jurisPR-BGHZivilR 8/2012 Anm. 1

Vergütungspflichtige Beauftragung zur Mängelbeseitigung?

Anmerkung zu BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 08.03.2012 - VII ZR 177/11
von Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, RA BGH

Leitsatz
Hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer entgeltlich die Reparatur solcher Leistungen in Auftrag gegeben, die dieser bereits erbracht hat und die von einem Drittunternehmen vor der Abnahme beschädigt worden sind, entfällt die Vergütungspflicht für diesen Auftrag nicht bereits deshalb, weil der Auftragnehmer möglicherweise noch die Vergütungsgefahr trug. Es muss vielmehr im Wege der Vertragsauslegung ermittelt werden, ob der Auftraggeber bereit war, trotz dieses Umstandes und unter Berücksichtigung aller sonstigen dem Reparaturauftrag zugrunde liegenden Umstände, eine Vergütungspflicht zu begründen (Fortführung von BGH, Urt. v. 26.04.2005 - X ZR 166/04 - BauR 2005, 1317 = NZBau 2005, 453).

A. Problemstellung
In der Praxis kommt es häufig vor, dass ein Unternehmer nach Fertigstellung seiner Leistungen, ggf. aber noch vor Abnahme, mit Ausbesserungsarbeiten beauftragt wird. Dann stellt sich die Frage, ob es sich um Maßnahmen der Mängelbeseitigung handelt, die der Unternehmer ohnehin schuldet oder ob ein neuer vergütungspflichtiger Auftrag erteilt worden ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin – Unternehmerin – wird von der Beklagten mit der Verlegung von PVC-Boden in einem mehrstöckigen Seniorenzentrum beauftragt. Vor der Verlegung weist sie auf Bedenken gegen die Restfeuchte des Estrichs hin. Nach diesem Bedenkenhinweis entlässt die Beklagte die Klägerin aus der Gewährleistung für Blasen- und Beulenbildung, die auf zu hohe Estrichfeuchte zurückgehen.

Nach Durchführung der Verlegungsarbeiten, jedoch vor Abnahme, wird der verlegte PVC von einem Unternehmen gereinigt, wobei jedenfalls das gesamte Obergeschoss kurzzeitig unter Wasser steht. In der Folge zeigt sich Blasenbildung an dem PVC-Belag. Es lässt sich nicht mehr aufklären, inwieweit die Blasenbildung auf die ohnehin vorhandene Estrichrestfeuchte und/oder auf die Wasserbelastung durch die Endreinigung zurückzuführen ist.

Der Bauleiter der Beklagten erteilt der Klägerin den Auftrag, die Reparaturarbeiten an dem verlegten PVC-Boden durchzuführen, und zwar auf der Basis einer Stundenlohnvereinbarung. Der Bauherr genehmigt die vom Bauleiter getroffene Absprache.
Die Klägerin macht ihren Werklohn geltend. Sie obsiegt in erster und zweiter Instanz.

Das Berufungsgericht spricht ihr die Vergütung auf Grund eines vom ursprünglichen Werkvertrag losgelösten eigenständigen Werkvertrags nach § 631 Abs. 1 BGB zu. Es handele sich nicht um Mangelbeseitigungsarbeiten. Weil die Beklagte die Klägerin von Gewährleistungsansprüchen wegen baubedingter Restfeuchte im Estrich freigestellt habe, habe die Klägerin für die aufgetretenen Blasen nicht schon nach dem Ursprungsauftrag einzustehen. Ein Fall der Doppelbeauftragung liege nicht vor.

Zwar sei der Auftragnehmer wegen Erfolgsbezogenheit des Werkvertrags grundsätzlich zur Neuherstellung seines Werks verpflichtet, wenn bis zur Abnahme das Werk untergehe oder beschädigt werde (§ 644 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das scheide aber aus, wenn der Auftragnehmer nach § 4 Abs. 3 VOB/B Bedenken angemeldet habe. Deshalb unterliege die Klägerin nicht der Gewährleistungspflicht für Mängel, die auf anfängliche zu hohe Estrichfeuchte und fehlende Verlegereife zurückzuführen seien.

Soweit die Blasenbildung auf den Reinigungswasserschaden zurückgehe, verbleibt es – so das Berufungsgericht – zwar bei der Erfüllungsverpflichtung der Klägerin, weil diese bis zur Abnahme die Gefahr für ihr Werk trägt (§ 644 BGB). Jedoch befinde sich die Klägerin insoweit in Beweisnot. Sie könne nämlich nicht den Nachweis erbringen, dass die einzelnen Fehlerstellen durch die anfängliche Restfeuchte im Estrich entstanden seien mit der Folge, dass sie – wegen des insoweit vorliegenden Haftungsverzichts des Bauherren – entlastet wäre. Der Umstand, dass sie die Ursache nicht mehr habe klären können, gehe darauf zurück, dass die Bauherrin trotz Bedenkenanmeldung die Verlegung des PVC angeordnet habe.

