NJW 1988, 2611

Beweislastumkehr bei Vorliegen von Produktfehlern
mit Anmerkung von RA Dr. Ekkehart Reinelt, München
BGB § 823, ZPO § 282

1. Für den Beweis, daß ein Produktfehler im Verantwortungsbereich des Herstellers entstanden ist, kann unter besonderen Umständen zugunsten des Geschädigten eine Beweislastumkehr in Betracht kommen, wenn der Hersteller aufgrund der ihm im Interesse des Verbrauchers auferlegten Verkehrssicherungspflicht gehalten war, das Produkt auf seine einwandfreie Beschaffenheit zu überprüfen und den Befund zu sichern, er dieser Verpflichtung aber nicht nachgekommen ist.
2. Zu den Voraussetzungen für eine derartige Befundsicherungspflicht des Herstellers (hier: Wiederverwendung von Mehrweg-Limonadenflaschen).

BGH, Urteil v. 07.06.1988 - VI ZR 91/87 (Frankfurt)

Zum Sachverhalt: Die Bekl. stellt kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke her, die sie in Einheits-Mehrwegflaschen der Genossenschaft D abfüllt und u. a. unter der Bezeichnung F in den Handel bringt. Die Eltern des damals drei Jahre alten Kl. bezogen am 5. 9. 1981 bei dem Getränkehändler F einen aus der Produktion der Bekl. stammenden Kasten Limonade. Als der Kl. zwei Tage später im Keller des Wohnhauses der Eltern eine Flasche Limonade aus dem Getränkekasten nahm, zerbarst diese. Der Kl. verlor durch die Glassplitter sein rechtes Auge und büßte einen Teil der Sehkraft des linken Auges ein. Die Glasreste wurden nach dem Unfall nicht sichergestellt. Der Kl. hat die Bekl. auf Zahlung eines Teilschmerzensgeldes in Höhe von 6000 DM in Anspruch genommen.Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat sie abgewiesen und auf die im Berufungsrechtszug erhobene Widerklage der Bekl. festgestellt, daß dem Kl. keine Ansprüche aus dem Unfallgeschehen gegen die Bekl. zustehen. Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das BerGer. hält nicht für bewiesen, daß die Limonadenflasche bereits fehlerhaft war, als die Bekl. sie in den Verkehr gebracht hat. Der fehlende Nachweis geht nach Auffassung des BerGer. zu Lasten des Kl. Es hat hierzu im wesentlichen ausgeführt:

Die von der Rechtsprechung für die Produzentenhaftung entwickelte Beweislastumkehr erstrecke sich weder auf die Fehlerhaftigkeit des Produkts noch auf die haftungsbegründende Kausalität zwischen Fehler und Schaden, sondern beziehe sich ausschließlich auf das Verschulden. Auch die Beweiserleichterungen nach den Regeln des Anscheinsbeweises kämen nicht zur Anwendung. Zwar scheide unsachgemäßes Hantieren durch den Kl. aus. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei vielmehr entweder ein zu hoher Innendruck infolge zu geringer Befüllung der Flasche oder ein bereits vorhandener Riß im Glas, der durch eine geringe Erhöhung des Innendrucks infolge der Bewegung des Füllguts bei der Entnahme der Flasche aus dem Kasten zum Bruch der Flasche geführt habe, als Unfallursache anzunehmen. Jedoch könne nicht ausgeschlossen werden, daß eine Beschädigung der Flasche, wie sie hier als auslösender Faktor für das Zerbersten der Flasche in Betracht komme, erst verursacht worden sei, nachdem sie von der Bekl. letztmalig in den Verkehr gebracht worden sei. Somit befände sich der Kl. zwar in der typischen Beweisnot eines Verbrauchers, der durch ein Produkt aus einer längeren Herstellungs- und Vertriebskette Schaden nehme. Beweiserleichterungen könnten dem Geschädigten indes in diesen Fällen für den Kausalitätsnachweis nicht zugute kommen. Das liefe auf eine dem geltenden Recht fremde Gefährdungshaftung des Herstellers hinaus, da auch dieser den Gegenbeweis praktisch nicht führen könne.

II. Die Ausführungen des BerGer. halten einer rechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Das BerGer. zieht ersichtlich eine Haftung der Bekl. nur für den Fall in Betracht, daß die beiden nach den Feststellungen des Sachverständigen für das Zerbersten der Limonadenflasche in Frage kommenden Ursachen - ein überhöhter Innendruck infolge zu geringer Befüllung oder eine Rißbeschädigung im Hohlglas - schon bei Inverkehrgabe der Flasche durch den Bekl. vorgelegen haben. Damit wird der haftungsrechtliche Ansatz von dem BerGer. zu sehr verkürzt. Im gegenwärtigen Verfahrensstand ist nicht auszuschließen, daß die Bekl. für das Zerbersten der Limonadenflasche jedenfalls mit einer Intensität, wie sie hier zu so schweren Verletzungen führt, als Herstellerin auch dann verantwortlich ist, wenn die unmittelbare Ursache dafür ein Haarriß gewesen ist, der erst nach ihrer Inverkehrgabe durch die Bekl. auf dem Vertriebsweg zu dem Kl. im Glas aufgetreten ist. In diesem Fall käme es auf die von dem BerGer. in den Mittelpunkt gestellte Frage nach der Beweislast für das Vorliegen oder Fehlen der erwähnten Mängel im Zeitpunkt der Inverkehrgabe der Flasche nicht an.

