jurisPR-BGHZivilR 14/2017 Anm. 2

Wirksamkeit von Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften ("Schiedsfähigkeit III")

BGH 1. Zivilsenat, Beschluss vom 06.04.2017 - I ZB 23/16
Dr. Barbara Genius, Rechtsanwältin beim Bundesgerichtshof

Leitsatz
Die Mindestanforderungen an die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen, die auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen sollen, gelten jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften (Fortführung von BGH, Urt. v. 06.04.2009 - II ZR 255/08 - BGHZ 180, 221 "Schiedsfähigkeit II").

A. Problemstellung
Nach der BGH-Rechtsprechung sind Rechtsstreitigkeiten über gesellschaftsrechtliche Ansprüche und Rechtsverhältnisse grundsätzlich schiedsfähig. Sollen auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfasst werden, ist die Schiedsklausel allerdings nur wirksam, wenn sie Mindestanforderungen erfüllt. Dieser zu einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung entwickelte Grundsatz gilt auch – dies klärt die Besprechungsentscheidung – für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Antragsgegnerinnen – Kommanditistinnen einer GmbH & Co. KG – leiteten gegen einen Beschluss, mit dem sie mit den Stimmen der Antragstellerinnen durch Einziehung der Gesellschaftsanteile aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden waren, ein Schiedsverfahren ein. Auf die Rüge der Unzuständigkeit der Antragstellerinnen erklärte sich das Schiedsgericht mit Zwischenentscheid für zuständig. Den gegen den Zwischenentscheid gerichteten Antrag der Antragstellerinnen, das Schiedsgericht für unzuständig zu erklären, hilfsweise, die Unwirksamkeit des Zwischenentscheids festzustellen, wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Schiedsvereinbarung aus dem Jahre 1968 sei – so das Oberlandesgericht – wirksam und bindend. Zwar hätten die Gesellschafter in der Neufassung des Gesellschaftsvertrages im Jahre 2013 keine Schiedsklausel getroffen, jedoch andererseits den gesonderten Schiedsgerichtsvertrag darin auch nicht aufgehoben. Die Schiedsvereinbarung sei deshalb nicht entfallen.

Die gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragstellerinnen hatte Erfolg.

Der BGH befasst sich zunächst mit der Frage, ob der Zwischenbescheid des Schiedsgerichts bereits deshalb unwirksam sein könnte, weil die Antragstellerinnen nicht zur mündlichen Verhandlung geladen worden waren. Er bejaht zwar eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht. Sie führe jedoch deshalb nicht zur Unwirksamkeit des Zwischenentscheids, weil die Antragstellerinnen nicht dargelegt hatten, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts auf diesem Verfahrensfehler beruht.

Das Schiedsgericht sei jedoch unzuständig. Der Schiedsgerichtsvertrag von 1968 und die Schiedsgerichtsklausel im Gesellschaftsvertrag von 1968 seien unmittelbar aufeinander bezogen und miteinander verknüpft. Der neugefasste Gesellschaftsvertrag aus dem Jahr 2013 enthalte keine Schiedsklausel. Die in Rede stehende Beschlussmängelstreitigkeit sei auch nicht schiedsfähig. Sie werde nicht von dem Schiedsgerichtsvertrag von 1968 erfasst. Dieser genüge nicht den an eine Schiedsvereinbarung in Gesellschaftsverträgen zu stellenden Mindestanforderungen, wenn sie auch Beschlussstreitigkeiten erfassen sollen. Diese Mindestanforderungen gelten im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften.

C. Kontext der Entscheidung
Schiedsgerichtsbarkeit ist private Gerichtsbarkeit, die aufgrund einer freiwilligen rechtsgeschäftlichen Entscheidung die staatliche Gerichtsbarkeit ersetzt. Grundlage eines jeden Schiedsverfahrens ist die Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 ZPO. Sie muss der Formvorschrift des § 1031 ZPO genügen und sich auf einen gemäß § 1030 ZPO schiedsfähigen Gegenstand beziehen.

Die Schiedsvereinbarung unterliegt dabei als Unterfall des Prozessvertrages materiellen Gültigkeitsgrenzen, die durch § 138 Abs. 1 BGB gezogen werden. Danach sind Schiedsvereinbarungen nichtig, wenn sie eine übermäßige Einschränkung des Rechtsschutzes zum Gegenstand haben. Führt sie dazu, dass eine Partei benachteiligt wird bzw. ihr der notwendige Rechtsschutz entzogen wird, ist die Schiedsvereinbarung mit den guten Sitten unvereinbar und daher nichtig (BGH, Urt. v. 06.04.2009 - II ZR 255/08 Rn. 17 f. - BGHZ 180, 221 „Schiedsfähigkeit II“).

