformulierungen sind nützlich, weil sie Probleme
griffig verdeutlichen. Sie können aber auch in die Irre führen, wenn sie
verabsolutiert werden. Denn jeder Grundsatz kennt Ausnahmen. |