jurisPR-BGHZivilR 7/2010 Anm. 2

Zulässigkeit einer Feststellungsklage wegen Mängeln einer Werkleistung

Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 25.02.2010, VII ZR 187/08
Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Leitsatz:
Zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage wegen Mängeln einer Werkleistung.

A. Problemstellung
In der Praxis der Instanzgerichte zeigen sich immer wieder Unsicherheiten in der Frage, ob und wann im Baurecht Feststellungsklagen zulässig und begründet sind. Gelegentlich ist eine Tendenz zu beobachten, Feststellungsklagen am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis scheitern zu lassen. Demgegenüber ist grundsätzlich darauf hinzuweisen: Die in der Materie der Bausache liegenden Schwierigkeiten rechtfertigen es, der Feststellungsklage in Baumängelprozessen einen größeren Spielraum einzuräumen (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rn. 438 ff.). Eine Feststellungsklage ist grundsätzlich zulässig, wenn der Kläger substantiiert und schlüssig vortragen kann, dass die Mängelbeseitigungskosten jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten eingegrenzt werden können. Das ist in der Praxis oft der Fall, so dass auch neben einer Teil-Leistungsklage häufig eine Feststellungsklage notwendig ist (Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 439).

Die Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 256 ZPO gegenüber der Leistungsklage ist bekannt. Schwieriger ist es, wenn es um die Frage geht: Klage auf Freistellung/Feststellungsklage. Hier sorgt die Entscheidung des VII. Zivilsenats, die sachgerecht das Rechtsschutzinteresse bei der Feststellungsklage nicht zu eng sieht, für Klärung.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Zweigniederlassung Berlin der P.-GmbH übernimmt von der Botschaft des Landes K. den Auftrag, eine Zaunanlage für die Botschaft in Berlin zu erstellen. Der Kläger wird als Subunternehmer der P.-GmbH tätig. Er beauftragt den Beklagten wiederum als Subunternehmer damit, die einzelnen Zaunelemente mit einem Korrosionsschutz zu versehen. Die Zaunanlage besteht aus 35 Zaunfeldern und Toren. Der Beklagte hat den Auftrag, die einzelnen Felder und Tore sandzustrahlen, zu grundieren und mit Pulverbeschichtung zu versehen. Nach Aufbringen des Korrosionsschutzes nimmt die P.-GmbH die Zaunanlage im Jahr 2004 gegenüber der Klägerin ab.

Im Jahr 2006 moniert die P.-GmbH Farbplatzungen und Roststellen an der Zaunanlage und fordert ihren Vertragspartner (den Kläger) zur Mängelbeseitigung auf. Der Kläger gibt die Mängelanzeige an den Beklagten weiter. Dieser verneint seine Einstandspflicht. Ein vom Kläger gegen den Beklagten eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren führt zu einem schriftlichen Gutachten und dessen Erläuterung. Danach sind die Schäden hauptsächlich auf unzureichende Haftung der organischen Beschichtung und auf unzureichende Untergrundvorbehandlung zurückzuführen. Außerdem ist die Beschichtung nicht dick genug. Das führt zu Schäden, die zunächst an einem Teil der Zaunfelder und Tore festgestellt werden. Nach Abschluss des Beweisverfahrens setzt der Auftraggeber (P.-GmbH) dem Kläger Frist zur Mängelbeseitigung. Der Kläger erkennt mit notarieller Urkunde die Verpflichtung zur Beseitigung der Mängel an und gibt sein Einverständnis zur Mängelbeseitigung durch die P.-GmbH. Diese lässt die Mängel an den Toren und Feldern 1-24 der Zaunanlage beseitigen und nimmt den Kläger für diese Kosten in Anspruch. Die Tore und Zaunfelder 25-35, die bislang keine Schäden aufweisen, werden in die Sanierung nicht einbezogen.

