jurisPR-BGHZivilR 19/2009 Anm. 2

Unzulässigkeit des Doppelexequaturs ausländischer Schiedssprüche

Anmerkung zu BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 02.07.2009 - IX ZR 152/06
Dr. Barbara Genius, Rechtsanwältin beim Bundesgerichtshof

Leitsatz
Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen ist auch dann unzulässig, wenn das Recht des ersten Exequatururteils der doctrine of merger folgt (Aufgabe von BGH, Urt. v. 27.03.1984 - IX ZR 24/83 - NJW 1984, 2765).

A. Problemstellung
Die Entscheidung befasst sich mit der Zulässigkeit eines Doppelexequaturs ausländischer Schiedssprüche: Können ausländische Schiedssprüche auch in der Weise im Inland für vollstreckbar erklärt werden, dass die Vollstreckung aus einem ausländischen Exequatururteil, welche den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt, nach den §§ 722 f. ZPO für zulässig erklärt wird?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Zwischen den Parteien war am 26.11.2002 ein Schiedsspruch des International Arbitration Tribunal ergangen. Diesen hatte der Superior Court in Kalifornien/USA mit Urteil vom 04.04.2003 für vollstreckbar erklärt. Das Urteil, das den Beklagten zur Zahlung von 243.211,75 US-Dollar sowie Schiedsverfahrenskosten i.H.v. 6.550 US-Dollar verurteilte, bestätigte den Schiedsspruch in der Weise, dass sämtliche in dem Schiedsspruch ausdrücklich oder stillschweigend enthaltenen Tatsachenfeststellungen und rechtliche Schlussfolgerungen des Schiedsrichters vom Superior Court übernommen und durch diese Bezugnahme zum Inhalt des Urteils gemacht wurden.

Mit der Klage begehrte die Klägerin die Vollstreckbarerklärung des Urteils des Superior Court vom 04.04.2003. Das Landgericht gab ihrer Klage statt. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Der IX. Zivilsenat hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Klage abgewiesen.

Das Urteil spricht aus, dass ein Doppelexequatur ausländischer Schiedssprüche unzulässig ist. Ein ausländischer Schiedsspruch kann also nicht in der Weise im Inland für vollstreckbar erklärt werden, dass ein ausländisches Exequatururteil gemäß § 722 ZPO für vollstreckbar erklärt wird.

Der BGH gibt damit seine Rechtsprechung auf, welche das Doppelexequatur ausländischer Schiedssprüche jedenfalls dann für zulässig gehalten hatte, wenn das Recht des ersten Exequatururteils der sog. doctrine of merger folgte.

C. Kontext der Entscheidung
Ausländische Schiedssprüche bedürfen – ebenso wie Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte – der Anerkennung, um im Inland Wirkungen zu entfalten, sowie der Verleihung der Vollstreckbarkeit, um im Inland vollstreckt werden zu können.
Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche tritt – wie bei der Anerkennung der Wirkungen ausländischer Urteile – grundsätzlich ohne ein besonderes Anerkennungsverfahren ipso iure ein, wenn keine Anerkennungshindernisse gegeben sind. Demgegenüber ist zur Verleihung der Vollstreckbarkeit für ausländische Schiedssprüche – wie für ausländische Urteile – die Durchführung eines besonderen (Exequatur-)Verfahrens erforderlich. Der Vollstreckbarerklärung (Exequatur) bedarf es, weil die Vollstreckbarkeit eines ausländischen Titels selbst nicht Gegenstand einer Anerkennung sein kann.

Bei ausländischen Urteilen gilt allgemein das Verbot des Doppelexequaturs: Ausländische Exequatururteile können im Inland nicht ihrerseits für vollstreckbar erklärt werden, sondern nur der dem ausländischen Exequatururteil zugrunde liegende ausländische Titel: „L'exequatur sur l'exequatur ne vaut“. Grund hierfür ist, dass andernfalls die Voraussetzungen der Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung nicht mehr überprüft werden könnten.