a) Als Herstellerin der kohlensäurehaltigen Limonade ist die Bekl. nach Deliktsgrundsätzen verpflichtet, in den Grenzen des technisch Möglichen und ihr wirtschaftlich Zumutbaren dafür zu sorgen, daß der Verbraucher durch ihr Erzeugnis keine Gesundheitsschäden erleidet. Dazu gehört nicht nur die Sorge für die Verträglichkeit des von ihr hergestellten Getränks; vielmehr ist sie auch dafür verantwortlich, daß die Behältnisse, in denen sie ihre Limonade in den Handel gibt, nicht zu Verletzungen führen, sei es beim Verbraucher, sei es bei anderen mit dem Transport befaßten Personen (vgl. Senat, VersR 1967, 498 - Plastikmassebehälter; BGH, NJW 1976, 1353 = VersR 1976, 882 - Batterie). Das gilt auch für die Gefahr des Explodierens der von der Bekl. für ihr Produkt gewählten Glasflasche infolge eines Materialfehlers oder zu hohen Innendrucks, das - wie der Streitfall zeigt - zu schwersten Verletzungen führen kann. Derartige Unfälle sind zwar gemessen an dem hohen Getränkeumsatz und der Gebräuchlichkeit derartiger Limonadenflaschen - auch als Einheits-Mehrwegflaschen - selten; sie kommen aber, wie die Gerichtspraxis zeigt und der Sachverständige bestätigt hat, immer wieder vor und sind der Getränkeindustrie seit langem als spezifisches Produktrisiko bekannt.

Diesem Risiko hat die Bekl. im Rahmen des technisch Möglichen und ihr wirtschaftlich Zumutbaren zu begegnen. Ihre Verantwortlichkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß sie neben gebrauchten Flaschen, die sie für die Neubefüllung aufbereitet, von der Genossenschaft D bezogene fabrikneue Glas-Mehrwegflaschen zur Abfüllung der Limonade verwendet. Auch hinsichtlich dieser Neuflaschen übernimmt sie mit der Verwendung die Produktverantwortung; auch insoweit hat sie deshalb dafür zu sorgen, daß die Flaschen bei ihrer Auslieferung den Anforderungen von Transport und bestimmungsgemäßem Gebrauch durch den Abnehmer genügen. Es handelt sich bei der Bekl. auch nicht um einen reinen Abfüllbetrieb, für den die Verantwortlichkeit für die Verwendung der Flaschen anders zu beurteilen sein kann (vgl. Senat, VersR 1978, 550). Sie entscheidet über die Zusammensetzung des Getränks, insbesondere über die den Innendruck bestimmende Kohlensäurevernetzung, sowie über Art, Bezug und Verwendung des gewählten Verpackungsmaterials. Deshalb trägt sie nicht nur die Verantwortung dafür, daß Material und Innendruck, unter dem die Flaschen nach der Befüllung stehen, aufeinander abgestimmt sind, sondern auch dafür, daß die Flaschen nach ihrer Beschaffenheit denjenigen Beanspruchungen durch Handel und Verbraucher, mit denen gerechnet werden muß, gewachsen sind. Mängel, die nach den Feststellungen des Sachverständigen hier für die Augenverletzungen des Kl. in Frage stehen, sind von der Bekl. nach Möglichkeit durch geeignete Fertigungsmethoden und Kontrollen auszuschließen.

b) Dabei muß die Bekl. in Rechnung stellen, daß die Flaschen, selbst wenn sie im Zeitpunkt der Auslieferung aus dem Herstellerbetrieb unbeschädigt sind, auf dem Weg zu dem Verbraucher ihre Berstsicherheit durch Beschädigung des Glases verlieren können. Denn Einwirkungen wie Stoß, Druck, Hitze, Kälte u. ä. muß das Produkt nicht nur bei normalem, d. h. bestimmungsgemäßem Gebrauch gewachsen sein, sondern solche Flaschen müssen auch dem vorhersehbaren üblichen Umgang standhalten (vgl. OLG Frankfurt, VersR 1985, 890; Borer, Produktehaftung, 1986, S. 26). Allerdings kann von dem Hersteller nicht verlangt werden, für alle Fälle eines unsorgfältigen Umgangs mit der Getränkeflasche Vorsorge zu treffen. Die Grenze für die ihn treffende Gefahrenvorsorge wird dann überschritten, wenn der unsachgemäße Umgang außerhalb des üblichen Erfahrungsbereichs liegt. In Rechnung stellen muß aber die Bekl. nicht nur die oft erhebliche Länge des Weges bis zu dem Verbraucher und die zeitliche Dauer bis zum Verzehr des Getränks und die damit verbundenen Unwägbarkeiten der Beanspruchung der Flaschen, sondern auch den sehr großen Kreis einer Verbraucherschaft ganz unterschiedlicher Zusammensetzung. Sie kann nicht damit rechnen, daß bei Transport und Lagerung mit den Flaschen stets in verständiger, schonender Weise umgegangen wird.

