JR 1971, 177

Gesamtschau und Einzelabwägung
Haftung mehrerer gegenüber einem mitschuldigen Verletzten

Von Wiss. Assistent Dr. Ekko Reinelt, Regensburg

 

I.

In einem Urteil des BGH vom 29. 9. 1970 - VI ZR 74/69 (JR 1971, 70 = NJW 1971, 33) ging es um die Schadensverantwortlichkeit mehrerer Schädiger gegenüber einem mitschuldigen Verletzten. Der Kläger verlangte u. a. Schmerzensgeld wegen einer unfallbedingten Erblindung, die mehrere Schädiger zu verantworten hatten.

Der Sachverhalt: Der Verletzte war auf einen ungesichert abgestellten Lastwagenanhänger aufgefahren. Dieser Anhänger war Teil eines Lastzuges, den K. für seinen Arbeitgeber L. gefahren hatte. Wegen eines Schadens hatte K. den auf der Bundesstraße abgestellten Anhänger dem Beklagten zur Reparatur übergeben. Der Reparateur (Bekl.) und ein bei der anliegenden Raststätte beschäftigter Tankwart (E.) sollten den Anhänger von der Straße entfernen.

Einziger, aber allen Schädigern zuzurechnender schadensverursachender Umstand war somit die Tatsache, daß der Anhänger ungesichert auf der Bundesstraße stand.

Der BGH löst diesen Fall auf der Grundlage zweier Thesen:

1. Zur Ermittlung der Schadensverantwortlichkeit scheidet eine Gesamtabwägung ("Gesamtschau") aus, soweit sich die Verhaltensweisen mehrerer Schädiger in einem (demselben) unfallbedingenden Ursachenbeitrag ausgewirkt haben, bevor der dem Geschädigten zuzurechnende Kausalverlauf hinzutritt und zum Schadenseintritt führt. In diesem Fall fehlt es an einer Grundlage für die Gesamtabwägung.

2. Bei der Bemessung von Schmerzensgeldansprüchen fehlt es darüber hinaus an einem allen gegenüber einheitlichen "ersatzpflichtigen Schadensumfang", der die notwendige Grundlage der rechnerischen Durchführung einer Gesamtabwägung bildet.

Die erste These ist vorwiegend aus methodischen, die zweite aus methodischen und sachlichen Gründen zweifelhaft.

Wie sich aus der ersten These ergibt, nimmt das Gericht hier jeweils zwischen einem der Schädiger und dem Verletzten nur eine Einzelabwägung vor. Es verzichtet bewußt auf die in einer früheren Entscheidung bei Vermögensschäden entwickelte Kombination von Einzel- und Gesamtabwägung (BGHZ 30, 203). Die Entscheidung erscheint mir symptomatisch dafür, daß in der Rechtsprechung die Frage der Schadensverantwortlichkeit mehrerer noch nicht hinreichend klar und zufriedenstellend gelöst ist.

II.

Haben mehrere Mittäter dem mitschuldigen Verletzten einen Vermögensschaden zugefügt, so stellt der BGH der Verantwortungssphäre des Verletzten eine gemeinsame Verantwortungssphäre der Schädiger gegenüber. Es wird also nicht der Beitrag des Geschädigten jedem Schädiger einzeln entgegengehalten. jeder Schädiger ist vielmehr im Verhältnis zum Verletzten für den Schadensbeitrag der anderen Mittäter mitverantwortlich. Der Verletzte muß sich seinen Ansprüchen gegen die Mittäter jeweils nur den an der Gesamtbeteiligung gemessenen eigenen Schadensbeitrag anrechnen lassen. Haben also etwa fünf Personen einen sechsten mißhandelt, nachdem dieser alle fünf provoziert hatte und fällt die Beteiligung aller sechs am Gesamtgeschehen gleich stark ins Gewicht, so kann der Verletzte von allen fünf Schädigern als Gesamtschuldnern fünf Sechstel seines Schadens ersetzt verlangen. Bei der Mittäterschaft hält man diese "Gesamtabwägung" wegen des bewußten und gewollten Zusammenwirkens für zulässig.

Anders soll es bei der Nebentäterschaft sein: Der einfachen, einleuchtenden und soweit ersichtlich unumstrittenen Schadensverteilung zwischen Mittätern und einem mitschuldigen Verletzten steht hier eine Fülle verschiedener Lösungsvorschläge gegenüber.

In einer älteren Entscheidung nahm der BGH zwischen dem Verletzten und jedem einzelnen Nebentäter eine getrennte Schadensabwägung vor. Die Beiträge der übrigen Nebentäter blieben dabei unberücksichtigt. Danach haftete dem Verletzten jeder Schädiger nur auf den Betrag, der sich ausschließlich aus dem Verhältnis seines Verursachungsbeitrags zu dem des Verletzten ergab. Die Einzelabwägung wurde damit begründet, daß Schuldverhältnisse nur zwischen dem Verletzten und einem Nebentäter bestehen.