Im Anschluss daran verklagt der Kläger den Beklagten auf Freistellung von den Kosten der bereits erfolgten Mängelbeseitigung und auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihn bis 30.07.2010 von weiteren Schadensersatzansprüchen freizustellen, die von der P.-GmbH wegen des mangelhaften Korrosionsschutzes der Zaunfelder und Tore (25-30) geltend gemacht werden.

Das Landgericht spricht den Freistellungsanspruch zu. Die Feststellungsklage weist es als unbegründet ab, weil Gewährleistungsansprüche insoweit verjährt seien.

Auf die Berufung der Beklagten entscheidet das Berufungsgericht über die Klage auf Freistellung durch Zurückweisung als unbegründet, auf die Berufung des Klägers über die Feststellungsklage als unzulässig. Gegen Letzteres richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Seine Auffassung, dass der Feststellungsantrag unzulässig sei, begründet das Berufungsgericht so: Mögliche Schäden an den Tor- und Zaunfeldern 25-30 seien noch gar nicht festgestellt. Die vom Kläger vorgetragene Besorgnis, es könnten an diesen Zaunfeldern künftig Schäden entstehen, reiche nicht aus. Ein Feststellungsurteil, das nur die Verpflichtung zum Ausgleich künftiger Schadensfolgen (ohne bisherige Bezeichnung eines konkreten Mangels) enthalte, könne nicht erlassen werden. Der Klage fehle nicht nur der sachlich-rechtliche Anspruchsgrund. Der Kläger habe auch nicht ausreichend vorgetragen zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Rechtsverhältnisses, das Gegenstand der Feststellungsklage sein könne. Deswegen fehle der Klage auch das Rechtsschutzbedürfnis. Dem Kläger sei zuzumuten, den Eintritt eines Schadens innerhalb der Verjährungsfrist abzuwarten und sodann Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Trete der Schaden erst nach Ablauf der Verjährungsfrist auf, bestehe der Anspruch ohnehin nicht.

Der BGH hebt das Urteil auf. Er hält die Feststellungsklage für zulässig. Zu Unrecht stütze das Berufungsgericht sich auf eine frühere Entscheidung des VII. Zivilsenats (BGH, Urt. v. 26.09.1991 - VII ZR 245/90 - BauR 1992, 115). Dort hatte der BGH eine Feststellungsklage für unzulässig gehalten, die auf Feststellung gerichtet war, dass ein Bauunternehmer Schadensersatz für Mängel an einem Bauwerk zu leisten hat, die bisher nicht in Erscheinung getreten sind. Die dortigen Kläger hatten lediglich die Besorgnis vorgetragen, es seien möglicherweise noch weitere Mängel vorhanden. Damit – so seinerzeit der BGH – war der Richter nicht in die Lage versetzt, über konkrete Mängel auch nur im Wege der Feststellung zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall sieht der BGH das anders: Der Kläger hat sich wegen der Mängel auf das im selbstständigen Beweisverfahren eingeholte Gutachten berufen. Dieses hat konstruktive Mängel der Beschichtung des Zauns und insbesondere eine nicht ausreichende Beschichtungsdicke festgestellt. Das führe unweigerlich zu Schwachstellen in der organischen Beschichtung und damit zu einer Verkürzung der Lebensdauer des bearbeiteten Zauns.

Die insoweit im Beweisverfahren festgestellte Schadensentwicklung bei den Zaunfeldern und Toren 1-24 gehe auf mangelhafte Untergrundvorbereitung und auf zu geringe Dicke der Beschichtung zurück. Daraus lasse sich ohne Weiteres – mindestens was die Dicke des Auftrags angeht – auf eine entsprechende Situation der Zaunfelder und Tore 25-35 schließen, die in der gleichen Weise bearbeitet worden sind.