In seinem vorzitierten Urteil vom 06.04.2009 hatte der BGH unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass Beschlussmängelstreitigkeiten bei einer GmbH schiedsfähig sind, also in einem Schiedsverfahren beigelegt werden können (BGH, Urt. v. 06.04.2009 - II ZR 255/08 Rn. 10 ff.), sofern die Schiedsklauseln in Gesellschaftsvertrag oder Satzung im Hinblick auf die inter-omnes-Wirkung der Beschlussmängelstreitentscheidung und gemessen an § 138 BGB bestimmten Mindestanforderungen genügen (BGH, Urt. v. 06.04.2009 - II ZR 255/08 Rn. 20): Sie müssen dort mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter verankert sein (1), sicherstellen, dass neben den Gesellschaftsorganen jeder Gesellschafter über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt wird, den Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten (2). Weiter müssen sämtliche Gesellschafter bei der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt (3), und es muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden (4).

In der Besprechungsentscheidung hat der BGH diese Grundsätze auf Personengesellschaften erstreckt. Er führt aus, die im Urteil „Schiedsfähigkeit II“ formulierten Anforderungen seien aus den grundlegenden Maßstäben des § 138 BGB und dem Rechtsstaatsprinzip entwickelt worden und gelten deshalb jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften, sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten sind. In jedem Fall – so die Besprechungsentscheidung – müssen die Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft ebenso wie die Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vor Benachteiligung und Entziehung des notwendigen Rechtsschutzes bewahrt werden, so dass auf entsprechende Regelungen in Schiedsabreden für eine Kommanditgesellschaft grundsätzlich nicht verzichtet werden kann (Rn. 26). Enthält – wie im Fall – die Schiedsvereinbarung keinerlei Regelungen zum Schutz von Kommanditisten bei Beschlussmängelstreitigkeiten, sind solche Streitigkeiten nicht schiedsfähig, das Schiedsgericht ist unzuständig (Rn. 27).

D. Auswirkungen für die Praxis
Sollen Beschlussmängelstreitigkeiten vor Schiedsgerichten ausgetragen werden, müssen in Zukunft auch die Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften – zumal Kommanditgesellschaften zum Schutz der Kommanditisten vor Benachteiligung und Entziehung des notwendigen Rechtsschutzes – die Mindestanforderungen des BGH aus seiner Entscheidung vom 06.04.2009 (II ZR 255/08 - BGHZ 180, 221 „Schiedsfähigkeit II“) beachten und ihnen genügen, wobei der BGH dies als Grundsatz aufstellt, den die Praxis ausgestalten muss. Andernfalls sind solche Streitigkeiten nicht schiedsfähig, können also nicht in einem Schiedsverfahren beigelegt werden.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der vor dem Oberlandesgericht gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO angegriffene Zwischenentscheid des Schiedsgerichts war aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, zu der die Antragstellerinnen nicht geladen waren. Der BGH bestätigt, dass das Schiedsgericht damit den Anspruch der Antragstellerinnen auf rechtliches Gehör verletzt hat. Wird eine Partei nicht zur mündlichen Verhandlung geladen und kann sie deswegen den Termin nicht wahrnehmen, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (Rn. 9 m.w.N.). Diese ist aber nur erheblich, wenn die Entscheidung des Schiedsgerichts auf der Gehörsverletzung beruhen kann, was der Antragsteller darzulegen hat (Rn. 10 m.w.N.). Zu diesen Darlegungen hätte Vortrag der Antragstellerinnen gehört, welche entscheidungserheblichen Ausführungen sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht über ihren schriftlichen Vortrag hinaus gemacht hätten (Rn. 11). Allgemein gilt, dass zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit eines Gehörsverstoßes auch die Angabe gehört, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre, und dass nicht auszuschließen sei, dieser Vortrag hätte zu einer anderen Entscheidung geführt. Dies hatten die Antragstellerinnen vor dem Oberlandesgericht jedoch versäumt mit der Folge, dass sie mit ihrer Rüge nicht mehr durchdringen konnten. Denn regelmäßig kann ein solcher Vortrag nicht mehr in der nächsten Instanz – so hier im Rechtsbeschwerdeverfahren – nachgeholt werden (Rn. 14).