Die Nebentäter sind in der Tat untereinander nur durch ein Gesamtschuldverhältnis verbunden. Das bedeutet, daß die durch ein Schuldverhältnis bedingten einzelnen Rechtswirkungen in ihrem Verhältnis erst für Regreßfragen auftreten. Daraus ließ sich nach dieser Auffassung zwingend auf die Notwendigkeit einer Einzelabwägung schließen. Bei gleichem Verursachungsanteil aller Beteiligten einschließlich des Verletzten spielte es dann für den Verletzten keine Rolle, wieviele Schädiger mitgewirkt hatten. Er konnte von jedem Beteiligten nur die Hälfte seines Schadens ersetzt verlangen. Wenn er einen der Schädiger in dieser Höhe in Anspruch genommen hatte, wurden die übrigen frei (§ 422 1 BGB). Der Schädiger stand dagegen - wegen des internen Ausgleiches nach dieser Auffassung besser, je mehr Nebentäter beteiligt waren. Ein Mitschuldiger, der - z. B. bei einem Verkehrsunfall - von neun Personen verletzt wurde, deren Tatbeiträge im Verhältnis zu dem seinen gleich hoch waren, erhielt demnach im Ergebnis nur die Hälfte seines Schadens ersetzt (also etwa von einem Gesamtschaden von 10 000 DM nur 5000 DM). Gemessen an der Gesamtbeteiligung wäre es jedoch angemessen, daß jeder ein Zehntel, also 1000 DM, mithin auch der Verletzte nur ein Zehntel zu tragen hätte.

Daß diese Lösung dem Geschädigten gegenüber unbillig war und die Schädiger ungerecht bevorzugte (je mehr, desto billiger), liegt auf der Hand.

Man hat deshalb erwogen, die Schadensquoten entsprechend der Gesamtbeteiligung des Verletzten und der anderen Unfallverursacher zu verteilen. Damit wäre die Trennung von Außenhaftung und Innenausgleich beseitigt. Es käme dafür eine analoge Anwendung des § 738 BGB in Betracht. Diese Bestimmung statuiert aber als Ausnahme eine quotale Schadenshaftung im besonderen Fall des Zusammenstoßes von Schiffen. Das BGB sieht als Regel die Gesamtschuld vor. Die Ausnahmeregel des § 738 1 BGB kann deswegen hier nicht gelten. Es würde ein Verteilungsverfahren geschaffen, für das eine gesetzliche Grundlage fehlt. Außerdem würde auch der Geschädigte benachteiligt. Er verlöre die durch die Gesamtschuld gewährte Möglichkeit der Wahl des Beklagten.

Eine neuere Auffassung ermittelt deshalb zuerst - wie früher der BGH - individuelle Quoten durch gesonderte Abwägung gegenüber jedem Schädiger. Sie gibt sich aber damit nicht zufrieden, weil der Verletzte ja weniger bekäme, als seinem Beitrag bei einer Gesamtbeurteilung des Unfalls entspricht. Deshalb verbindet sie die Einzel- mit einer Gesamtabwägung: Der Verletzte- erhält von allen Schädigern insgesamt den Schaden ersetzt, der sich für ihn ergibt, wenn man den ihn bei einer Gesamtbeurteilung treffenden Anteil abrechnet. Im Beispiel mit den zehn Unfallbeteiligten erhält der zehnte Verletzte also insgesamt neun Zehntel (9000 DM) seines Schadens ersetzt. Er soll aber jeden Schädiger nur in Höhe von dessen Einzelquote in Anspruch nehmen, im Beispiel also von jedem der anderen neun Beteiligten nur 1/2 (5000 DM) verlangen können. Dadurch ist einerseits gewährleistet, daß keiner mehr als die ihn bei einer Einzelabwägung treffende Quote zahlen muß. Andererseits werden die Unbilligkeiten der ersten Lösung, die sich auf die Einzelabwägung beschränkte, vermieden.

Innerhalb dieser Auffassung gibt es wiederum zwei Lösungsvorschläge für die Art und Weise der Verpflichtung mehrerer Nebentäter: Soweit sich die Einzelquoten decken, haften alle Schädiger als Gesamtschuldner, in dem einfachen Beispiel also in Höhe von 1/2 (5000DM) des Schadens. Schwieriger wird die Lösung allerdings, wenn die Einzelabwägung verschieden hohe Quoten für die Schädiger ergibt. Soweit die Gesamtquote die Einzelquoten übersteigt (wie im Beispiel neun Zehntel minus ein Halb gleich vier Zehntel gleich zwei Fünftel) haften die einzelnen Schuldner anteilig. Für unser Beispiel würde das bedeuten, daß die restlichen zwei Fünftel (= 4000 DM) gleichmäßig unter die neun Schädiger verteilt würden. Es wäre dann jeder der neun Schädiger Gesamtschuldner in Höhe von 5000 DM, in Höhe von 444,44 DM Teilschuldner.

Abgesehen davon, daß diese Lösung in vielen Fällen wenn nämlich die Einzelabwägung zu verschiedenen Quoten führt - nur mit Hilfe höherer Mathematik durchgeführt werden kann und deshalb den Richter in der Regel überfordert, ist die Aufspaltung in Gesamtund Einzelschuld willkürlich. Die dem Schadensersatz recht grundsätzlich fremde Quotenhaftung würde dadurch wieder eingeführt.