c) Freilich kann der Bekl. nicht vorgeworfen werden, daß sie überhaupt für ihre Limonade Mehrwegflaschen aus Glas verwendet, für die eine Verletzungsgefahr insbesondere bei unvorsichtigem Umgang von Handel oder Verbraucherschaft nie ganz ausgeschlossen werden kann. Grundsätzlich kann die Bekl. den Schutz vor den Verletzungsgefahren von Glasbruch der Selbstvorsorge des Verwenders überlassen, schon weil dieser ebenfalls die normalen Risiken des Materials in Rechnung stellen kann. Gleiches kann aber nicht für das Risiko eines explosionsartigen Zerberstens der Flasche gelten, wie es sich hier verwirklicht hat. Der durchschnittliche Verbraucher rechnet mit dieser Gefahr nicht; auch ein entsprechender Hinweis auf der Flasche dürfte die Verbrauchererwartung in dieser Hinsicht nicht nachhaltig verändern. Er kann sich vor ihr, wenn die Flasche schon vorgeschädigt ist oder unter zu hohem Innendruck steht, im allgemeinen auch nicht durch vorsichtiges Hantieren schützen. Die schweren Verletzungen, die gerade wegen des explosiven Zersplitterns des Glases eintreten können, stehen außer jedem Verhältnis zu den Belastungen, die dem Verbraucher im Umgang mit einem Produkt als sein allgemeines Lebensrisiko zugemutet werden können. Allerdings spricht nach den bisher in den Rechtsstreit eingeführten Daten viel dafür, daß - gesehen auf die große Zahl der von den Getränkeherstellern kohlensäurehaltiger Getränke benutzten Mehrwegflaschen derselben Beschaffenheit - Unfälle mit wegen einer Vorschädigung im Glas zerplatzenden Flaschen sehr selten sind, so daß nicht schon wegen des generellen Gefahrenpotentials von Mehrwegflaschen rechtliche Bedenken gegen ihre Zulässigkeit bestehen. Andererseits können die spezifischen Risiken eines explosionsartigen Zerberstens nicht schon deshalb vom Hersteller unbeachtet gelassen werden; dazu sind die Folgen zu schwer. Vielmehr muß der Getränkehersteller als verpflichtet angesehen werden, im Rahmen des ihm wirtschaftlich Zumutbaren und technisch Möglichen - sei es, was der Sachverständige im Streitfall angedeutet hat, durch ein wesentliches Herabsetzen des Vernetzungsdruckes, sei es durch eine weniger bruchgefährliche Gestaltung der Flasche, durch einem Überdruck vorbeugende Verschlüsse oder andere Maßnahmen - solche spezifische Gefahren mit ihren schweren Verletzungen möglichst auszuschalten.

d) Für den Streitfall bedeutet das, daß das BerGer. zunächst der Frage nachzugehen hat, ob und inwieweit die Bekl. in dem hier maßgeblichen Zeitraum, in dem die Flasche von ihr in den Verkehr gegeben worden ist, derartige Vorkehrungen gegen ein explosionsartiges Zerbersten ihrer Flaschen im Falle einer Vorschädigung ihres Glases - sei es auch erst auf dem Transport zum Verbraucher - zugemutet werden konnten. Bei der Beurteilung des wirtschaftlich Zumutbaren werden u. a. die Verbrauchergewohnheiten und die Absatzchancen für ein entsprechend verändertes Produkt zu berücksichtigen sein, andererseits aber auch der Umstand, daß den wirtschaftlichen Gesichtspunkten elementare Sicherheitsbedürfnisse des Verbrauchers gegenüberstehen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer solchen Fertigung, die das explosive Bersten von Limonadenflaschen ausschließt, und die dahingehende Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Bekl. trifft den Kl., ohne daß ihm hier Beweiserleichterungen zugute kämen. Sollte das BerGer. zu dem Ergebnis kommen, daß auf diese Weise derartige Explosionsrisiken von der Bekl. bereits damals ausgeschlossen werden konnten und daß sich die Bekl. diesen Möglichkeiten trotz des in der Branche seit langem bekannten Risikos fahrlässig verschlossen hat, so steht damit fest, daß sie für die Verletzungen des Kl. verantwortlich ist, auch wenn die Flasche nicht wegen eines überhöhten Innendrucks infolge zu geringer Befüllung, sondern wegen einer Beschädigung des Glases, sei es auch erst auf dem Transport zum Verbraucher, zerborsten ist.

