BB 1981, 706

Rechtseinheit von Bauvertrag und Grundstückskauf
Bemerkungen zur Entscheidung des BGH vom 09.10.1980, BB 1980 S. 1770*

Von Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München

Stichworte: Beurkundungspflicht / Bauwerkvertrag /Grundstückskauf /Rechtseinheit /Keine Beurkundungspflicht des Bauwerkvertrags beim Bauherrenmodell /Unterschiede zum Bauträgerfall

1. Erweiterung der Beurkungspflicht durch den Bundesgerichtshof

Seit längerem hat der BGH bekanntlich den Anwendungsbereich des § 313 BGB in mehrfacher Hinsicht erweitert.

Zum einen wurde der Umfang der Beurkundungspflicht nach § 313 BGB formal, insbesondere hinsichtlich der Anlagen von Verträgen, stark ausgedehnt, eine Entwicklung, die schließlich zu dem am 27.02.1980 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung und Ergänzung beurkundungsrechtlicher Vorschriften geführt hat.

Zum anderen erstreckt die Rechtsprechung zunehmend die Beurkundungspflicht nach § 313 BGB materiell aus Gründen des Sachzusammenhangs auf Verträge, die an sich nicht formbedürftig sind, jedoch in irgendeiner Weise mit formbedürftigen Rechtsgeschäften zusammenhängen (beispielsweise Geschäftsbesorgungsverträge nach § 675 BGB). Diese Entwicklung vollzieht sich naturgemäß unter dem Beifall und der Unterstützung vor allem von Vertretern des Notariats in der Literatur.

Ob die Ausdehnung der Beurkundungspflicht mit Rücksicht auf die gewöhnliche Praxis notarieller Beurkundungen sachlich geboten oder auch nur sinnvoll ist, sei hier dahingestellt; die Praxis muß mit dieser Entwicklung jedenfalls leben.

Mit Urteil vom 06.11.1980 hat der BGH jetzt entschieden, daß auch ein Bauwerkvertrag beurkundet werden muß, wenn er mit dem in Aussicht genommenen Grundstückserwerb eine rechtliche Einheit bildet.

Der Sachverhalt lautete: Ein Bauträger war durch Werkvertrag vom Besteller beauftragt, eine Doppelhaushälfte auf einem vom Besteller zu erwerbenden und vom Bauträger zu vermittelnden Grundstück zu errichten; das Grundstück gehörte einem Angestellten der Bauträgerfirma.

In Abgrenzung zum Fertighaus-Urteil, bei dem der BGH den Vertrag über die Herstellung des Fertighauses für formlos wirksam gehalten hatte, weil der Bauvertrag und der Vertrag über den Grundstückserwerb keine rechtliche, sondern allenfalls eine tatsächliche oder wirtschaftliche Einheit bildeten, bejaht im vorliegenden Fall das Gericht eine r e c h t l i c h e E i n h e i t von Bauvertrag und (künftigem) Grundstückskaufvertrag. Diese Einheit, die nicht bereits daran scheitert, daß an jedem der Rechtsgeschäfte verschiedene Parteien beteiligt sind, kann nach Auffassung des BGH bejaht werden, wenn nach der erkennbaren Absicht wenigstens einer der Parteien deutlich wird, daß der Bauvertrag und der Grundstücksvertrag miteinander stehen und fallen sollen, also eine Verknüpfungsabsicht hinsichtlich beider Vertragswerke besteht.

Ob in diesem Sinne eine rechtliche Einheit der Vertragszwecke mit der Folge der Beurkundungspflicht auch des Bauwerkvertrags oder lediglich eine tatsächliche bzw. wirtschaftliche Verknüpfung vorlägen, sei Frage des Einzelfalls.

Klare Kriterien zur Abgrenzung dieser rechtlichen von der tatsächlichen oder wirtschaftlichen Einheit liefert das Gericht nicht. Auch wenn der BGH in der Begründung nicht auf den mittelbaren Zwang zum Vertragsabschluß abstellt, liegt die ratio der Entscheidung doch m. E. darin, daß der Bauwillige nicht bereits durch den Abschluß eines an sich formlos wirksamen Bauvertrags, dessen Ausführungen nach Sachlage nur auf einem von ihm noch zu erwerbenden Grundstücks sinnvoll ist, faktisch zum Grundstückserwerbs gezwungen werden soll. Wenn man das Kriterium der rechtlichen Einheit einerseits und diese ratio andererseits berücksichtigt, wird man die Formbedürftigkeit eines Bauwerkvertrags in vergleichbaren Fällen von folgenden Kriterien abhängig machen müssen:

- Der nachträgliche Abschluß des Grundstücksgeschäfts hängt nach dem erkennbaren Willen eines Vertragsteils vom zuvor abgeschlossenen Bauwerkvertrag ab (nicht umgekehrt).