Von der überwiegenden Meinung, der auch der BGH folgt, wird folgende Lösung vorgeschlagen: Die Schädiger schulden gesamtschuldnerisch den ihrer Gesamtbeteiligung entsprechenden Betrag, haften dem Verletzten aber nur in Höhe ihrer Einzelquote.

In unserem Beispiel würden die neun Nebentäter gesamtschuldnerisch 9000 DM schulden, jeder aber nur bis zu einem Betrag von 5000 DM haften.

Das Gesamtschuldverhältnis soll die Rechtsverfolgung des Gläubigers erleichtern und beschleunigen. Trotz Bestehen einer Schuldnermehrheit ist der Gläubiger so gestellt, als habe er es nur mit einem Schuldner zu tun. Das von der h. M. konstruierte "Gesamtschuldverhältnis", bei dessen Entstehung bereits Schuld und Haftung differieren sollen, entspricht also weder begrifflich noch dem Sinne nach dem in § 421 BGB geregelten Institut der Gesamtschuld.

Mit seiner Konstruktion möchte der BGH das "Gesamtschuldverhältnis an die Besonderheiten des Haftpflichtrechts anpassen". Es ist aber zu bezweifeln, ob eine solche Abweichung vom Gesetz durch "Erfordernisse eines bestimmten Rechtsgebiets" sanktioniert werden kann.

Eine andere Auffassung will deshalb völlig auf die Einzelabwägung verzichten. Man dürfte dann nicht die Beträge jedes einzelnen Schädigers ins Verhältnis zu dem des Verletzten setzen, sondern müßte nur (ebenso wie es bei Mittätern geschieht) auch bei Nebentätern ausschließlich eine Gesamtabwägung anstellen. Jeder Nebentäter würde dann dem Verletzten für den entstandenen Schaden abzüglich des Betrages haften, der dem Verursachungsbeitrag des Verletzten bei einer Gesamtbeurteilung entspricht.

Wird also der mitschuldige A von B und C verletzt und sind alle Tatbeiträge gleich groß (ein Drittel), so haften B und C gesamtschuldnerisch für zwei Drittel des Schadens.

Der Streit um diese Lösung kann hier nicht im einzelnen dargestellt werden. M. E. hat sie gerade mit ihrer Verschiebung des Insolvenzrisikos auf die Schädiger ein interessegemäßes Ergebnis zu bieten und entspricht dem Sinne der §§ 421 ff. BGB. Das Gesetz ordnet für Nebentäter wie für Mittäter gesamtschuldnerische Haftung an. Das Rechtsverhältnis der Gesamtschuld soll dem Gläubiger die Möglichkeit geben, nach Belieben jeden Schuldner in Anspruch zu nehmen. Das Gesetz nimmt also in Kauf, daß ein Schädiger im Verhältnis zum Geschädigten mehr zahlen muß, als dem von ihm letztlich zu tragenden Anteil entspricht. Diese Verteilung des Insolvenzrisikos ist gerade Sinn und Konsequenz gesamtschuldnerischer Haftung. Das zur Besserstellung des Geschädigten entwickelte Institut der Gesamtschuld erleichtert nicht nur die Rechtsverfolgung des an der Schadensherbeiführung Unbeteiligten. Die kumulierte gemeinsame Verantwortung der Schädiger (als Mit- oder Nebentäter) ist auch gegenüber dem mitschuldigen (bzw. bei Tatbeständen der Gefährdungshaftung nur mitverursachenden) Verletzten am Platz, weil der Verletzte anders als die übrigen Beteiligten - ja nicht im echten Sinn schuldhaft in Rechte oder "Rechtsgüter" anderer Personen eingreift, sondern nur eigene Belange außer acht läßt.

Beide Lösungen (die des BGH und die der Mindermeinung) haben eines gemeinsam: es muß stets eine Gesamtabwägung vorgenommen werden (die nur von der h. M. durch eine Einzelabwägung ergänzt wird).

Bei dieser Gesamtabwägung werden die Verursachungsbeiträge der Schädiger additiv dem Beitrag des Geschädigten gegenübergestellt. Freilich ist für diese Addierung der Schadensbeiträge der Schädiger zunächst ein an der Gesamtbeteiligung gemessener Einzelbeitrag zu ermitteln. Vor allem in schwieriger liegenden Fällen läßt sich nur dann eine gerechte Gesamtabwägung durchführen. Dieses Verfahren darf nicht verwechselt werden mit der eben erwähnten Einzelabwägung. Bei dieser wird jeweils der Gesamtschaden zwischen einem Schädiger und* dem Verletzten verteilt. Bei der Ermittlung der Einzelquoten, aus denen dann die Gesamtquote gebildet wird, mißt man das Verhalten jedes einzelnen Beteiligten an dem aller übrigen, also am Gesamtgeschehen. jeder muß mit der für ihn am Gesamtgeschehen ermittelten Quote in die Gesamtabwägung einbezogen werden.

