jurisPR-BGHZivilR 19/2022 Anm. 1

Verjährung des Schadensersatzanspruchs wegen Verzugs: Regelverjährungsfrist, Grundsatz der Schadenseinheit

BGH, Urteil vom 19.05.2022, VII ZR 149/21
Dr. Barbara Genius, Rechtsanwältin beim Bundesgerichtshof

Leitsätze
1. Der Anspruch auf Ersatz des infolge Verzugs eingetretenen Schadens gemäß § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährung (Bestätigung von BGH, Urt. v. 07.11.2014 - V ZR 309/12 - BauR 2015, 825).

2. Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 BGB erfasst auch nachträglich eintretende Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren.

A. Problemstellung
Vor der Abnahme kommen nach der BGHRechtsprechung werkvertragliche Mängelrechte grundsätzlich nicht in Betracht, gesetzliche Schadensersatzansprüche ergeben sich aus den Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts. Der BGH hatte darüber zu entscheiden, welcher Verjährung ein solcher Anspruch auf Ersatz des infolge Verzugs eingetretenen Schadens gemäß den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB unterliegt und welche Schadensfolgen umfasst sind. Zu entscheiden war weiter über die Verjährung eines Vertragsstrafenanspruchs.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte hatte sich mit Bauvertrag vom 30.01.2008 zur schlüsselfertigen Erstellung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Kläger verpflichtet, wobei eine Bauzeit von drei Monaten sowie eine Vertragsstrafe im Falle einer schuldhaften Überschreitung der Bauzeit vereinbart waren. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2008.

Nach Unstimmigkeiten zwischen den Parteien stellte die Beklagte ihre Arbeiten ein und erhob Klage auf Zahlung offener Abschlagsrechnungen. Nachdem im Januar 2009 die Arbeiten kurzzeitig wieder aufgenommen worden und Vergleichsgespräche der Parteien im Januar 2009 und 2013 gescheitert waren, wurde diese Klage mit Urteil vom 14.03.2013 – rechtskräftig nach Berufungszurückweisung durch Beschluss vom 27.03.2014 – wegen Mangelhaftigkeit der Leistungen der Beklagten abgewiesen.

Die Kläger erklärten unter dem 28.03.2013 den Rücktritt vom Vertrag und zogen nach Teilabriss und Neuherstellung der betroffenen Gebäudeteile Mitte 2015 in das Haus ein. Im Jahr 2017 erhoben sie Klage gegen die Beklagte, u.a. gerichtet auf Ersatz des infolge Verzugs eingetretenen Schadens – Kosten einer Kücheneinlagerung, verauslagte Bereitstellungszinsen, Mietzahlungen, Nutzungsentgang – sowie auf Zahlung von Vertragsstrafe.

Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt. Auf die beiderseitigen Berufungen wies das Berufungsgericht durch Teilurteil die Klage insgesamt ab mit der Begründung, die Ansprüche der Kläger seien verjährt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision haben die Kläger ihre Ansprüche auf Schadensersatz sowie Zahlung einer Vertragsstrafe weiterverfolgt.

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der BGH hat die Verjährung der klägerischen Ansprüche bestätigt, sein Urteil jedoch anders begründet als das Berufungsgericht.

Hinsichtlich des begehrten Verzugsschadensersatzes hatte das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, Ansprüche für diese Positionen könnten sich, da die Kläger unstreitig keine Abnahme der Leistungen der Beklagten erklärt haben, (nur) aus den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 Nr. 2 , 249 Abs. 1 BGB ergeben.

Hinsichtlich der Verjährung dieser Ansprüche war das Berufungsgericht der Auffassung, maßgeblich sei § 217 BGB, wonach mit dem Hauptanspruch der Anspruch auf die von ihm abhängigen Nebenleistungen verjährt, auch wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht eingetreten ist. Der ErfüljurisPR- BGHZivilR 19/2022 lungsanspruch der Kläger auf Herstellung des von der Beklagten zu errichtenden Einfamilienhauses als Hauptanspruch sei verjährt.