Für ausländische Exequatururteile, welche – der doctrine of merger folgend – sich nicht auf eine Bestätigung oder Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs beschränkten, sondern eine selbstständige Verurteilung des Beklagten enthielten, hatte dieser Grundsatz seit einem Urteil des IX. Zivilsenats vom 27.03.1984 (IX ZR 24/83 - NJW 1984, 2765) nicht mehr gegolten: Der Senat hatte darin die Auffassung vertreten, aus einem Exequatururteil des Staates New York, durch das ein New Yorker Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt und zugleich der Beklagte zur Zahlung verurteilt worden war, könne die Vollstreckung nach § 722 ZPO für zulässig erklärt werden. Die Konsequenz, dass in diesen Fällen der Schiedsspruch selbst in Deutschland nicht mehr für vollstreckbar erklärt werden könnte, hat der BGH jedoch nicht gezogen, sondern ist von der Möglichkeit ausgegangen, auch der Schiedsspruch selbst könne in Deutschland weiterhin für vollstreckbar erklärt werden. Der Antragsteller konnte danach wählen, ob er den Schiedsspruch oder das Exequatururteil für vollstreckbar erklären lassen wollte.

Diese – überwiegend abgelehnte – Rechtsprechung hat der BGH in seinem Urteil vom 02.07.2009 aufgegeben: Das Doppelexequatur ausländischer Schiedssprüche ist auch dann unzulässig, wenn das Recht des ersten Exequatururteils der doctrine of merger folgt. Die Entscheidung hebt den „Bruch“ mit dem Grundsatz (vgl. Schütze, ZVglRWiss 104, 427, 440) auf. Die ausführliche Begründung verweist dementsprechend auf das bei ausländischen Urteilen allgemein anerkannte Verbot des Doppelexequaturs und verneint besondere Gründe, bei ausländischen Schiedssprüchen ein Doppelexequatur für zulässig zu erachten. Der BGH verweist auf das Europäische Recht über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, welches ein solches Doppelexequatur nicht anerkennt, und erörtert die sich aus der bisherigen Auffassung ergebenden Rechtsschutzdefizite auf Schuldnerseite sowie die sich aus der Zulässigkeit des Doppelexequaturs ergebenden Folgeprobleme im internationalen sowie nationalen Zivilprozessrecht. Ebenso zutreffend betont der IX. Zivilsenat den Zweck der Exequaturentscheidung: Das ausländische Exequatururteil will letztendlich, auch wenn es der doctrine of merger folgt, wie jede andere Exequaturentscheidung nur eine territorial begrenzte Wirkung entfalten, nämlich auf dem Gebiet des Staates, für den sie den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt oder in einen eigenen Titel umsetzt. Diese Entscheidung ist schon ihrem Inhalt nach nicht geeignet, in einem anderen Staat für vollstreckbar erklärt zu werden. Ob in Deutschland vollstreckt werden darf, ist vielmehr vom nationalen Recht zu entscheiden, wobei es im Kern dieser Entscheidung um die Vollstreckung des Schiedsspruchs geht.

D. Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil des IX. Zivilsenats nimmt dem Antragsteller das bisherige Wahlrecht, den ausländischen Schiedsspruch oder das ausländische Exequatururteil für vollstreckbar erklären zu lassen. Soll ein ausländischer Schiedsspruch anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, steht dem Antragsteller nach der Entscheidung vom 02.07.2009 nur noch die – schon bisher bestehende – Möglichkeit der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs nach § 1061 ZPO i.V.m. dem New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 (UNÜ) sowie gegebenenfalls anderen anwendbaren völkerrechtlichen Übereinkommen offen. Soll ein ausländischer Schiedsspruch anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, bleibt dem Antragsteller nach der Entscheidung vom 02.07.2009 nur die – schon bisher bestehende – Möglichkeit der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs nach § 1061 ZPO i.V.m. dem New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 (UNÜ) sowie gegebenenfalls anderen anwendbaren völkerrechtlichen Übereinkommen. Ob Ausnahmen denkbar wären – falls dem ausländischen Urteil eine völlig eigenständige Prüfung der Sach- und Rechtslage zugrunde läge, es also vom Schiedsspruch unabhängig wäre – lässt der Bundesgerichtshof offen.