Von diesem Grundsatz will die Lehre von der "Haftungseinheit" Ausnahmen zulassen. Weil Halter und Fahrer sowie Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfe dieselben Verursachungsfaktoren zu vertreten haben, sollen sie wie eine Person behandelt werden. Sie sollen auch für das Verhältnis zum Verletzten eine "Haftungseinheit" bilden"'.. Ob die Figur der Haftungseinheit auf weitere Fallgruppen auszudehnen ist, will der BGH in seiner neuesten Entscheidung offenlassen.

Da die Notwendigkeit der Bildung einer Haftungseinheit damit begründet wird, daß die betreffenden Personen identische Verursachungsfaktoren zu vertreten haben, müßten Haftungseinheiten immer dann anerkannt werden, wenn sich die von anderen ausgelösten Kausalreihen noch vor dem Zeitpunkt des Schadenseintritts vereinigen, wenn also die Kausalbeiträge mehrerer Haftpflichtiger zu einem einheitlichen Gefährdungsfaktor verschmelzen.

Die Haftungsquoten werden ermittelt, indem man bei der Prüfung der Mitverursachung bzw. des Mitverschuldens wie beim Tatbeitrag jedes Beteiligten nach der generellen Erhöhung der Gefahr für den Schadenseintritt und dem Umfang des Eigenverschuldens fragt. Die Behauptung, Fahrer und Halter, darüber hinaus aber auch alle, deren Kausalbeiträge vor dem Unfall zusammenkommen, setzten identische Verursachungsfaktoren, ist zwar richtig, zwingt aber nicht zu einer gemeinsamen Bewertung der "Tatanteile". Eine isolierte Beurteilung etwa der Betriebsgefahr, die der Halter zu vertreten hat und des Verhaltens des Fahrers ist möglich. Ebenso kann in dem Fall BGH JR 1971, 70 = NJW 1971, 33 der Verursachungsbeitrag der Reparaturwerkstätte und des um Hilfe angegangenen Tankwarts - jeweils am Gesamtgeschehen gemessen - für sich ermittelt werden. Eine solche Isolierung hätte nur dann zu unterbleiben, wenn sie wirklich zu ungerechter Benachteiligung der Schädiger führte.

Nach Auffassung der Vertreter der Lehre von der Haftungseinheit muß sich der Halter eine durch schuldhaftes Fahren des Fahrers verstärkte Betriebsgefahr zurechnen lassen, selbst wenn er den Entlastungsbeweis nach § 831 1 2 BGB geführt hat. Der Fahrer wird mit der durch verkehrswidriges Fahren gesteigerten Betriebsgefahr belastet, für die an sich nicht er sondern der Halter einzustehen hätte. Die Betriebsgefahr als solche hat jedoch mit der fehlerhaften Fahrweise nichts zu tun. Zwar bezieht sich eine etwaige Entlastung des Halters und Geschäftsherrn nach § 831 12 BGB nur auf die Haftung aus BGB. Wenn man ihm aber das schuldhafte Verhalten des Fahrers als Erhöhung der Betriebsgefahr zurechnet, muß er praktisch ohne Rechtsgrund für fremdes Verhalten einstehen.

Die "unbilligen Ergebnisse", die sich dann ergeben, wenn Halter und Fahrer bzw. Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfe in die Abwägung einbezogen werden, rühren also daher, daß jeder mit den Verursachungsbeiträgen des anderen belastet wird. Die Theorie von der Haftungseinheit mußte vom Standpunkt dieser Auffassung aus entwickelt werden, um das nun in der Tat unbillige Ergebnis zu korrigieren. Diesen methodischen Umweg kann man sich sparen:

Wenn man - wie es allein dem Gesetz entspricht jeden mit dem von ihm gesetzten Einzelbeitrag belastet, ist dem Halter nur die Betriebsgefahr im konkreten Ausmaß soweit sie ursächlich geworden ist - zuzurechnen. Der Fahrer hat ausschließlich für sein schuldhaftes Verhalten in der konkreten Situation einzustehen. Wenn man also von vornherein scharf unterscheidet, wer aus welchem Grund zu welcher Quote verpflichtet ist, also auf eine "übergreifende Abwägung" verzichtet, ist man nicht gezwungen, die anderenfalls verfehlten Ergebnisse zu korrigieren. Die für diese Korrektur entwickelte Theorie von der Haftungseinheit ist nach richtiger Abwägung überflüssig und daher abzulehnen. Besonders deutlich wird die Untauglichkeit dieser Lehre, wenn mehrere Schädiger - wie im Fall BGH NJW 1971, 33 - durch Unterlassen zur Schädigung beigetragen haben. Eine Zurechnung fremder Unterlassung kann nicht erfolgen, weil jedem Schädiger für sich vorgeworfen wird, eine bestimmte, individuelle Handlung nicht vorgenommen zu haben.

Jeder einzelne Beteiligte muß also ohne Ausnahme entsprechend seinem am Gesamtgeschehen gemessenen Beitrag in die Gesamtabwägung einbezogen werden. Die Addierung der Quoten aller Schädiger bildet dann den gemeinsamen Haftungsanteil gegenüber dem Geschädigten.

