jurisPR-BGHZivilR 4/2010 Anm. 4 Darlegungs- und Beweislast für eine unbeschränkte Haftung des Frachtführers Anmerkung zu BGH 1. Zivilsenat, Urteil vom 10.12.2009 - I ZR 154/07 Leitsätze A. Problemstellung B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hatte sie abgewiesen. Der BGH hat die Feststellungsklage in Bezug auf die spanischen Verbrauchsteuern für begründet erachtet und die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der BGH führt in der Entscheidung seine Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast für eine unbegrenzte Haftung des Frachtführers/Spediteurs fort und grenzt die gemäß Art. 23 Abs. 1 und 4 CMR zu ersetzenden Kosten voneinander ab. C. Kontext der Entscheidung Muss der Anspruchsteller dazu Umstände darlegen und beweisen, die zu dem seinem Einblick entzogenen Bereich des Frachtführers/Spediteurs gehören, so entstehen ihm erhebliche Beweisprobleme. Nach der ständigen Rechtsprechung – so auch das Urteil – kann deshalb die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast des Frachtführers ist zu bejahen, wenn der Klagevortrag nach den Umständen des Falles ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein solches Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. Insbesondere hat der Frachtführer dann substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er konkret aufgewendet hat. Kommt der Frachtführer/Spediteur dieser sekundären Darlegungslast nicht oder nur unvollkommen nach, kann daraus nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein. Hat der Frachtführer/Spediteur hingegen – wie im entschiedenen Fall – seine Einlassungsobliegenheit erfüllt, muss der Anspruchsteller die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung darlegen und gegebenenfalls beweisen. Es gereicht dem Frachtführer daher nicht zum Nachteil, wenn er den von ihm geschilderten Sachverhalt nicht bewiesen hat, da ihm insoweit keine Beweislast obliegt. Das Urteil bestätigt die neuere Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 20.09.2007 - I ZR 43/05 - TranspR 2008, 113 Rn. 33; BGH, Urt. v. 18.12.2008 - I ZR 128/06 - TranspR 2009, 134 Rn. 15), die ihren Grund darin findet, dass die Erfüllung der Einlassungsobliegenheit an der materiellen Beweislast nichts ändert (vgl. BGH, Urt. v. 21.09.2000 - I ZR 135/98 - BGHZ 145, 170). Zwei Klarstellungen fügt der Senat hinzu: An der in einem früheren Urteil vertretenen gegenteiligen Auffassung, dass der Frachtführer/Spediteur für die in Erfüllung der ihm obliegenden Einlassungsobliegenheit vorgetragenen Tatsachen beweisbelastet sei (BGH, Urt. v. 07.11.1996 - I ZR 111/94 - TranspR 1997, 291 = VersR 1997, 725), hält der Senat ausdrücklich nicht fest. Ferner können besondere Schwierigkeiten im Hinblick auf Umstände, die dem Einblick des Anspruchstellers entzogen sind, eine Ausnahme nicht rechtfertigen: Eine andere Beurteilung der Darlegungs- und Beweislastverteilung – so das Urteil – ergibt sich auch dann nicht, wenn der an sich darlegungs- und beweisbelasteten Partei die nähere Darlegung eines zum Wahrnehmungsbereich des Gegners gehörenden Geschehens nicht möglich ist. Dieser Umstand führt – in Anknüpfung an allgemeine zivilprozessuale Grundsätze (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., vor § 284 Rn. 34c) – nicht zu einer Umkehrung der Beweislast, sondern allenfalls zu erhöhten Anforderungen an die Erklärungslast des Prozessgegners (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2009 - I ZR 139/07 - NJW 2009, 2384 = GRUR 2009, 502 Rn. 17 „pcb“). Ein dahin gehender Einwand kann folglich auch nicht ausnahmsweise eine Umkehrung der Beweislast begründen. Hinsichtlich des Haftungsumfangs bei einer begrenzten Haftung gemäß Art. 23 CMR bringt die Entscheidung ebenfalls Klarstellungen: Zu den sonstigen aus Anlass der Beförderung entstandenen Kosten gemäß Art. 23 Abs. 4 CMR gehören nicht solche Kosten, die durch den Schadensfall selbst verursacht wurden und bei vertragsgemäßer Abwicklung der Beförderung nicht entstanden wären. Ferner umfassen die sonstigen aus Anlass der Beförderung entstandenen Kosten gemäß Art. 23 Abs. 4 CMR nur solche Aufwendungen, die sich noch nicht im Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung (Art. 23 Abs. 1 CMR) niedergeschlagen haben. Im entschiedenen Fall sind deshalb die in Frankreich infolge des Diebstahls anfallenden Verbrauchsteuern als durch den Schadensfall selbst verursachte Kosten nicht erstattungsfähig. Der Wert der auf den gestohlenen Zigaretten bereits vor Übergabe der Ladung an den Frachtführer angebrachten Steuerbanderolen bestimmte demgegenüber den Wert des Transportguts schon zur Zeit der Übernahme zur Beförderung und ist deshalb gemäß Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR erstattungsfähig, allerdings nur in den Grenzen des Art. 23 Abs. 3 CMR, wonach die Entschädigung insgesamt 8,33 Rechnungseinheiten des Sonderziehungsrechts des Internationalen Währungsfonds für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts nicht übersteigen darf. Ob angesichts der Höhe der für den Warenverlust bereits gezahlten Entschädigung damit noch weitere Entschädigungen an die Klägerin zu leisten sind, musste der Senat in seinem Urteil aus Tatsachengründen offen lassen. D. Auswirkungen für die Praxis Der Wert bereits vor der Übergabe zur Beförderung auf der Ware aufgebrachter Steuerbanderolen erhöht den Wert des Transportgutes, der bei einer beschränkten Haftung des Frachtführers/Spediteurs jedoch insgesamt nur in den Grenzen des Art. 23 Abs. 1-3 CMR zu ersetzen ist. |