Der BGH bejaht das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Er lässt in der besprochenen Entscheidung dahinstehen, ob für dieses Interesse die Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreicht oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit hierfür gegeben sein muss (für die erste Auffassung BGH, Beschl. v. 09.01.2007 - VI ZR 133/06 - NJW-RR 2007, 601, für die zweite BGH, Urt. v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03 - BGHZ 166, 84). Im konkreten Fall bejaht der VII. Zivilsenat die Wahrscheinlichkeit des entsprechenden Schadenseintritts auch für die noch nicht begutachteten Zaunfelder und Tore.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil dem Kläger zuzumuten sei, den Eintritt des Schadens abzuwarten und erst dann Gewährleistungsansprüche geltend zu machen, kritisiert der BGH scharf. Diese Auffassung sei nicht nachvollziehbar. Es gebe keinen ersichtlichen Grund dafür, warum es dem Kläger zuzumuten sein soll, den Eintritt des Schadens sogar über den Ablauf der Verjährungsfrist hinaus abzuwarten. Das Berufungsgericht verkenne eklatant die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach schon mit Rücksicht auf eine drohende Verjährung das Feststellungsinteresse nicht verneint werden könne (BGH, Urt. v. 20.03.2008 - IX ZR 104/05 - NJW 2008, 2647, m.w.N.; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.01.1972 - V ZR 20/71 - VersR 1972, 459, 460; BGH, Urt. v. 07.04.1952 - III ZR 194/51 - NJW 1952, 741; Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl., § 256 Rn. 8a).

Ebenso deutlich kritisiert der BGH die Auffassung des Berufungsgerichts (Rn. 14), das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil der Kläger „Gewährleistungsrechte geltend machen könne“. Soweit das Berufungsgericht davon ausgehe, der Kläger könne Leistungsklage erheben und es fehle deshalb am Feststellungsinteresse, trifft das nach Auffassung des BGH nicht zu. Eine Zahlungsklage ist nämlich auch dann nicht möglich, wenn der Freistellungsanspruch schon in einen Zahlungsanspruch übergegangen ist, weil die Schadenshöhe nicht feststeht. In solchen Fällen hat die Freistellungsklage keine andere Wirkung als die Feststellungsklage. Beide haben keinen vollstreckungsfähigen Inhalt (BGH, Urt. v. 30.03.2000 - IX ZR 53/99 - NJW 2000, 2814). Deshalb kann – so der VII. Zivilsenat – das Feststellungsinteresse in einem solchen Fall nicht verneint werden.

Der BGH hebt das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers auf und verweist an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

C. Kontext der Entscheidung
Die für die Baupraxis und das Baurecht wichtige Entscheidung stellt noch einmal klar: Ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann und ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung i.S.d. § 256 ZPO können nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, die Mängel hätten sich an bestimmten Teilen, die der Handwerker bearbeitet, noch nicht gezeigt. Wenn es um konstruktive Mängel geht, die an einer Stelle auftreten, dann reicht das für einen Feststellungsantrag auch aus hinsichtlich gleich bearbeiteter Teile, bei denen die Mängel entweder noch nicht aufgetreten oder nicht festgestellt worden sind. In solchen Fällen muss eine Feststellungsklage zulässig sein. Erforderlich ist nur, dass ein Schadenseintritt möglich oder jedenfalls wahrscheinlich ist.

Der VII. Zivilsenat entscheidet im vorliegenden Fall nicht, ob die bloße Möglichkeit ausreicht oder eine Wahrscheinlichkeit für die Zulässigkeit der Feststellungsklage erforderlich ist. Seine Argumentation erweckt aber den Eindruck, dass er wohl eher auf Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts abstellen will, wie das der XI. Zivilsenat des BGH tut (BGH, Urt. v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03 - NJW 2006, 830). Wahrscheinlichkeit hatte der VII. Zivilsenat auch in der älteren Entscheidung vom 26.09.1991 (VII ZR 245/90 - BauR 1992, 115) für erforderlich gehalten.