Der BGH vertritt nun in seinem neuesten Urteil die Auffassung, eine solche Gesamtabwägung sei dann nicht am Platz, wenn das Verhalten der Schädiger nur in einem einzigen Kausalfaktor wirksam wird und wenn der Verursachungsbeitrag des Geschädigten erst zu einem Zeitpunkt hinzutritt, zu dem das schadensverursachende Verhalten der Schädiger bereits abgeschlossen war. Praktisch wird damit die bereits oben abgelehnte Lehre von der Haftungseinheit (trotz entgegengesetzter Beteuerung) auf alle Fälle ausgedehnt, in denen das Verhalten mehrerer Schädiger nur in einem haftungsbedingenden Umstand relevant wird.

Abgesehen von den geschilderten grundsätzlichen Bedenken ist dieser These für den vorliegenden Fall entgegenzuhalten, daß sich ein Zeitpunkt, zu dem das schadensverursachende Verhalten aller Schädiger abgeschlossen ist, vor dem Unfall nicht ermitteln läßt. Die Schädiger (Reparateur und E) werden aufgrund Unterlassens schadensverantwortlich. Es kann hier also insoweit nur die Rede sein von einem hypothetisch kausalen Schadensbeitrag, der nicht - wie ein aktives Tun zu einem bestimmten- Zeitpunkt abgeschlossen ist. Angesichts der Tatsache, daß das Verhalten aller Schädiger (aktuell oder hypothetisch) bis zum Schadenseintritt fortgewirkt hat und jeder mit einem ihm zuzurechnenden Verhalten (bzw. Umstand bezüglich der Betriebsgefahr, die der Halter zu verantworten hat) in die Abwägung einbezogen werden kann, spielt es keine Rolle, zu welchem Zeitpunkt die Handlungen der Schädiger abgeschlossen sind, ob sie sich nach außen nur in ein- und demselben Umstand manifestiert haben und wann das vorwerfbare Verhalten des Geschädigten einsetzt. Entscheidend ist nur, ob der einem jeden - auch dem Verletzten - zuzurechnende Umstand in irgendeiner Weise bis zum Schadenseintritt fortwirkt.

III.

Sprachen gegen die erste These des BGH (vor allem, wenn auch nicht nur) methodische Bedenken, so muß die zweite, nämlich die Ablehnung der Gesamtabwägung bei Schmerzensgeld, aus sachlichen Gründen abgelehnt werden.

Schmerzensgeldansprüche u. Schadensersatzansprüche aufgrund materieller Schäden gleichen sich inhaltlich-. beide sind auf Geldzahlung gerichtet. Rein rechnerisch wäre eine Gesamtabwägung deshalb nicht ausgeschlossen. Dazu kommt folgendes: Die Entwicklung des sog. normativen Schadensbegriffs in Rechtsprechung und Lehre führt zu einer stärkeren Betonung einer Rechtsverfolgungs- und wohl auch einer Bußfunktion des Schadenersatzanspruches. Damit nähert sich der Anspruch wegen materieller Schäden immer stärker dem durch Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion gekennzeichneten Anspruch wegen immaterieller Schäden. Eine Grenzziehung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschaden wird angesichts dieser Entwicklung zusehends problematischer. Zwar kann auf eine Abgrenzung angesichts der Bestimmungen der §§ 847, 253 BGB nicht verzichtet werden. Der Angleichung der mit materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüchen verfolgten Zwecke entspricht es aber auch, die Haftung mehrerer Schädiger bei beiden Formen des Schadensersatzes gleich zu behandeln.

Der BGH geht davon aus, daß die Schmerzensgeldquoten jeweils durch Einzelabwägung gewonnen werden und Gesamtschuldnerschaft angesichts der verschiedenen Haftungsquoten jeweils nur insoweit besteht, als diese Quoten sich decken. Abgesehen davon, daß diese Lösung zu großen Schwierigkeiten im internen Ausgleichsverhältnis zwischen den Schädigern führt, ist auch zu bezweifeln, daß sie den Interessen des Geschädigten gerecht wird. Denn auch hier entspricht es der Billigkeit, diejenigen - nämlich die Schädiger - mit dem Insolvenzrisiko zu belasten, die einen den Schmerzensgeldanspruch begründenden Haftungstatbestand verwirklicht haben, und dieses Risiko nicht dem nur eigene Belange verletzenden Geschädigten aufzuerlegen.

Ob Schmerzensgeld allerdings überhaupt zunächst ohne Berücksichtigung der Beteiligung des Verletzten festgestellt und dann entsprechend seinem Mitverschulden herabgesetzt werden kann, ist umstritten. Nur wenn das der Fall ist, gewinnen die hier zu erörternden Fragen der Gesamt- bzw. Einzelabwägung auch bei Schmerzensgeld Bedeutung.

Es wird behauptet, es sei nicht möglich, ein "an sich angemessenes Schmerzensgeld" zu ermitteln und dann entsprechend dem Verursachungs- und Verschuldensbeitrag des Verletzten zu kürzen, weil die Höhe des Schmerzensgelds "an sich" ziffernmäßig nicht wie die eines vermögensrechtlichen Anspruchs faßbar sei. Das mitwirkende Verschulden soll vielmehr unmittelbar bei Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes als einer der Faktoren für eine billige Entschädigung berücksichtigt werden. Der Betrag des Schmerzensgeldes könne nur durch eine einheitliche Gesamtbetrachtung gewonnen werden.