Der BGH billigt diese Entscheidung im Ergebnis mit einer etwas abweichenden Begründung.

Die Parteien haben durch den zunächst vollmachtslos agierenden Bauleiter einen gesonderten Werkvertrag geschlossen (§ 177 Abs. 1 BGB), der von der Bauherrin genehmigt worden ist. Die Klägerin habe daher Werklohnansprüche für die erbrachten Leistungen aufgrund des neu abgeschlossenen Werkvertrages nach § 631 Abs. 1 BGB. Die Klägerin könne aufgrund dieses neu geschlossenen Vertrages die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstands verlangen, dass sie auch Leistungen erbracht hat, die sie aufgrund des bereits geschlossenen Vertrags möglicherweise bereits geschuldet habe.

Es gibt – so der BGH – Fälle, in denen geprüft werden muss, ob eine Vergütung für vereinbarte Werkleistung deshalb zu versagen sein kann, weil der Auftragnehmer die Werkleistung bereits auf Grund eines bestehenden Vertrages schuldet. Ist eine bestimmte Leistung aufgrund des Ursprungsvertrages zu erbringen und wird sie bezahlt, dann entsteht eine Vergütungspflicht bei einer derartigen Neubeauftragung nur dann, wenn sich der Auftraggeber damit einverstanden erklärt hat, eine zusätzliche Vergütung unabhängig davon zu zahlen, ob der Auftragnehmer die Leistung auf Grund des Ursprungsvertrags zu erbringen hat oder nicht.

Der BGH verweist auf seine grundlegende Entscheidung vom 26.04.2005 (X ZR 166/04 - BauR 2005, 1317; vgl. auch Anmerkung Quack, BauR 2005, 1320). Eine Zusatzvergütung ist danach grundsätzlich nur dann geschuldet, wenn die Leistungspflicht, auf die die Nachtragsforderung gestützt wird, nicht bereits zur vertraglich vereinbarten Leistung gehört. Anderes gilt allerdings – wie der X. Zivilsenat schon damals entschieden hat –, wenn der Auftraggeber die gesonderte Vergütungspflicht selbstständig anerkennt oder die Parteien sich gerade in Ansehung dieser Frage verglichen haben.

Der VII. Zivilsenat des BGH will sich in solchen Fällen nicht nur auf Anerkenntnis oder Vergleich über die Nachbesserung beschränken. Vielmehr geht es seiner Auffassung nach in erster Linie um die Auslegung der neuen Vereinbarung, die nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Vergleichs oder des Anerkenntnisses geprüft werden dürfe. Der Senat kann nach seiner Auffassung diese Auslegung selber vornehmen, weil keine weiteren Feststellungen zu erwarten seien.

Das Verhalten des beklagten Bauherren im Rahmen der Nachtragsbeauftragung sei dahin zu verstehen, dass in jedem Fall eine zusätzliche Vergütung für die Beauftragung mit der Beseitigung der Wasserschäden vereinbart werden sollte, ungeachtet des Umstands, dass die Klägerin dazu möglicherweise ohnehin bereits verpflichtet gewesen sein könnte. Zwar habe die Unternehmerin die Leistungsgefahr vor Abnahme getragen (§ 644 Abs. 1 Satz 1 BGB) mit der Folge, dass sie möglicherweise die Folgen der nassen Reinigung hätte beseitigen müssen. Ob die Vergütungsgefahr aber von der Klägerin zu tragen war, sei nach § 7 Nr. 1 VOB/B zu beurteilen. Daraus ergebe sich, dass die Unternehmerin die Ansprüche nach § 6 Nr. 5 VOB/B für die ausgeführten Teile der Leistungen behalte mit der Folge, dass die ausgeführten Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen sind.