Demgegenüber verweist der BGH auf die selbstständige Verjährung der Verzugsschadensersatzansprüche: Der Anspruch auf Ersatz des infolge Verzugs eingetretenen Schadens gemäß den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB unterliege der regelmäßigen Verjährung, deren Frist gemäß § 195 BGB drei Jahre betrage. Die für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche Fälligkeit des Anspruchs sei nach den vertraglichen Vereinbarungen drei Monate nach dem Baubeginn im Juni 2008 und damit im September 2008 eingetreten, zugleich habe sich die Beklagte mit Ablauf der drei Monate in Verzug befunden, ohne dass es einer Mahnung der Kläger bedurft hätte. Somit habe die dreijährige Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2008 zu laufen begonnen.

Der BGH hebt sodann den für die Zwecke des Verjährungsrechts bei Schadensersatzansprüchen geltenden Grundsatz der Schadenseinheit hervor. Danach entsteht ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich einheitlich auch für die erst in Zukunft entstehenden, adäquat verursachten, zurechenbaren und voraussehbaren Nachteile, sobald irgendein Teilschaden entstanden ist und gerichtlich geltend gemacht werden kann.

Im Fall gelangt er zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der geltend gemachten Verzugsschäden ein Teilschaden jeweils bereits im Jahr 2008 entstanden war und es sich bei den weiteren Schäden um erwartbare Folgen der verspäteten Fertigstellung des Bauvorhabens handelte, so dass die Ansprüche bereits im Jahr 2008 zumindest zum Gegenstand einer Feststellungsklage hätten gemacht werden können.

Verjährung sei danach unter Berücksichtigung von Hemmungstatbeständen spätestens am 01.07.2012 – und damit vor Erhebung der Klage im Jahr 2017 – eingetreten.

Auch der Vertragsstrafenanspruch verjährt selbstständig. Das hatte auch das Berufungsgericht so gesehen. Der BGH bestätigt, dieser Anspruch sei verjährt. Nachdem die Vertragsstrafe mit Ablauf des Jahres 2009 vollständig verwirkt gewesen, der Anspruch daher im Jahr 2009 entstanden sei, habe die Verjährung gemäß den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB spätestens mit Ablauf des Jahres 2009 begonnen und war am 31.12.2012 – und damit vor Klageerhebung – abgelaufen.

C. Kontext der Entscheidung
 

Mit der Berufungsentscheidung des OLG Rostock (Urt. v. 02.02.2021 - 4 U 70/19) wurde zum zweiten Mal die Frage, ob der werkvertragliche Erfüllungsanspruch vor dem nach der Abnahme bestehenden Nacherfüllungsanspruch verjähren kann, an den Bundesgerichthof herangetragen. Zuvor hatte das OLG Hamm (Urt. v. 30.04.2019 - 24 U 14/18) zu dieser Frage die Revision zugelassen, ohne dass der BGH sie in seiner Entscheidung vom 28.05.2020 (VII ZR 108/19) beantwortet hätte.

Zu der Frage werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Während das OLG Hamm sie dahin entschieden hatte, dass der auf die Herstellung einer mangelfreien Sache gerichtete Erfüllungsanspruch nicht früher verjähre als der nach Abnahme bestehende Nacherfüllungsanspruch, war das hiesige Berufungsgericht (OLG Rostock, Urt. v. 02.02.2021 - 4 U 70/19 Rn. 69 ff.) der Auffassung, der auf Herstellung gerichtete Erfüllungsanspruch unterliege der dreijährigen Regelverjährung gemäß den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, ohne dass von vornherein eine (Ablauf-)Hemmung bis fünf Jahre nach Abnahme oder einem ihr vergleichbaren Ereignis anzunehmen sei.

In der Besprechungsentscheidung lässt der BGH diese Frage erneut offen (Rn. 23) und damit höchstrichterlich weiter ungeklärt.

Für das Berufungsgericht war die Frage erheblich, weil es in Anwendung des § 217 BGB davon ausgegangen war, die geltend gemachten Verzugsschadensersatzansprüche verjährten mit dem Herstellungsanspruch.

Nach § 217 BGB verjährt mit dem Hauptanspruch der Anspruch auf die von ihm abhängigen Nebenleistungen, auch wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht eingetreten ist. Zwar entspricht es herrschender Meinung, dass jeder Verzugsschadensersatz dem Begriff der Nebenleistung i.S.d. § 217 BGB unterfällt, mithin Schadensersatzansprüche wegen Verzögerung der Leistung nach den §§ 280, 286 BGB von der Vorschrift umfasst sind. Allerdings unterliegen derartige Nebenansprüche grundsätzlich einer selbstständigen Verjährung. § 217 BGB koppelt die Verjährung der Nebenansprüche nur insofern teilweise an die Verjährung des jeweiligen Hauptanspruchs, als er sie spätestes mit dem Hauptanspruch verjähren lasst. Ansprüche auf Nebenleistungen können also früher verjähren als der Hauptanspruch, aber nicht später.

