jurisPR-BGHZivilR 20/2011 Anm. 3 Anfechtbarkeit eines Verwerfungsurteils gemäß § 341 Abs. 2 ZPO mit Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde BGH 3. Zivilsenat, Beschluss vom 08.09.2011 - III ZR 259/10 Leitsatz A. Problemstellung B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das dagegen von der Klägerin zum BGH eingelegte Rechtsmittel – Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Revision – hat der III. Zivilsenat als unzulässig verworfen. Die Nichtzulassungsbeschwerde – so der Senat – war im vorliegenden Fall nach § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO nicht zulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro nicht überstieg. Auch als Revision konnte das Rechtsmittel keinen Erfolg haben, da diese weder von Gesetzes wegen eröffnet noch vom Berufungsgericht zugelassen war. C. Kontext der Entscheidung Der Zugang zum BGH als Revisionsinstanz in Zivilsachen ist beschränkt. In der Berufungsinstanz erlassene Endurteile (§ 542 Abs. 1 ZPO) können nur dann unmittelbar mit der Revision angefochten werden, wenn sie das Berufungsgericht in seinem Urteil zugelassen hat (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Fehlt es an dieser Zulassung, findet die Revision nur statt, wenn der BGH auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung die Revision zugelassen hat (§ 543 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Für diese Nichtzulassungsbeschwerde gilt jedoch eine Wertgrenze. Gemäß § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO, dessen Verlängerung bis 31.12.2014 beschlossen ist, ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht nur zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro übersteigt. Bis zu einem Beschwerdewert von 20.000 Euro ist die Nichtzulassungsbeschwerde also nicht zulässig und mithin gegen ein Berufungsurteil ein Rechtsmittel zum BGH nicht mehr gegeben. Der durch das 1. JuMoG vom 24.08.2004 mit Wirkung ab dem 01.09.2004 angefügte § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO macht hiervon jedoch eine Ausnahme (vgl. zum früheren Recht BGH, Beschl. v. 04.09.2002 - VIII ZB 23/02 - NJW 2002, 3783). Danach gilt die Wertgrenze des Satzes 1 nicht, wenn das Berufungsgericht in seinem Urteil die Berufung verwirft. Ratio dieser Ausnahmeregelung ist, einen „Gleichlauf“ mit § 522 Abs. 1 ZPO herzustellen und dieselbe Möglichkeit der Überprüfung wie bei der nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO vorgesehenen Rechtsbeschwerde zu schaffen, die ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthaft ist, wenn das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO verwirft. § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO stellt somit sicher, dass die Verwerfung der Berufung durch Urteil den Unterlegenen hinsichtlich eines Rechtsmittels nicht schlechter stellt als bei einer Verwerfung der Berufung durch Beschluss (vgl. zur Auslegung der Vorschrift auch BGH, Beschl. v. 05.05.2011 - VII ZR 47/08 - NJW-RR 2011, 1289). In seiner Entscheidung vom 08.09.2011 hat der BGH nun klargestellt, dass eine analoge Anwendung der Ausnahmeregelung in § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO auf die Verwerfung eines Einspruchs gegen ein zweitinstanzliches Versäumnisurteil gemäß § 341 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommt. Gemäß § 341 Abs. 2 ZPO entscheidet das Gericht über einen unzulässigen Einspruch immer, d.h. ggf. auch ohne mündliche Verhandlung, durch Urteil. Das Urteil ist als kontradiktorisches Endurteil anzusehen (BGH, Beschl. v. 05.03.2007 - II ZB 4/06 - NJW-RR 2007, 1363). Die Urteilsform ist zwingend. Sie gilt nach § 238 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO auch für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag (BGH, Urt. v. 19.07.2007 - I ZR 136/05 - NJW-RR 2008, 218 Rn. 15 ff.). Die Bestimmung des § 341 Abs. 2 ZPO ist auch im Berufungsverfahren anzuwenden (§ 539 Abs. 3 ZPO). Hinsichtlich der Anfechtung eines solchen Berufungsurteils gelten – so der BGH weiter – die allgemeinen Regeln, d.h., es kommen die Revision oder – im Fall ihrer Nichtzulassung – die Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht. Auf letztere ist die Vorschrift des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO uneingeschränkt anwendbar, d.h., sie ist nur zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro übersteigt. Einer analogen Anwendung der Ausnahmeregelung in § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO erteilt der BGH eine deutliche Absage. Bereits nach früherem Recht richtete sich die Anfechtung der Entscheidung über die Verwerfung des Einspruchs gegen ein zweitinstanzliches Versäumnisurteil nach den für die jeweilige Entscheidungsform geltenden allgemeinen Regeln, und auch nach neuem Recht ist ein – § 522 Abs. 1 Satz 3 und 4 ZPO entsprechendes – vom Beschwerdewert (oder der Zulassung) unabhängiges Rechtsmittel gegen eine Einspruchsverwerfung nicht vorgesehen. Da der Betroffene, gegen den ein ordnungsgemäß zugestelltes Versäumnisurteil ergangen ist, sein rechtliches Gehör erhalten hat und die Ausgestaltung des Versäumnisverfahrens allgemein durch den Gedanken geprägt ist, im Interesse der Prozessbeschleunigung eine durch ein Versäumnisurteil gewarnte Partei zu besonders sorgfältiger Prozessführung anzuhalten, gibt es nach Auffassung des BGH auch keine verfassungsrechtlichen Gründe, die Überprüfung einer Einspruchsverwerfung wie diejenige einer Berufungsverwerfung wertunabhängig auszugestalten. Die Verfassungsmäßigkeit des § 26 Nr. 8 EGZPO selbst thematisiert die besprochene Entscheidung nicht mehr. Sie ist in ständiger Rechtsprechung des BGH anerkannt (grdl. BGH, Beschl. v. 18.12.2002 - IX ZA 31/02 - NJW-RR 2003, 645). D. Auswirkungen für die Praxis Ist dieser Beschwerdewert nicht erreicht, ist ein Rechtsmittel zum BGH nicht mehr gegeben, und eine Überprüfung der Berufungsentscheidung nur noch mit der Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO oder der Verfassungsbeschwerde möglich. |