2. Nur wenn eine Verpflichtung der Bekl. zu derartigen Vorkehrungen für einen Ausschluß des vorgenannten Risikos für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Inverkehrgabe der Flasche zu verneinen wäre, käme es für eine Haftung der Bekl. auf die von dem BerGer. in den Mittelpunkt seiner Erörterung gestellte Frage an, ob neben der Möglichkeit eines überhöhten Innendrucks infolge zu geringer Befüllung, für die ein Fabrikationsfehler der Bekl. außer Frage stehen würde, auch die andere mögliche Schadensursache, eine Rißschädigung im Glas der Flasche, bereits im Produktionsbereich der Bekl. bestanden hat, d. h. ob die Flasche bei ihrer Inverkehrgabe schon den Mangel aufgewiesen hat, der die Explosion ausgelöst hat. Auch insoweit halten indes die Ausführungen des BerGer. den Angriffen der Revision nicht durchweg stand.

a) Ohne Verfahrensverstoß vermag das BerGer. nicht auszuschließen, daß die Limonadenflasche, um die es geht, in Ordnung gewesen ist, als sie von der Bekl. in den Vertrieb gegeben worden ist.

aa) Ohne Erfolg beruft sich die Revision für den Nachweis, daß der zum Bruch der Flasche führende Fehler bereits im Zeitpunkt ihres Inverkehrbringens vorlag, auf die Regeln des Anscheinsbeweises. Der Kl. sieht die Typizität des Geschehensablaufs, die Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Beweiserleichterung ist und die grundsätzlich auch für den Nachweis eines Produktfehlers in Betracht kommt (vgl. Senat, VersR 1958, 107 - Betondecken und VersR 1987, 587 - Putenfutter) zum einen darin, daß es bei von der Bekl. vertriebenen Limonadenflaschen - wie auch bei Limonaden- und Sprudelflaschen anderer Hersteller - in der Vergangenheit wiederholt zu ähnlichen Unfällen gekommen sei, die Bekl. jedoch keine Vorsorge für eine ausreichende Kontrolle der von ihr in den Verkehr gegebenen Flaschen getroffen habe; zum anderen hält der Kl. die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises deswegen für gegeben, weil die Bekl. eine ernsthafte Möglichkeit der Beschädigung der Limonadenflasche nach Verlassen ihres Betriebes weder dargetan noch bewiesen habe. Wie der Senat wiederholt ausgeführt hat (vgl. zuletzt Senat, VersR 1987, 587 m. w. Nachw.), helfen die Regeln des Anscheinsbeweises dann nicht, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß der gefahrbringende Zustand erst entstanden ist, nachdem das Produkt den Herstellungsbetrieb verlassen hat. Gegen die Ausführungen des BerGer., nach denen nicht auszuschließen ist, daß eine Schädigung der Flasche verursacht worden ist, nachdem sie von der Bekl. letztmalig in Verkehr gebracht wurde, ist nichts zu erinnern. Es bleibt die Möglichkeit, daß ein Dritter, für den der Produzent nicht einzustehen hat - wie Zwischen- oder Einzelhändler - die Limonadenflasche durch unsachgemäße Handhabung vorgeschädigt hat.

bb) Auch soweit die Revision sich darauf beruft, daß durch das schädigende Ereignis das Produkt selbst zerstört und dadurch die Ursache für Beweisschwierigkeiten im Bereich der Bekl. gesetzt worden sei, führt dies nicht zu den angestrebten Beweiserleichterungen. Von einer Beweisvereitelung durch die Bekl. kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil nicht auszuschließen ist, daß nicht die Bekl., sondern ein anderer für das Zerbersten der Flasche und die damit einhergehende Vernichtung des Beweismittels verantwortlich ist.

cc) Auch die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor allem für den Bereich der Arzthaftung zugelassene Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler hilft hier dem Kl. nicht weiter. Diese Rechtsprechung beruht darauf, daß das vom Behandlungsfehler in das Behandlungsgeschehen hineingetragene Aufklärungserschwernis darin liegt, daß das Spektrum der für den Mißerfolg in Betracht kommenden Ursachen gerade wegen der besonderen Schadensneigung des Fehlers verbreitert bzw. verschoben worden ist und wegen des groben Verstoßes der Mißerfolg der Behandlung besonders nahe liegt (vgl. Senat, BGHZ 85, 212 = NJW 1983, 333 = VersR 1982, 1193 m. w. Nachw.). An einer mit einem groben Behandlungsfehler vergleichbaren Situation fehlt es hier. Die Wiederverwendung gebrauchter Limonadenflaschen ohne ausreichende Kontrolle auf Vorschädigung stellt sich nicht als solch elementarer Fehler dar, daß schon aus diesem Grunde Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr gerechtfertigt wären. Denn immerhin hat die Bekl. nach den Feststellungen des BerGer. eine gewisse Auslese dadurch getroffen, daß sie die Getränkeflaschen unter einen Vorspanndruck von 6,0 bar gebracht hat.