Demgegenüber halten es andere für richtig, zunächst den Betrag des Schmerzensgeldes unabhängig vom Mitverschulden zu schätzen, um ihn dann um den Bruchteil nach § 254 1 BGB zu kürzen. Diese Auffassung wird auf folgende Weise begründet-. Das Mitverschulden nach § 254 1 BGB gehört zum Grund des Anspruchs, nicht zur Höhe. Es bezieht sich auf die Entstehung des Schadens. Ist das Schmerzensgeld z. B. nach Grund und Betrag streitig, so kann nach § 304 ZPO ein Zwischenurteil über den Grund ergehen. Es muß also auch zulässig sein, in diesem Urteil den Anspruch dem Grunde nach zu einem Bruchteil für gerechtfertigt zu halten. Also ist das Mitverschulden nicht nur als einer der Umstände bei Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes zu beachten.

Wenn bei § 847 BGB eine getrennte Entscheidung über Grund und Betrag möglich ist, muß man den durch Mitverschulden geminderten Anspruch auch in einem Bruchteil ausdrücken können. Der Ausgangspunkt der anderen Auffassung, es gäbe kein an sich angemessenes Schmerzensgeld, ist nur insofern richtig, als beim Ersatz von Nichtvermögensschäden eine Billigkeitsentscheidung getroffen werden muß, die in jedem Fall verschieden ausfallen kann. Er trifft nicht zu, soweit damit gemeint ist, daß ein für einen bestimmten Fall angemessenes Schmerzensgeld nicht auch zunächst ohne Berücksichtigung des Mitverschuldens des Geschädigten ermittelt werden kann. In diesem Fall ist nur zu fragen, welcher Betrag angemessen wäre, wenn dem Verletzten kein Mitverschulden anzulasten wäre. Wäre im einzelnen Fall - wie die zuerst genannte Auffassung meint - der ziffernmäßige Betrag nicht faßbar, so könnte er sich überhaupt nicht durch eine Summe ausdrücken lassen. Eine Summe muß aber bezahlt, also auch ermittelt werden. Zwar ist immer zu fragen, welcher Betrag unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse zur Abgeltung des immateriellen Schadens angemessen ist. Dennoch sollte bei wesentlich gleichliegenden Fällen eine gewisse Einheitlichkeit der Beträge angestrebt werden. Es dient der Rechtssicherheit, wenn ähnliche Fälle auch hinsichtlich des Schmerzensgeldes in etwa gleich behandelt werden. Das erreicht man eher dadurch, daß man zunächst ein Schmerzensgeld ermittelt, um es dann je nach Mitverursachung und Mitverschulden zu kürzen. Daraus ergibt sich, daß die Problematik der Schadensverteilung zwischen Verletztem und Schädigern (Einzel- oder Gesamtabwägung) auch für die Errechnung des Schmerzensgeldes von Bedeutung ist.

Wie hinsichtlich der Verteilung von Vermögensschäden bei Schadensverantwortlichkeit mehrerer Mittäter gegenüber einem mitschuldigen Verletzten, so werden offenbar auch in bezug auf Nichtvermögensschäden gegen eine Gesamtabwägung keine Bedenken erhoben, weil die Mittäter "durch eine gemeinsame Unrechtstat verbunden" sind.

Bei der Nebentäterschaft lehnen manche jedoch unter Hinweis auf die Rechtsnatur des Schmerzensgeldanspruches die Möglichkeit einer Gesamtabwägung ab. Diese Begründung, mit der man die Gesamtabwägung bei Nebentätern verwirft, überrascht zunächst. Es ist kaum vorstellbar, daß die Rechtsnatur des Schmerzensgeldanspruches eines Verletzten einem Mittäter gegenüber verschieden ist von der eines Schmerzensgeldanspruches gegenüber einem Nebentäter. Hat der Anspruch - gleich, welcher Inhalt ihm zugesprochen wird - die gleiche "Rechtsnatur", so lassen sich aus dieser Rechtsnatur für Ansprüche gegenüber Mit- und Nebentätern keine verschiedenen Folgerungen herleiten.

Daß eine Gesamtabwägung beim Schmerzensgeldanspruch nicht möglich ist, ergibt sich für den BGH bereits daraus, daß der Geschädigte angemessen zu entschädigen sei. Die Höhe der Entschädigung bestimme sich bei jedem einzelnen von mehreren Schädigern nach der besonderen Angemessenheit und könne daher unterschiedlich sein.

§ 847 BGB spricht von einer "billigen" Entschädigung in Geld. Es soll also eine Entschädigung gewährt werden, die einen bestimmten Ausgleich für die erlittenen Schmerzen bildet. Die Billigkeit oder Angemessenheit besteht also in erster Linie in einer Relation zwischen den Schmerzen bzw. dem Leid des Geschädigten und dem zu zahlenden Geldbetrag. Nur sekundär spielt das Verhältnis zwischen dem Vermögen des Schädigers und dem zu leistenden immateriellen Schadensersatz eine Rolle. Ob die persönlichen Verhältnisse einzelner Schädiger wirklich einer Gesamtabwägung die Grundlage entziehen müssen, scheint mir fraglich. M. E. beruht diese Auffassung auf einer Verkennung der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldanspruches.

