jurisPR-BGHZivilR 18/2011 Anm. 1 Architektenvertrag: Pflicht zur Führung eines Bautagebuches Anmerkung zu BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 28.07.2011 - VII ZR 65/10 Leitsätze A. Problemstellung B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das Berufungsgericht (KG Berlin, Urt. v. 16.03.2010 - 7 U 53/08 - Grundeigentum 2010, 981), hatte auf die Widerklage den Architekten zur Rückzahlung überzahlten Honorars in Höhe von 10.182,23 Euro verurteilt und im Übrigen die Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Der BGH hat die Revision des beklagten Auftraggebers teilweise zugelassen, nämlich soweit der Kläger sein Honorar für die Leistungsphasen 5 bis 7 des § 15 Abs. 2 HOAI bei einem der Bauvorhaben nicht auf der Basis des Kostenanschlages vom 30.11.2001, sondern eines späteren Kostenanschlags ermittelt und soweit dem Beklagten eine Minderung des Architektenhonorars wegen nicht geführter Bautagebücher bei den drei Bauvorhaben nicht zugebilligt worden war. Die Revision des Beklagten hatte Erfolg. Der BGH hat dem Auftraggeber einen weitergehenden Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Architektenhonorars in Höhe von 8.510,81 Euro zuerkannt und hinsichtlich eines weiteren Betrages von 3.490,53 Euro die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der BGH verweist zunächst zur Frage der Honorarermittlung auf sein nach Erlass des Berufungsurteils ergangenes Urteil vom 05.08.2010 (VII ZR 14/09 - BauR 2010, 1957), in welchem der VII. Zivilsenat entschieden hat, dass Nachträge, die nach der Vergabe einer Bauleistung an einen Unternehmer entstehen, bei dem gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 HOAI zur Ermittlung des Architektenhonorars zugrundezulegenden Kostenanschlag nicht berücksichtigt werden dürfen. Danach war das Architektenhonorar auf der Grundlage des früheren Kostenanschlags vom 30.11.2001 zu ermitteln, so dass dem Beklagten ein weiterer Honorarrückzahlungsanspruch zuzusprechen war. Der klagende Architekt hatte allerdings vorgetragen, ihm sei ein Auftrag zur Umplanung erteilt worden, aus dem ihm für die Leistungsphasen 5 bis 7 des § 15 Abs. 2 HOAI ein weiterer Honoraranspruch zustehe. Zur Prüfung dieses Anspruchs hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ebenfalls zurückverwiesen hat der BGH die Sache zu der weiteren in dem Urteil behandelten Rechtsfrage einer Minderung des Architektenhonorars wegen nicht geführter Bautagebücher. Hierzu enthält die Entscheidung grundlegende Ausführungen: Der VII. Zivilsenat stellt klar, dass das Führen eines Bautagebuchs zum Leistungsbild der Objektüberwachung, d.h., der Leistungsphase 8 des § 15 Abs. 2 HOAI gehört. Dabei steht diese Pflicht nicht unter dem Vorbehalt einer Erforderlichkeit des Bautagebuches für die einzelnen Baumaßnahmen. Denn – so der Senat – die Erforderlichkeit des Führens eines Bautagebuches für die jeweiligen Baumaßnahmen ergibt sich ohne weiteres aus dem Sinn und Zweck des Bautagesbuches. Dieser ist, das Baugeschehen mit allen wesentlichen Einzelheiten zuverlässig und beweiskräftig festzuhalten. Diese Dokumentation kann insbesondere bei Störungen des Bauablaufs oder Auseinandersetzungen mit anderen Baubeteiligten von großer Bedeutung sein, wobei das berechtigte Interesse daran nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Bauten im Bestand, also bei Modernisierungsmaßnahmen, Instandsetzung und Ausbau besteht. Gerade bei diesen Maßnahmen kann es von großer Wichtigkeit sein, Abweichungen vom vorausgesetzten Bestand und sich daraus ergebende Probleme zu dokumentieren, weil sie erfahrungsgemäß Grundlage von Nachtragsforderungen der Bauunternehmer sein können. Andererseits ist zur Erfüllung der Pflicht des Architekten, ein Bautagebuch zu führen, die Aushändigung an den Besteller ist grundsätzlich nicht erforderlich. Der Architekt hat nämlich ein berechtigtes Interesse daran, dass das Bautagebuch bei ihm verbleibt, da es auch dazu dient, gegenüber dem Besteller eine ordnungsgemäße Bauüberwachung zu dokumentieren. Zu den Rechtsfolgen stellt die Entscheidung fest, dass das Werk mangelhaft ist, wenn der Architekt, indem er kein Bautagebuch geführt hat, den geschuldeten Teilerfolg nicht erbracht hat. Ist diese Leistungspflicht verletzt, wozu der Nachweis noch nicht genügt, dass der Architekt dem Bauherrn ein geführtes Bautagebuch lediglich nicht übergeben hat, kann der Bauherr unter den Voraussetzungen des § 634 BGB das Honorar für die Leistungsphase mindern. Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist dafür entbehrlich, weil ein Bautagebuch nachträglich nicht mehr zuverlässig erstellt werden kann. C. Kontext der Entscheidung Mit der weiteren Rechtsfrage einer Minderung des Architektenhonorars wegen nicht geführter Bautagebücher befasst sich der VII. Zivilsenat in der besprochenen Entscheidung erstmals. Das Berufungsgericht hatte das behauptete Fehlen eines Bautagebuches im Ergebnis als unerheblich angesehen. Die Führung eines Bautagebuches sei nur dann vertraglich geschuldet, wenn dies zur Durchführung der Baumaßnahme erforderlich gewesen sei. Liege kein Bautagebuch vor, mache sich der Architekt eventuell schadenersatzpflichtig, wenn er seine Überwachungspflichten nicht dokumentieren könne. Zur Vertragserfüllung sei das Führen des Bautagebuchs aber keineswegs erforderlich (Rn. 55 f. des Berufungsurteils). Der BGH ist deutlich anderer Auffassung. Das Urteil stellt klar, dass das Führen eines Bautagebuches zum Leistungsbild der Objektüberwachung (Leistungsphase 8 des § 15 Abs. 2 HOAI a.F.) und deshalb uneingeschränkt zu den Leistungspflichten des Architekten gehört (im Ergebnis ebenso OLG Celle, Urt. v. 11.10.2005 - 14 U 68/04 - BauR 2006, 1161; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.05.2006 - 9 U 113/05 - BauR 2007, 1770). Der Senat ergänzt, dass sich die Erforderlichkeit des Führens eines Bautagebuches für die jeweilige Baumaßnahme ohne weiteres aus dem Sinn und Zweck desselben ergibt, das Baugeschehen mit allen wesentlichen Einzelheiten zuverlässig und beweiskräftig festzuhalten. Lediglich ist zur Erfüllung der Pflicht die Aushändigung an den Besteller grundsätzlich nicht erforderlich. Erbringt der Architekt diesen geschuldeten Teilerfolg nicht, ist sein Werk mangelhaft und kann folglich der Auftraggeber wegen des fehlenden Bautagebuches unter den Voraussetzungen des § 634 BGB eine Kürzung (Minderung) des Architektenhonorars verlangen (ebenso schon OLG Celle, Urt. v. 11.10.2005 - 14 U 68/04 Rn. 19; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.05.2006 - 9 U 113/05 Rn. 32). Der Senat stimmt ferner der obergerichtlichen Rechtsprechung zu (unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.05.2006 - 9 U 113/05 Rn. 31; ebenso OLG Celle, Urt. v. 11.10.2005 - 14 U 68/04 Rn. 19), wonach eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung in diesem Fall entbehrlich ist, weil ein Bautagebuch nachträglich nicht mehr zuverlässig erstellt werden kann. D. Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung befasst sich nicht mehr mit der Frage der Bemessung einer solchen Minderung. Hier ist auf die obergerichtliche Rechtsprechung zurückzugreifen, die in Anlehnung an die Steinfort-Tabelle und andere Bewertungstabellen (vgl. die Zusammenstellung bei Locher/Koeble/Frik, HOAI, 10. Aufl., Anhang 4/1) das Führen eines Bautagebuches mit einem Anteil von 0,5% der vom Architekten im Rahmen der Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 HOAI a.F. (§ 33 HOAI 2009) insgesamt geschuldeten Grundleistungen bewertet und daran die Minderung des Honoraranspruchs bemessen hat (OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.05.2006 - 9 U 113/05 Rn. 32; OLG Celle, Urt. v. 11.10.2005 - 14 U 68/04 Rn. 20). Die im Übrigen fortgeführte Senatsrechtsprechung zur Honorarermittlung gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 HOAI a.F. hat unmittelbare Bedeutung nur für vor dem 18.08.2009 geschlossene Architektenverträge. Denn der Kostenanschlag hat gemäß der HOAI 2009 keinen Einfluss mehr auf die Honorarermittlung. § 7 Abs. 5 HOAI 2009 sieht ferner ausdrücklich vor, dass bei Änderungen des beauftragten Leistungsumfanges auf Veranlassung des Auftraggebers während der Laufzeit des Vertrages mit der Folge von Änderungen u.a. der anrechenbaren Kosten die dem Honorar zugrundeliegende Vereinbarung durch schriftliche Vereinbarung anzupassen ist. |