b) Kommt es deshalb im Streitfall darauf an, welche Partei mit den Nachteilen der Nichtaufklärbarkeit der genauen Fehlerursache und des Zeitpunkts ihres Entstehens belastet ist, dann ist dem BerGer. im Ausgangspunkt zwar darin zu folgen, daß es grundsätzlich Sache des Kl. ist, nicht nur den Fehler des Produkts und seine Ursächlichkeit für den Verletzungsschaden, sondern auch zu beweisen, daß der in Frage stehende Produktmangel aus dem Herstellerbereich stammt, der von der Bekl. zu verantworten ist. Eine Erstreckung der Grundsätze zur Beweislastumkehr für das Verschulden auf den objektiven Zurechnungszusammenhang ist bisher stets abgelehnt worden (vgl. zuletzt Senat, VersR 1987, 587 und VersR 1983, 375 - Muscheln II - m. w. Nachw.; Baumgärtel, JA 1984, 667; Brüggemeier, WM 1982, 1330; Diederichsen, VersR 1984, 797; Lorenz, AcP 170, 380; Kullmann-Pfister, Produzentenhaftung, Kennzahl 1526 I 2 b, IV 3 a aa 1; Mertens, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 823 Rdnr. 308; a. A. OLG Frankfurt, VersR 1980, 144 und Loewenheim, NJW 1969, 1756). Eine generelle Beweislastumkehr würde die Deliktshaftung des Herstellers zu einer Erfolgseinstandshaftung machen, für die es einer besonderen materiellrechtlichen Legitimierung bedarf.

Indes folgt daraus nicht, daß Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr für die Zuordnung eines schädlichen Produktfehlers im Herstellerbetrieb stets auszuschließen sind, wie das BerGer. annimmt.

Die Einwände gegen eine vom Hersteller zu entkräftende Kausalitätsvermutung verlieren u. a. dann ausnahmsweise weithin an Gewicht, wenn der festgestellte Mangel des Produkts typischerweise aus dem Bereich des Herstellers stammt, dieser gerade deshalb - und weil er zur Vermeidung schwerer Schadensfolgen ein derartiges Risiko nach Möglichkeit auszuschließen hat - zum Schutz des Verbrauchers verpflichtet ist, sich über das Freisein des Produkts von solchen Mängeln vor Inverkehrgabe zuverlässig zu vergewissern, und der Geschädigte nachgewiesen hat, daß der Hersteller diese Statussicherung über den mangelfreien Zustand des Produkts nur unzureichend vorgenommen hat. In einem derartigen Falle wird die materielle Pflichtenstellung nicht wesentlich zu Lasten des Herstellers verändert, wenn er - sozusagen in Fortführung seiner Pflicht zu der von ihm versäumten "Statussicherung" - nachweisen muß, daß der Mangel erst nach Inverkehrgabe des Produkts durch ihn entstanden ist. Er würde sich treuwidrig verhalten, wenn er sich im Prozeß zu seiner Entlastung auf das Fehlen von Daten für den Zeitpunkt der Inverkehrgabe des Produkts berufen könnte, um die sich zu sorgen ihm zum Schutz des Verbrauchers materiellrechtlich gerade aufgegeben war.

aa) Mit der Eröffnung einer solchen Möglichkeit der Beweislastumkehr beim Kausalitätsnachweis auch im Bereich der Produzentenhaftung knüpft der Senat an von ihm bisher schon entwickelte Grundsätze für Beweiserleichterungen im Deliktsrecht an. Dabei wird davon ausgegangen, daß nicht jede Pflichtwidrigkeit, die zur Unaufklärbarkeit des Schadenshergangs führt, schon dem Schädiger anzulasten ist. Eine allgemeine Regel, daß das Aufklärungsrisiko demjenigen voll zur Last fällt, der es durch seine Pflichtwidrigkeit geschaffen hat, läßt sich nicht halten (vgl. Senat, NJW 1984, 432 = VersR 1984, 40 (41) und BGHZ 61, 118 (121) = NJW 1973, 1688; Gottwald, Karlsruher Forum 1986, S. 16). Würde sich ein von der Bekl. zu verantwortendes Unterlassen ausreichender Kontrolle der wiederverwendeten gebrauchten Getränkeflaschen auf Berstsicherheit lediglich als Verletzung ihrer allgemeinen Verkehrspflicht darstellen, ein Produkt herzustellen, das ohne Schaden für die Gesundheit verwendet werden kann, so bestünde kein Anlaß, dem Kl. als Geschädigten allein wegen dieses Verstoßes der Bekl. gegen die ihr obliegende Verhaltenspflicht die Beweislast für die Ursächlichkeit der unterlassenen Kontrolle an dem Unfall anzulasten (vgl. Senat, NJW 1984, 432).