Sind derartige Ansprüche auf Nebenleistungen – wie hier – bereits selbstständig verjährt, kommt es mithin auf § 217 BGB nicht mehr an. Der BGH konnte deshalb nicht nur die Frage der Verjährung des Hauptanspruchs, sondern auch die Frage der Anwendbarkeit des § 217 BGB offenlassen (Rn. 23).

Die Besprechungsentscheidung bestätigt, dass Ansprüche, die dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht zuzuordnen sind, als solche der Regelverjährung unterliegen (Rn. 24). Für den Anspruch auf Ersatz von Verzugsschäden hatte dies zuletzt der V. Zivilsenat ausgesprochen und dabei betont, dass diese Verjährung eine selbstständige ist und aus § 217 BGB lediglich folgt, dass derartige Nebenansprüche spätestens mit dem Hauptanspruch verjähren (BGH, Urt. v. 07.11.2014 - V ZR 309/12 Rn. 10).

Hinsichtlich des Beginns der Verjährung mit der Fälligkeit des Anspruchs knüpft der VII. Zivilsenat ebenfalls an die bisherige Rechtsprechung (u.a. BGH, Urt. v. 08.07.2008 - XI ZR 230/07 Rn. 17) an (Rn. 24).

Ebenso entspricht es ständiger, gefestigter Rechtsprechung (zuletzt BGH, Urt. v. 22.02.2018 - VII ZR 253/16 Rn. 16), dass sich der Schadenseintritt bei mehreren Schadensfolgen für die Zwecke des Verjährungsrechts anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit bestimmt. Danach entsteht ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich einheitlich auch für die erst in Zukunft entstehenden, adäquat verursachten, zurechenbaren und voraussehbaren Nachteile, sobald irgendein Teilschaden entstanden ist und gerichtlich geltend gemacht werden kann. Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs erfasst dabei auch solche nachträglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren. Zur Hemmung der Verjährung, die mit dem früheren Schadenseintritt begonnen hat, ist die Erhebung einer Feststellungsklage erforderlich (Rn. 28).

Der Grundsatz der Schadenseinheit wäre ausgeschlossen bei Vorliegen einer Dauerhandlung. Einen dahingehenden Einwand hatten die Kläger erhoben und geltend gemacht, in der Nichterfüllung des Herstellungsanspruchs liege ein pflichtwidriges Unterlassen, solange der Eingriff andauere, könne die Verjährung nicht beginnen (Rn. 31). Der Senat weist diesen Einwand – in Anknüpfung an die bereits zitierte BGH-Entscheidung V ZR 309/12 (Rn. 13) – zurück: Der auf Verzug der Beklagten mit der Herstellung der vertraglichen Leistung gestützte Schadensersatzanspruch beruht nicht auf einem pflichtwidrigen Unterlassen der Beklagten, sondern auf einer zeitlichen Verzögerung des Leistungserfolgs, die mit der Fälligkeit des zugrunde liegenden Herstellungsanspruchs eingetreten ist. Die fortdauernde Nichterfüllung einer Verpflichtung trotz Fälligkeit stellt keine Dauerhandlung dar, da der Anspruch auf Erfüllung der Verjährung ansonsten niemals verjähren würde (Rn. 31).

D. Auswirkungen für die Praxis
Die Besprechungsentscheidung klärt Fragen der Verjährung eines Anspruchs auf Schadensersatz und auf Vertragsstrafe.

Die im Werkvertragsrecht vor Abnahme gegebenen gesetzlichen Schadensersatzansprüche aus den Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts unterliegen der selbstständigen dreijährigen Regelverjährung. Auch bei Verzugsschäden richtet sich dabei die Entstehung des Schadensersatzanspruchs und damit der Beginn der Verjährung nach dem Grundsatz der Schadenseinheit. Da die Verjährung des Schadensersatzanspruchs auch nachträglich eintretende Schadensfolgen erfasst, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren, ist, sobald nach Eintritt eines ersten Schadens weitere Schadensfolgen absehbar sind, zur Sicherung gegen eine Verjährung rechtzeitig Feststellungsklage zu erheben.