jurisPR-BGHZivilR 23/2008 Anm. 1 Hemmung der Verjährung durch bezifferte Teilklage auf Vorschuss für Mängelbeseitigungskosten Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Leitsatz Ein Urteil, mit dem dem Auftraggeber Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten zugesprochen wird, enthält regelmäßig die Feststellung, dass der Auftragnehmer verpflichtet ist, die gesamten Mängelbeseitigungskosten zu tragen, gegebenenfalls auch die den gezahlten Vorschuss übersteigenden Selbstvornahmekosten (im Anschluss an BGH, Urt. v. 18.03.1976 - VII ZR 41/74 - BGHZ 66, 138, BGH, Urt. v. 20.02.1986 - VII ZR 318/84 - BauR 1986, 345 = ZfBR 1986, 210). Orientierungssatz des Autors Eine Vorschussklage führt auch dann zur Hemmung der Verjährung in Bezug auf weitere noch nicht bezifferte Beträge notwendiger Selbstvornahmekosten, wenn nicht zusätzlich ein Feststellungsantrag gestellt wird. A.
Problemstellung B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Bei Durchführung der Mängelbeseitigung fallen höhere Kosten an. Nach Abschluss der Arbeiten und Ablauf der Gewährleistungsfrist verklagt der Auftraggeber den Auftragnehmer auf Zahlung von Selbstvornahmekosten in Höhe von weiteren 7.049 €. Der Auftragnehmer erhebt die Einrede der Verjährung. Die Vorinstanzen halten seine Einrede für berechtigt und weisen die Klage ab. Es habe dem Kläger freigestanden, zur Hemmung der Verjährung Feststellungsantrag zu stellen und damit die Verjährung für weitere Beträge zu hemmen, die über den durch die bezifferte Klage erfassten Betrag hinausgehen. Der BGH sieht das im Rahmen der zugelassenen Revision anders: Er ist der Auffassung, dass der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Selbstvornahmekosten (§ 637 BGB Abs. 3 n.F. bzw. § 633 Abs. 3 BGB a.F.) nicht verjährt sei. Das rechtskräftige Urteil in Bezug auf den Vorschussanspruch der Kläger in Höhe einer Verurteilung von 10.760 € stehe auch der Verjährung des Mehrbetrags von 7.049 € entgegen. Mit der Vorschussklage wird ein einheitlicher Anspruch auf Ersatz der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht. Eine solche Klage umfasst den Vorschuss in der Höhe, in der er zur Beseitigung des Mangels sachlich erforderlich ist. Der Vorschuss stelle nichts Endgültiges dar, sondern müsse abgerechnet werden. Gegebenenfalls hat der Auftraggeber bei Steigerung der Kosten das Recht, Nachzahlung zu verlangen (BGH, Urt. v. 18.03.1976 - VII ZR 41/74 - BGHZ 66, 138, 141; BGH, Urt. v. 18.03.1976 - VII ZR 35/75 - BGHZ 66, 142, 149; BGH, Urt. v. 20.02.1986 - VII ZR 318/84 - BauR 1986, 345, und BGH, Urt. v. 24.04.1986 - VII ZR 262/85 - BauR 1986, 576). Bereits in früheren Entscheidungen hat der BGH klargestellt: Bei einer Vorschussklage umfasst die – damals nach altem Recht, nämlich § 209 Abs. 1 BGB a.F. eintretende – Unterbrechung der Verjährung nicht nur den eingeklagten Betrag, sondern auch die durch spätere Erweiterung der Anträge geltend gemachten Teile des Anspruchs. Dies folgt – so bereits im Jahre 1976 BGHZ 66, 138, 141 – aus der Eigenart des Vorschussanspruchs. Dieser führt nicht zu einer endgültigen Vermögenszuordnung, sondern muss abgerechnet werden. Gegebenenfalls besteht das Recht, eine Nachzahlung zu verlangen (BGH, Urt. v. 02.03.1967 - VII ZR 215/64 - BGHZ 47, 272, 274). Deshalb tritt die Verjährung auch hinsichtlich solcher Teile des Vorschussanspruchs nicht ein, die noch nicht beziffert sind. An dieser Auffassung hält der BGH fest. Aus dem „in die Zukunft gerichteten Wesen einer Vorschussklage“ folge, dass ein Vorschussurteil gleichzeitig auch Elemente eines Feststellungsurteils enthält. Dem Grunde nach wird die Verpflichtung des Auftragnehmers festgestellt, voraussichtliche Mängelbeseitigungskosten zu tragen, auch wenn das im Tenor des Urteils in dieser Weise keinen Ausdruck findet (Kniffka, Ibr-online-Kommentar, Bauvertragsrecht, Stand 03.06.2008, § 637 Rn. 77). Da es sich beim Kostenvorschuss um einen vorweggenommenen Ersatz von Selbstvornahmekosten nach § 633 Abs. 3 BGB a.F. bzw. § 637 Abs. 3 BGB n.F. handelt und der Auftragnehmer so lange mit Nachforderungen rechnen muss, als die Kosten der Mängelbeseitigung nicht endgültig feststehen, ist die Vorschussklage nach Auffassung des BGH regelmäßig so zu verstehen: Der Kläger will gleichzeitig die Nachschusspflicht des Auftragnehmers für den Fall festgestellt wissen, dass der ausgeurteilte Vorschuss nicht ausreicht. Vor diesem Hintergrund hat ein eventueller Feststellungsantrag des Klägers nur
klarstellende Bedeutung. Auch ohne Feststellungsantrag wird die Verjährung für
solche Teile des Vorschussanspruchs gehemmt, die nicht beziffert sind. C.
Kontext der Entscheidung Dass Erstgericht und Berufungsgericht allerdings angesichts der seit langen Jahren gefestigten Rechtsprechung des BGH zu abweichenden Auffassungen gekommen sind und die Verjährung des nicht bezifferten Teils des Vorschussanspruchs mangels Erhebung einer Feststellungsklage bejaht haben, erscheint zunächst überraschend. Es ist allerdings bei Lektüre der Literatur nachvollziehbar: So bestätigen Werner/Pastor (Der Bauprozess, 12. Aufl. 1999) eindeutig, dass nach altem Recht eine Feststellungsklage zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung entbehrlich war, führen allerdings aus, dass für das neue Recht sorgfältig überwacht werden solle, wann die Hemmung einer auf Zahlung eines Vorschusses gerichteten Klage beendet ist, sofern auf die Erhebung eines zusätzlichen Feststellungsklage hinsichtlich weiterer Kostenvorschussansprüche verzichtet wird. Vielleicht hat die Mahnung dieses – zu den führenden Werken im Baurecht gehörenden – Handbuchs die Instanzgerichte zu der Überzeugung gebracht, dass im neuen Recht eine Abweichung gegenüber der alten Regelung zu sehen sei, so dass die Instanzgerichte die Verjährungseinrede als begründet angesehen haben. Eine Veränderung der Rechtslage ist allerdings den Vorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes nicht zu entnehmen: Die Natur des Vorschussanspruchs für die Beseitigung des Mangels (§ 637 Abs. 3 BGB n.F. gegenüber § 633 Abs. 3 BGB a.F.) hat sich nicht geändert. Es ist deshalb nicht überraschend, dass der BGH auch für die Neuregelung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes an der bisherigen Rechtsprechung festhält. D.
Auswirkungen für die Praxis |