- Der Vertragspartner des Bauwerkvertrages nimmt auf den Abschluß des Grundstücksgeschäfts Einfluß.
- Der Abschluß des Bauvertrags ist ohne den späteren Grundstückskaufvertrag sinnlos, der Bauwerkvertrag enthält mithin einen mittelbaren Zwang zum Abschluß des Grundstücksvertrages.

2. Keine Beurkundungspflicht des Bauwerkwerkvertrags beim Bauherrenmodell

In einer von der Bayerischen Landesbausparkasse herausgegebenen Information (verantwortlich B r y c h ) wird die Auffassung vertreten, daß die Entscheidung des BGH vom 09.10.1980 zur vollumfänglichen Beurkundung sämtlicher Verträge im Rahmen des Bauherrenmodells, mithin auch des Bauvertrages, führe. Diese Auffassung halte ich für unrichtig. Wenn man die oben entwickelten Kriterien zugrunde legt, wird deutlich, daß die Fallgestaltung, die der BGH im Rahmen des Bauträgerrechts zu entscheiden hatte, auf den Bauwerkvertrag des Bauherrenmodells in keiner Weise paßt.

Die Bauherren, die sich zum Zwecke der steuerbegünstigten Kapitalanlage am Bauherrenmodell beteiligen, schließen regelmäßig zunächst mit dem Geschäftsbesorger und Baubetreuer einen notariell beurkundeten Geschäftsbesorgungsvertrag. Außerdem erteilen sei entweder dem Geschäftsbesorger selbst oder einem unabhängigen Treuhänder Vollmachten, weitere Verträge, einen Bauwerkvertrag und einen Grundstückskaufvertrag, abzuschließen.

Der Bauwerkvertrag wird demgemäß unmittelbar zwischen den Bauherren, vertreten durch den Geschäftsbesorger oder dem Treuhänder, und dem Werkunternehmer abgeschlossen. Der Werkunternehmer hat in diesem Fall im Gegensatz zum Bauträgerfall mit der Beschaffung des Grundstücks nicht das Geringste zu tun. Es fehlt bereits das Kriterium der möglichen Einflußnahme des Partners aus dem Werkvertrag auf Abschluß und Gestaltung des Grundstücksgeschäfts.

Zum anderen unterscheidet sich die Vertragsstruktur beim Bauherrenmodell von der Fallgestaltung, mit der der BGH sich befaßt hat, in folgendem: Beim Bauträgerfall des BGH steht der formlose Bauwerkvertrag am Anfang. Sein Abschluß zieht mindestens wirtschaftlich notwendig den Abschluß des Grundstückskaufvertrages nach sich. Der formlose Vertrag bewirkt also zwar keinen rechtlichen, aber doch einen wirtschaftlich starken Zwang zum Abschluß des Grundstückskaufvertrages. Der BGH hat zwar auf den wirtschaftlichen oder mittelbaren Zwang in der zitierten Entscheidung nicht abgestellt, hat dies jedoch nach meiner Überzeugung nur getan, um sich nicht in klaren Widerspruch zum Fertighaus-Urteil zu setzen. In Wirklichkeit ging es ihm in dieser Entscheidung gerade darum, diesen wirtschaftlichen Zwang zum Abschluß eines Grundstückskaufvertrages durch den formlosen Bauvertrag zu vermeiden.

Beim Bauherrenmodell ist jedoch im Gegensatz zum Bauträgerfall dem formlosen Abschluß eines Bauwerkvertrages zwischen den einzelnen Bauherren und dem Werkunternehmer ein notariell beurkundeter Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Bauherren und Geschäftsbesorger vorausgegangen, in dem sowohl die Verpflichtung zum Erwerb des Grundstücks bzw. Grundstücksanteils als auch zum Abschluß eines Bauwerkvertrages festgelegt und die hierfür erforderlichen Vollmachten erteilt sind. Zum dem Zeitpunkt, in dem der Geschäftsbesorger oder Treuhänder als Vertreter der Bauherren mit unmittelbarer Wirkung für diese den Bauwerkvertrag abschließt, sind die Bauherren sowohl gegenüber dem Geschäftsbesorger aufgrund des beurkundeten Geschäftsbesorgungsvertrages als auch untereinander aufgrund Gesellschaftsvertrags zur Errichtung des Bauvorhabens und zum Grundstückserwerb verpflichtet. Durch den später abzuschließenden Bauwerkvertrag zwischen den Bauherren einerseits und Werkunternehmer andererseits entsteht also kein zusätzlicher "mittelbarer Zwang".

Anders als in dem vom BGH entschiedenen Bauträgerfall ist daher im Rahmen der Bauherrenmodelle der Bauvertrag zwischen Bauherren einerseits und Werkunternehmer andererseits nicht beurkundungsbedürftig.