Im vorliegenden Fall habe die Bauherrin möglicherweise das Risiko einer Fehlbeurteilung übernommen, indem sie nicht von vornherein darauf bestanden hat, dass die Unternehmerin den Schaden auf ihre Kosten beseitigt, sondern diese mit einer entgeltlichen Schadensbeseitigung beauftragt hat. In der konkreten Situation sei es unaufklärbar gewesen, ob die aufgetretene Blasenbildung auf die Restfeuchte des Estrichs zurückzuführen gewesen sei (davon war die Unternehmerin ja freigestellt) oder auf die zusätzliche Wasserbelastung durch Reinigung des anderen Unternehmers. Die Besonderheit der konkreten Beauftragung bestehe darin, dass beiden Parteien klar war, dass die mögliche Beseitigung im Ergebnis nicht in den Verantwortungsbereich der Unternehmerin, sondern der Bauherrin selbst bzw. der von ihr beauftragten Reinigungsfirma fiel.

Ergebnis: Die Instanzgerichte haben die Werklohnforderung mit Recht aufgrund der Nachtragsbeauftragung zuerkannt.

C. Kontext der Entscheidung
Häufig wird ein Unternehmer noch vor Abnahme und damit vor Übergang der Vergütungsgefahr nach § 7 Nr. 1 VOB/B mit Maßnahmen beauftragt, die die Beseitigung aufgetretener Schäden, meist verursacht durch Drittunternehmer, zur Folge haben. Die Entscheidung des VII. Zivilsenats macht deutlich, dass es dabei in erster Linie um eine Frage der Vertragsauslegung in Bezug auf den neu geschlossenen Werkvertrag mit dem Inhalt der Beseitigung der Schäden geht. Diesem Vertrag ist im Wege der Auslegung zu entnehmen, ob in jedem Fall eine Vergütungsvereinbarung neu geschlossen wird oder ob die Beauftragung nur der Mängelbeseitigung dienen soll und damit durch die ursprüngliche Vergütung abgegolten ist. Eine wichtige Rolle spielt bei dieser Auslegung die Frage, ob der Auftragnehmer Bedenken gegen die Ausführung in rechtswirksamer Form nach § 4 Nr. 3 VOB/B geäußert hatte und der Bauherr trotz Äußerung solcher Bedenken die Durchführung der Leistungen anordnet. Zwar kann der Auftragnehmer grundsätzlich eine bestimmte Leistung, die er nach dem Ursprungsvertrag schuldet, in der Regel nicht ein zweites Mal auf Grund einer Nachtragsvereinbarung bezahlt verlangen (so die Entscheidung des BGH v. 26.04.2005 - X ZR 166/04 - BauR 2005, 1317). Es sind allerdings nach Auffassung des VII. Zivilsenats nicht nur Fälle des Anerkenntnisses oder des Vergleichs bei Abschluss einer Nachtragsvereinbarung, in denen sich gleichwohl eine gesonderte Vergütungspflicht ergeben kann. In erster Linie ist die Nachtragsvereinbarung auszulegen. Die Auslegung kann auf Grund besonderer Umstände ergeben, dass der Auftraggeber in jenem Fall mit der Nachtragsvereinbarung eine neue eigenständige Vertragsverpflichtung begründen wollte.

D. Auswirkungen für die Praxis
Der beratende Berater des Unternehmers sollte in vergleichbaren Fällen stets darauf drängen, in der Nachtragsvereinbarung klare Indizien dafür zu verankern, dass der Auftrag unabhängig von einer möglichen Einstandspflicht des Unternehmers nach dem Ursprungsvertrag begründet wird. Eine neue Vergütungspflicht wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Ursache für die Notwendigkeit weiterer Fertigstellungsarbeiten vor Abnahme evident außerhalb des Verantwortungsbereichs des Unternehmers liegt, sei es weil er Bedenken gegen die Vorleistungen geäußert hat, sei es weil nachträgliche Einflüsse aus der Risikosphäre des Bauherren oder anderer von diesem beauftragte Unternehmer seine eigene Leistung beeinträchtigt haben.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Was die Gefahrtragungsregeln angeht, gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen § 644 BGB einerseits und § 7 VOB/B andererseits: Im Bereich des BGB trägt der Unternehmer die Gefahr bis zur Abnahme. Wird das Werk vor Abnahme zerstört oder muss neu erstellt oder nachgebessert werden, hat der Unternehmer grundsätzlich keine zusätzlichen Ansprüche, denn er trägt die Vergütungsgefahr grundsätzlich bis zur Abnahme (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. 2012, §§ 644, 645 Rn. 4). Im Bereich der VOB behält er, wenn sein Werk durch höhere Gewalt, Krieg, Aufruhren oder andere objektiv vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder zerstört wird, die Ansprüche für die ausgeführten Leistungen nach den Vertragspreisen (§ 6 Nr. 5 VOB/B). Die Regelung der VOB ist daher für den Auftragnehmer in gewissen Teilbereichen günstiger als die Gefahrtragungsregelungen des BGB.