D. Auswirkungen für die Praxis
Für die Baupraxis ist die Entscheidung von großer Bedeutung, weil sie der gelegentlich bei Instanzgerichten zu beobachtenden engen Betrachtungsweise bei Feststellungsklagen Grenzen setzt. Nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats sind Feststellungsklagen in Bezug auf die Schadensfolge von Mängeln, die zunächst nur an einzelnen konstruktiv gleichen Teilen festgestellt worden sind, großzügiger zuzulassen. Das entspricht letztlich auch systematisch konsequent der Symptomrechtsprechung, die im Zusammenhang mit Mängelrügen die Anforderungen an die Ursache von Mängeln nicht überspannt, sondern Darlegung und Beweise in Bezug auf bestimmte Mängelerscheinungen ausreichen lässt. Die Symptomrechtsprechung hat auch Bedeutung für gleichartig bearbeitete Bauteile, bei denen zunächst nur an einigen Mängel festgestellt wurden. Gerade bei Systemfehlern genügt es, auf einzelne Stellen der Bauleistung zu verweisen (zur Symptomrechtsprechung Merl, Handbuch des privaten Baurechts, 4. Aufl., § 15 Rn. 369, m.w.N.). So umfasst beispielsweise die Aufforderung, Mängel an Reihenhäusern zu beseitigen, auch die übrigen Reihenhäuser, selbst wenn ein symptomatischer Mangel nur an einem von mehreren gleichartigen Reihenhäusern festgestellt wurde (BGH, Urt. v. 26.02.1987 - VII ZR 64/86 - NJW-RR 1987, 798).

Die Bejahung des Feststellungsinteresses im vorliegenden Fall in der besprochenen Entscheidung steht systematisch im Einklang mit diesen zur Symptomrechtsprechung entwickelten Grundsätzen.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der BGH hat an einen anderen Senat des OLG Dresden zurückverwiesen, vielleicht weil ihm die bisherige Behandlung durch den IX. Zivilsenat des OLG Dresden wenig überzeugend erschien (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der neue Senat des Berufungsgerichts wird auch die in den Tatsacheninstanzen angeschnittene Frage der Verjährung zu klären haben. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht das fehlende Rechtsschutzbedürfnis auf eine geradezu zynisch anmerkende Begründung gestützt: Dem Kläger sei zuzumuten, den Eintritt eines Schadens innerhalb der Verjährungsfrist abzuwarten. Wenn der Schaden ohnehin erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eintrete, bestehe der Anspruch sowieso nicht. Mit anderen Worten: In diesem Fall hat der Kläger eben Pech gehabt. Gerade die Situation auch eines möglichen Verjährungseintritts soll aber die Feststellungsklage gerade vermeiden.
Zu klären sein wird in den Tatsacheninstanzen dann auch, ob die Verjährungsfrist zwei Jahre nach § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB oder fünf Jahre nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB beträgt. Ohne dass der BGH sich hier festlegt, macht er doch deutlich, dass mehr für die fünfjährige Verjährungsfrist spricht (Rn. 18).

Schließlich wird das Berufungsgericht sich noch mit Tatsachenfragen zu befassen haben, die zusammenhängen mit der Hemmung der Verjährung durch Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens, durch Prozesskostenhilfeantrag und weiter mit dem Ende der Hemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 7, Nr. 14 und Abs. 2 BGB), sowie mit der Frage, ob eine Mängelbeseitigung durch die Beklagte endgültig abgelehnt worden ist oder nicht. Dafür kann auch das Verhalten im Prozess eine Rolle spielen.

Die besprochene Entscheidung zitiert hierfür allerdings fälschlich BGH, Urt. v. 05.12.2002 - VII ZR 344/01 - BauR 2002, 1487. Datum, Aktenzeichen und Fundstelle stimmen nicht überein.

Eine Entscheidung (VII ZR 344/01) datiert vom 12.09.2002 und findet sich in NJW-RR 2003, 13. Die andere Entscheidung (VII ZR 360/01) stammt vom 05.12.2002 und ist abgedruckt in NJW 2003, 580. Sie bestätigt ausdrücklich, dass das Verhalten des Unternehmers im Prozess (dort Klageerwiderung) für die Verweigerung der Mangelbeseitigung herangezogen werden kann.