Es wird heute allgemein angenommen, daß der Schmerzensgeldanspruch eine doppelte, nämlich eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion hat. Soweit er Ausgleich bietet, soll eine Gesamtabwägung möglich, soweit er Genugtuung gewährt, nicht möglich sein. Diese Differenzierung wird damit begründet, daß die Genugtuungsfunktion eine "besondere persönliche Beziehung" zwischen Schädiger und Verletztem herstelle. Genugtuung soll nur persönlich geleistet werden können, eine Gesamtabwägung dem Wesen dieser persönlichen Beziehung widersprechen.

Mit dieser geschilderten Auffassung kann zweierlei gemeint sein: Entweder soll differenziert werden, wie weit jeder einzelne Anspruch Ausgleich bzw. Genugtuung gewähren soll, d. h. die Unterscheidung nach Ausgleich- und Genugtuungsfunktion kann innerhalb des einzelnen Anspruchs verlaufen. Gemeint sein kann jedoch auch, daß manche Schmerzensgeldansprüche dem Ausgleich, andere wieder der Genugtuung dienen. Dann würde die Unterscheidung je nach dem Sinn des einzelnen Anspruchs, für diesen aber einheitlich ausfallen müssen.

Zunächst soll die Berechtigung einer Differenzierung innerhalb des einzelnen Anspruchs untersucht werden. Stellt man sich auf den Standpunkt, daß ein Schmerzensgeldanspruch nicht nur dem Ausgleich, sondern auch der Genugtuung dient, weil etwa der Ausgleich des immateriellen Schadens auch nicht annähernd erreicht werden kann, so behauptet man doch nur zwei Funktionen, zwei Zwecke, die der Schmerzensgeldanspruch als solcher erfüllen soll. Daraus folgt aber nicht, daß dieser einheitliche Anspruch inhaltlich realiter zerlegt und rechtlich getrennt behandelt werden kann. Die Tatsache, daß der bestimmte Anspruch (eventuell) verschiedenen Zwecken dienen oder Verschiedenes bewirken soll, ändert nichts daran, daß er seinem Inhalt nach ein einheitlicher Schadensersatzanspruch ist. Wenn dennoch für den einen Anspruch nach den beiden Funktionen verschiedene Beträge eingesetzt und diese teils teilschuldnerisch (soweit nämlich die Genugtuungsfunktion in Frage steht) und teils gesamtschuldnerisch (soweit es um den Ausgleich geht) beschuldet werden sollen, so steht diese Lösung in unvereinbarem Widerspruch mit der von derselben Meinung vertretenen Einheitlichkeit des Anspruchs. Ob beim einzelnen Schmerzensgeldausgleichs-, Genugtuungs- oder auch Überwindungs- "Gedanke" in den Vordergrund treten: in jedem Fall handelt es sich nur um gemeinsame Berechnungsfaktoren eines einheitlichen Anspruchs. Schon deshalb ist es gar nicht durchführbar, verschiedene Beträge für Ausgleich und Genugtuung einzusetzen. Noch viel weniger kann eine Gesamtabwägung nur für die Ausgleichsfunktion" vorgenommen werden. Wenn überhaupt ist sie nur einheitlich "für den jeweiligen Schmerzensgeldanspruch" möglich. Die Trennung innerhalb ein- und desselben Anspruches ist also nicht möglich.

Nach a. A . soll die Gesamtabwägung jedenfalls dann ausgeschlossen sein, wenn durch das Schmerzensgeld Ausgleich oder Überwindung nicht erreicht werden können, also der Genugtuungszweck in den Vordergrund tritt. Dieser Genugtuungszweck soll also die Gesamtabwägung ausschließen. Hier wird - wie sich daraus ergibt - nicht innerhalb des einzelnen Anspruchs nach Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion getrennt, sondern man läßt bei manchen Ansprüchen die Gesamtabwägung schlechthin zu, bei anderen, bei denen die Genugtuung dominiert, nicht. Aus der Behauptung, Genugtuung könne nur persönlich geleistet werden, wird gefolgert, daß die Schädiger notwendig nur einzeln und nicht als Gesamtschuldner haften. Deshalb soll die Gesamtabwägung nicht möglich sein.

Folgt man dieser Argumentation, so verliert der Geschädigte die Möglichkeit, jeden beliebigen Schuldner in voller Höhe seines immateriellen Schadens in Anspruch zu nehmen. Er trägt also das bei einer. Gesamtschuld auf die Schuldner verlagerte Insolvenzrisiko einzelner Verpflichteter. Wenn demnach aus der Genugtuungsfunktion und der durch sie geschaffenen "persönlichen Beziehung" gefolgert wird, eine Gesamtschuldnerschaft und deshalb auch eine Gesamtabwägung seien ausgeschlossen, verkehrt sich die zur Besserstellung des Geschädigten in den Vordergrund gestellte Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldanspruchs ins Gegenteil.