bb) Anderes kann jedoch in Betracht kommen, wenn die Pflicht des Herstellers zur Gefahrenabwehr gezielt auf Erhebungen zur Aufhellung eines unklaren Zustands oder einer ungeklärten Beschaffenheit des Produkts gerichtet ist, die dem Hersteller zum Schutz der Verwender gerade deshalb aufgegeben ist, um durch eine genaue Ermittlung und Sicherung des Status sich rechtzeitig über das Freisein von Produktgefahren zu vergewissern, die typischerweise das Produkt belasten und die nach Inverkehrgabe des Produkts durch den Hersteller nicht mehr aufzudecken sind. Ist der Hersteller in diesem Sinne zur Erhebung und Sicherung der Daten über den Zustand des Produkts verpflichtet, weil er den Verwender mit einem ungeklärten Status und darin verborgenen Gefahren nicht belasten darf, dann verändert es die materielle Pflichtenstellung des Herstellers nicht, sondern bestätigt sie, wenn ihm, weil er diese Pflicht zur Statussicherung verletzt hat, im Prozeß die Beweislast dafür auferlegt wird, daß pflichtgemäße Befunderhebung im Zeitpunkt der Prüfung einen einwandfreien Zustand des Produkts ergeben haben würde. Insoweit geht es um einen vergleichbaren Interessenskonflikt wie in den Fällen, in denen dem Arzt zum Schutz seines Patienten aufgegeben ist, Befunde zu sichern, um sich rechtzeitig Klarheit über einen Krankheitszustand zu verschaffen, die zur Vermeidung gefährlicher Entwicklungen erforderlich und die nachträglich nicht mehr zu erlangen sind. Auch in diesen Fällen hat der erkennende Senat dem Arzt, der diese Befundsicherung schuldhaft unterläßt, die Beweislast für den Verlauf auferlegt, wenn dadurch die Aufklärung eines immerhin wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem ärztlichen Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden erschwert oder vereitelt wird und die Befundsicherung gerade wegen des erhöhten Risikos des in Frage stehenden Verlaufs geschuldet war (vgl. Senat, NJW 1983, 2935 = VersR 1983, 441 - Trinkwasser; BGHZ 99, 391 = NJW 1987, 1482 = VersR 1987, 1089 (1091 m. w. Nachw.) und BGH, NJW 1987, 2293 = VersR 1987, 1092). Der diesen Entscheidungen zugrundeliegende allgemeine Rechtsgedanke kann für Fallgestaltungen, wie sie oben näher umschrieben sind, auch in der Herstellerhaftung ausnahmsweise zu Beweiserleichterungen des Verwenders für den Ursachenzusammenhang bis zur Beweislastumkehr zu Lasten des Herstellers führen.

cc) Die Voraussetzungen für eine Anwendung der Grundsätze zur Beweislastumkehr sind nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt hier erfüllt. Die Bekl. hat mit der Einheits-Mehrwegflasche ein Produkt in den Verkehr gebracht, das wegen seiner Eigenart (Glasbehälter, der mehrfach verwendet wird und unter starkem Innendruck steht) eine besondere Schadenstendenz aufweist. Für solche Getränkeflaschen, bei denen nach dem - oft mehrfachen und langjährigen - Vorgebrauch eine Vorschädigung und die damit verbundene Berstgefahr nicht auszuschließen ist, trifft die Bekl. als Herstellerin die Prüfungs- und Befundsicherungspflicht dahin, den Zustand des Glases jeder Flasche vor ihrer Inverkehrgabe auf seine Berstsicherheit hin zu ermitteln und sich darüber zu vergewissern, daß nur unbeschädigte Flaschen den Herstellerbetrieb verlassen. Denn wenn der Getränkehersteller in Fällen wie hier nicht nur neue, sondern auch u. a. schon mehrfach gebrauchte Glasflaschen verwendet, dann fehlt ihm ohne solche Befundsicherung jede Grundlage für die Beurteilung, in welchem Zustand sich das Glas befindet und ob und inwieweit es nicht nur dem hohen Innendruck, dem es ausgesetzt wird, sondern auch den erheblichen Beanspruchungen auf dem Weg der Flaschen zum Verbraucher, mit denen der Hersteller rechnen muß, gewachsen ist. Gerade weil aus einer Vorschädigung des Glases wegen des spezifischen Berstrisikos schwere Gesundheitsschäden erwachsen können und das Risiko einer derartigen Glasbeschädigung bei der Verwendung schon mehrfach gebrauchter Flaschen erhöht ist, hat der Hersteller grundsätzlich diese Pflicht, über den ihm nicht bekannten Zustand der Flasche Erhebungen anzustellen, die ihm und dem Verwender Auskunft über die Berstsicherheit des Hohlglases verschaffen.

Nach den Feststellungen des BerGer. war eine vollständige Aussonderung bereits geschädigter Flaschen im Betrieb der Bekl. nicht gewährleistet; insbesondere stellte die kurzfristige Belastung der Flaschen mit einem Vorspanndruck von 6,0 bar keine ausreichende Kontrolle dar. Danach kommt ein Verstoß der Bekl. gegen eine Befundsicherungspflicht mit den dargelegten Möglichkeiten für eine Beweislastumkehr in Betracht. Voraussetzung dieser Pflicht zur Statussicherung ist allerdings, daß eine zuverlässige Aussonderung vorgeschädigter Flaschen insoweit technisch möglich und der Bekl. wirtschaftlich zuzumuten sind; dies ist zwar revisionsmäßig zu unterstellen, bisher aber noch nicht hinreichend geklärt. Bestand eine solche Prüfungs- und Befundsicherungspflicht, so ist, wenn es wegen eines Haarrisses im Glas zur Explosion der Getränkeflasche gekommen ist, bis zum Beweis des Gegenteils durch die Bekl. davon auszugehen, daß die Vorschädigung schon vor der Inverkehrgabe der Flasche bestanden hat und bei ordnungsmäßiger Befundsicherung erkannt worden wäre (vgl. v. Bar, Verkehrspflichten, 1980, 295).

III. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen. Das BerGer. wird - gegebenenfalls nach erneuter Anhörung der Parteien und sachverständiger Beratung - aufzuklären haben, ob die Bekl. durch zumutbare Maßnahmen schon bei der Herstellung des Produkts - der Limonade - die Explosion von Getränkeflaschen in Verbraucherhand auch im Falle einer Beschädigung des Glases ausschließen konnte oder aber, falls ihr dies nicht möglich und zumutbar war, ob sie durch geeignete und zumutbare Kontrollen und Befundsicherung ausschließen konnte, daß vorgeschädigte Flaschen wieder in den Verkehr gebracht werden. In diesem Falle trifft die Bekl. als Herstellerin die Beweislast dafür, daß das Unterbleiben derartiger Kontrollen und der Statussicherung für den eingetretenen Schaden ohne Bedeutung ist. War dagegen im damaligen Zeitpunkt von der Bekl. eine derartige Statussicherung nicht zu verlangen, dann fällt dem Kl. die Nichtaufklärbarkeit der genauen Schadensursache zur Last.
N.

Anmerkung:
Mit der Sprudelflaschenentscheidung hat der VI. Zivilsenat des BGH seine Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Produkthaftung, die durch die Entscheidung im Hühnerpestfall (BGHZ 51, 91 (97) = NJW 1969, 269 m. Anm. Diederichsen) eingeleitet worden ist, konsequent in Richtung auf verstärkten Verbraucherschutz fortgesetzt: Bereits im Hühnerpestfall waren die Anforderungen an ein Verschulden des Produzenten und dessen Entlastungsmöglichkeiten stark reduziert worden. Insbesondere hat jenes Urteil die Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers beim Verschulden im Bereich der Konstruktions- und Fabrikationsfehler eingeführt. Danach hat der Hersteller, wenn ein Fehler und dessen Ursächlichkeit für einen Schaden feststehen, sich hinsichtlich mangelnden Verschuldens zu entlasten.

Die Sprudelflaschenentscheidung führt erstmalig eine nicht erst bei der Frage des Verschuldens eingreifende, vorverlagerte Beweislastumkehr ein. Nach dem bisher geltenden auf deliktsrechtliche Vorschriften gestützten Produkthaftpflichtrecht der Rechtsprechung hatte der geschädigte Verbraucher zu beweisen, daß ein Fehler des Produkts bereits beim Hersteller eingetreten war. Nur wenn feststand, daß die Schadensursache dem Verantwortungsbereich des Herstellers zuzurechnen war, konnte und mußte der Hersteller seinerseits den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB antreten (vgl. im einzelnen Reinelt, DAR 1988, 83).

Im Sprudelflaschenfall war nicht mehr zu klären, ob die Flasche bereits beim Verlassen des Herstellerwerks fehlerbehaftet (etwa mit zu hohem Druck geladen) war oder ob eine erst später eingetretene Beschädigung der Flasche zu deren Explosion und der Verletzung des Klägers (eines dreijährigen Kindes) geführt hatte. Die Scherben der explodierten Flasche waren nicht mehr vorhanden, die genaue Explosionsursache nicht mehr aufklärbar.

In dieser Situation mußte der BGH für die dann erfolgende Zurückweisung an die Berufungsinstanz unterstellen, der Produzent habe mit so hohem Druck abgefüllt, daß Explosionsgefahr bestand oder aber die Flasche habe bereits beim Verlassen des Herstellerwerks einen Haarriß aufgewiesen. Ob es tatsächlich so war, wird die Tatsacheninstanz aufzuklären haben. In der prozessualen Situation, in der der BGH sich befand, waren diese Möglichkeiten nicht auszuschließen. Legt man sie zugrunde, steht jedenfalls fest, daß der Abfüller der Sprudelflasche eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen hat. Der Hersteller ist in einem solchen Fall verpflichtet, dafür zu sorgen, daß Material und Innendruck den gewöhnlichen Beanspruchungen durch Handel und Verbraucher gewachsen sind. Für einen solchen Fall will der BGH jetzt eine Beweislastumkehr für die Frage der Fehlerentstehung zugunsten des Verbrauchers einführen. Er beabsichtigt mit seiner neuen Entscheidung offensichtlich nicht, generell dem Verbraucher die Beweislast dafür abzunehmen, daß die Fehlerentstehung dem Verantwortungsbereich des Herstellers zuzuordnen ist. Nur dann, wenn die Verletzung einer Sorgfaltspflicht durch den Hersteller feststeht (die hier aus prozessualen Gründen unterstellt werden mußte), kehrt sich die Beweislast um.

