jurisPR-BGHZivilR 3/2012 Anm. 4 Konkretisierende Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs BGH 3. Zivilsenat, Beschluss vom 30.11.2011 - III ZB 19/11 Leitsatz A. Problemstellung Die besprochene Entscheidung überträgt die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung auf den Fall der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung hat die frühere Schiedsbeklagte
(Antragstellerin) vor dem Oberlandesgericht beantragt, die Schiedssprüche
anzuerkennen und daraus 10.214,73 Euro Gerichtskosten sowie 24.145,15 Euro
Anwaltskosten nebst 4% Zinsen seit dem 24.04.2009 gegen den früheren
Schiedskläger (Antragsgegner) für vollstreckbar zu erklären. Ein staatliches Gericht sei nicht ermächtigt, den Inhalt eines Schiedsspruchs, hier zu den Kosten, zu verändern. Eine fehlende Kostenentscheidung könne unzweifelhaft nicht nachgeholt werden. Nichts anderes gelte aber auch für eine tatsächlich getroffene Kostenentscheidung, die in bestimmter Hinsicht, insbesondere zur Höhe der zu erstattenden Kosten, ergänzungs- oder konkretisierungsbedürftig sei. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat der BGH die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 19.12.2008 zu Ziffer I.- dahin abgeändert, dass ein Betrag von 10.214,73 Euro gegen den Antragsteller für vollstreckbar erklärt wird, und zu Ziffer II.- teilweise („… zuzüglich der entsprechenden Zinsen ab dem Datum, zu dem die beglaubigte Einforderung der Zahlung derselben erfolgt, bis zum Zeitpunkt der Zahlung.“) aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. C. Kontext der Entscheidung Über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des (ausländischen) Schiedsspruchs
entscheidet gemäß § 1062 ZPO das zuständige Oberlandesgericht durch Beschluss.
Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO ist alleine diese Entscheidung
des staatlichen Gerichts, die den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt, nicht
der Schiedsspruch. Weil Vollstreckungstitel allein die Entscheidung über die
Vollstreckbarerklärung ist (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO), beziehen sich diese
Anforderungen allerdings nur auf die deutsche Entscheidung über die
Vollstreckbarkeit, nicht auf die zu vollstreckende ausländische Entscheidung.
Dies war bereits bisher für andere ausländische Entscheidungen, insbesondere
ausländische Urteile, anerkannt (BGH, Urt. v. 06.11.1985 - IVb ZR 73/84 - NJW
1986, 1440 Rn. 15; BGH, Beschl. v. 04.03.1993 - IX ZB 55/92 - BGHZ 122, 16 Rn.
17), gilt aber – wie aus der besprochenen Entscheidung folgt – gleichermaßen für
die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche. Weil sich die
innerstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen nur auf die deutschen
Vollstreckungstitel beziehen, sind ausländische Entscheidungen nicht allein
deshalb nicht für vollstreckbar zu erklären, weil sie diesen nicht genügen.
Vielmehr ist in solchen Fällen – gegebenenfalls nach Durchführung einer
Beweisaufnahme zum ausländischen Recht – der ausländische Titel so zu
konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher
Titel äußern kann. Auch dies hatte der BGH bereits im Rahmen der
Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile ausgesprochen (BGH, Urt. v.
06.11.1985 - IVb ZR 73/84 - NJW 1986, 1440 Rn. 17; BGH, Beschl. v. 04.03.1993 -
IX ZB 55/92 - BGHZ 122, 16 Rn. 19; BGH, Beschl. v. 21.12.2010 - IX ZB 28/10 Rn.
5) und ist nun gleichermaßen auf die Vollstreckbarerklärung ausländischer
Schiedssprüche zu übertragen. In den Grenzen des Verbots einer revision au fond (vgl. die ausdrückliche Verbotsnormierung in § 723 Abs. 1 ZPO bezüglich der Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile) sind die staatlichen Gerichte mithin gehalten, die ausländische Entscheidung auszulegen – der BGH betont die unbeschränkte Befugnis des Rechtsbeschwerdegerichts zur Auslegung eines Schiedsspruchs (Senatsbeschl. v. 08.11.2007 - III ZB 95/06 - SchiedsVZ 2008, 40 Rn. 14, und Senatsbeschl. v. 29.01.2009 - III ZB 88/07 - BGHZ 179, 304 Rn. 17) – und sie gegebenenfalls – auch unter Ermittlung ausländischen Rechts oder ausländischer Rechtspraxis gemäß § 293 ZPO – konkretisierend für vollstreckbar zu erklären. Gegen diese Grundsätze hatte das Oberlandesgericht verstoßen. Zwar hatte es im Ausgangspunkt richtig erkannt, dass im Falle des Fehlens einer Kosten- oder Zinsentscheidung diese im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht nachgeholt werden kann. Darum ging es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Im Hinblick auf die Gerichtskosten waren vielmehr der Inhalt des Schiedsspruchs in Verbindung mit einer erteilten Bestätigung zu beachten und hatte das Oberlandesgericht insoweit unter Verstoß gegen das Auslegungsgebot die begehrte konkretisierende Bezifferung des Titels abgelehnt. Dem Begehren hat der BGH in seiner Entscheidung entsprochen und einen bezifferten Betrag von 10.214,73 Euro für vollstreckbar erklärt. Hinsichtlich der Anwaltskosten hatte das Oberlandesgericht eine gebotene Ermittlung gemäß § 293 ZPO unterlassen, ob nach spanischem Recht oder spanischer Rechtspraxis unter „entsprechende“ Zinsen die gesetzlichen Zinsen zu verstehen sind. Denn es ist anerkannt, dass in Fällen, in denen der ausländische Titel auf die gesetzlichen Zinsen verweist, ohne diese näher zu beziffern, eine entsprechende Ergänzung im Vollstreckbarerklärungsverfahren möglich ist (so schon für andere ausländische Titel: BGH, Urt. v. 06.11.1985 - IVb ZR 73/84 - NJW 1986, 1440 Rn. 17; BGH, Beschl. v. 05.04.1990 - IX ZB 68/89 - NJW 1990, 3084 Rn. 26 f.; BGH, Beschl. v. 04.03.1993 - IX ZB 55/92 - BGHZ 122, 16 Rn. 19, und BGH, Beschl. v. 27.05.1993 - IX ZB 78/92 Rn. 12). Insoweit handelt es sich nicht um eine unzulässige Auffüllung des Schiedsspruchs, sondern um die Anerkennung der Wirkung, die dem Schiedsspruch nach dem ausländischen Recht zukommt. Zur Nachholung dieser Prüfung hat der BGH den angefochtenen Beschluss bezüglich der Zinsen aufgehoben und das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. D. Auswirkungen für die Praxis |