Auch wenn der VI. Zivilsenat des BGH die Vermutung für die Fehlerzurechnung in den Verantwortungsbereich des Herstellers mit seiner neuen Entscheidung auf den Fall beschränkt, daß eine wie immer geartete Sorgfaltspflichtverletzung des Herstellers feststeht, hat das Gericht mit dieser Entscheidung doch letztlich das Tor für eine grundsätzlich sich anbahnende Beweislastumkehr für die Frage der Fehlerzurechnung aufgestoßen und damit die Produkthaftung nach geltendem Deliktsrecht der Rechtslage nach dem künftig in Kraft tretenden Produkthaftungsgesetz angenähert.

Die Richtlinie des Rates vom 25. 7. 1985 (NJW 1988, 1432 m. Einl. Taschner) zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, die am 30. 7. 1985 in Kraft getreten ist und für das Gebiet des deutschen Rechts durch ein neues Produkthaftungsgesetz in Kürze umgesetzt wird (vgl. BT-Dr 11/2447), sieht eine gleichgelagerte Beweislastumkehr zugunsten des Kunden vor. Das neue Produkthaftungsgesetz statuiert eine Haftung des Herstellers nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung ( § 1 Entwurf zum Produkthaftungsgesetz). § 1 II Nr. 2 dieses Gesetzes verschafft dem grundsätzlich ohne Verschulden haftenden Hersteller die folgende Entlastungsmöglichkeit: "Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, daß das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht aufwies, als der Hersteller es in den Verkehr brachte."

Dieser Haftungsausschlußtatbestand begründet zugleich eine Beweislastregelung zu Lasten des Herstellers für die Frage der Fehlerzurechnung. Nicht erst beim Verschulden, sondern schon bei der Zuordnung des Fehlers treffen den Hersteller die Folgen eines etwaigen non-liquet. Dieser Vorsprung im Verbraucherschutz von Richtlinie und Entwurf des Produkthaftungsgesetzes, die im übrigen bei weitem nicht die Befürchtungen der Industrie und die Erwartungen der Verbraucher an einen deutlich verbraucherfreundlicheren Rechtsschutz rechtfertigen (vgl. im einzelnen Reinelt, DAR 1988, 80), gegenüber der bisherigen auf Deliktsrecht gestützten Rechtslage, wie die Rechtsprechung sie entwickelt hat, wurde mit der neuen Entscheidung des BGH zur Vorverlegung der Beweislastumkehr bei feststehendem Sorgfaltspflichtverstoß des Herstellers aufgeholt. Die EG-Richtlinie und ihre Umsetzung durch das neue Produkthaftungsgesetz bringen dem Verbraucher damit gegenüber der nunmehr geltenden Rechtslage unter Zugrundelegung der neuesten höchstrichterlichen Rechtsprechung kaum noch materiellrechtliche oder prozessuale Vorteile, wenn man davon absieht, daß Richtlinie und Entwurf des Produkthaftungsgesetzes für den Bereich der Konstruktions- und Fabrikationsfehler (nicht der Produktbeobachtungsfehler, vgl. dazu BGH, NJW 1987, 1009) einen größeren Personenkreis aus der Herstellerkette in die Haftung einbeziehen (Hersteller, Quasi-Hersteller, Importeur, vgl. im einzelnen Schmidt-Salzer-Hollmann, EG-Richtlinie, Art. 1 Rdnrn. 28 ff., Art. 3 Rdnrn. 15 ff.).

Abgesehen von dem sich hieraus ergebenden Vorteil für den Verbraucher, eine größere Anzahl von passivlegitimierten Anspruchsverpflichteten vorzufinden, ist die materiellrechtliche Situation des Verbrauchers nach der auf Deliktsrecht gestützten Rechtsprechung zur Produkthaftung wegen des weiteren Haftungsumfanges wesentlich günstiger als nach der EG-Richtlinie und dem Produkthaftungsgesetz. So wird z. B. der im Sprudelflaschenfall eingeklagte Schmerzensgeldanspruch nur nach bisherigem Deliktsrecht, nicht nach dem neuen Produkthaftungsgesetz geschuldet. In Zukunft wird der klagende Verbraucher, wenn er seine Ansprüche kumulativ auf das neue Produkthaftungsgesetz und auf die in der Rechtsprechung entwickelte Deliktshaftung stützt, regelmäßig feststellen, daß er mit der aus § 823 BGB hergeleiteten Haftung weiterkommt als mit dem jedenfalls für die Praxis zu Unrecht als tiefgreifende Neuerung begrüßten auf Gefährdungshaftung gestützten Produkthaftungsgesetz. Daß die Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten auch in der Frage der Fehlerzurechnung für den Bereich der deliktsrechtlichen Haftung der Situation nach dem neuen Produkthaftungsgesetz nahezu vollständig angeglichen wurde, ist Ergebnis und Verdienst der neuen Sprudelflaschenentscheidung des BGH.