Nach Auffassung der geschilderten Lehre ist die Benachteiligung des Geschädigten durch Annahme einer Gesamtschuld nicht einmal vermeidbar. Da Genugtuung nur persönlich geleistet werden könne, würde der Geschädigte, selbst wenn er Geld von einem Gesamtschuldner erhielte, nicht befriedigt. Daß aber derjenige besser steht, der unabhängig davon, ob ihm Genugtuung geleistet wird - die größere Aussicht hat, einen Geldbetrag für erlittene Schmerzen zu erhalten, ist kaum bestreitbar. Die Benachteiligung des Geschädigten durch diese Auffassung beruht also auf ihrer Ablehnung des Gesamtschuldverhältnisses. Diese wiederum folgert man aus der nirgends bewiesenen Prämisse, jeder schulde persönlich Genugtuung. Die daraus resultierende Benachteiligung des Geschädigten erweckt den Verdacht, daß entweder diese Prämisse oder die aus ihr gezogenen Folgerungen angreifbar sind.

Trifft es zu, daß Gesamtschuldnerschaft ausgeschlossen ist, so erweist sich in der Tat die Benachteiligung des Verletzten als unvermeidbar. Es bleibt also zu prüfen, ob Gesamtschuldnerschaft zwischen Schmerzensgeldschuldnern wirklich ausgeschlossen ist, weil hier der Schädiger "persönlich Genugtuung schuldet".

Genugtuung wird gewährt, wenn durch eine Leistung ein Gefühl der psychischen Befriedigung im Verletzten hervorgerufen wird. Diese vorgestellte Wirkung ist der Zweck der Leistung. Es muß hier unterschieden werden zwischen der Wirkung einer Handlung als realer Folge der Handlung und der vorgestellten Wirkung, d. h. der nur im Denkakt existierenden. Nur die zweite ist der Zweck. Er ist ontologisch nie identisch mit der realen Wirkung, kann, aber muß nicht inhaltsgleich mit ihr sein. Der Zweck ist also nur etwas Gedachtes, d. h. er existiert nur im Denkakt eines Zahlenden oder Beurteilenden, solange er gedacht wird. Der Zweck kann als solcher nicht Inhalt oder Bestandteil des Schadensersatzanspruches sein, weil dieser Anspruch außerhalb und unabhängig von Denkakten eines Beurteilenden als wirkliche Beziehung zwischen bestimmten Personen existiert.

Mit dem Geld mag man dem Verletzten Genugtuung verschaffen wollen (oder sollen). Darin erschöpft sich die Bedeutung der Genugtuungsfunktion. Inhalt der Schuldnerverpflichtung kann jedoch entsprechend dem Inhalt des Schmerzensgeldanspruches nur die Geldzahlung, nicht die erstrebte Wirkung dieser Zahlung sein. Ein Anspruch ist stets das Recht auf ein Tun oder Unterlassen (§ 194 BGB). Durch welches Tun - außer durch Zahlung von Geld - soll der nach § 847 BGB Verpflichtete Genugtuung beim Geschädigten bewirken können? Wäre die kritisierte Auffassung richtig, schuldete also der Verpflichtete nicht nur Zahlung, sondern Herbeiführung der Genugtuung (wobei offen bliebe, durch welches Verhalten), so käme er z. B. trotz Geldleistung an den Berechtigten in Verzug, sofern der Verletzte nicht das Gefühl der psychischen Befriedigung empfinden würde. Der Verzugseintritt wäre von differenzierten psychologischen in einem Zivilprozeß nicht durchführbaren Untersuchungen abhängig gemacht und somit objektiv nicht mehr feststellbar.

Es ergibt sich also, daß selbst bei Bejahung einer Genugtuungsfunktion Genugtuung nicht geschuldet, also auch nicht nur persönlich geschuldet werden kann.

Die angestrebte Genugtuung kann darüber hinaus - wenn überhaupt - auch bei Zahlung von Gesamtschuldnern erreicht werden: Es bleibt dem Verletzten unbenommen, sich nach § 421 BGB zu dem Teil an den einzelnen Gesamtschuldner zu halten, der dessen eigenem Schadensbeitrag entspricht, wenn er glaubt, nur so Genugtuung zu erfahren. Selbst wenn er aber einen beliebigen Schmerzensgeldschuldner in Anspruch nimmt, so kann er Genugtuung dadurch erreichen, daß die übrigen Schuldner im Verhältnis aufgrund interner Ausgleichsverpflichtung herangezogen werden. Wenn überhaupt durch Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen Genugtuung geleistet werden kann, so geschieht das dadurch, daß der Geschädigte den geschuldeten Schadensbetrag erhält und alle Schädiger zahlen. Die Überlegung, die für vermögensrechtliche Ansprüche angestellt wurde, gilt auch hier: der Geschädigte soll im Fall des Mitverschuldens nur den ihn insgesamt treffenden Anteil am Schaden selbst tragen. Nur wenn er diesen Betrag erhält, wird er für immateriellen Schaden angemessen entschädigt.

Da somit aus der Genugtuungsfunktion nicht geschlossen werden kann, daß jeder Schädiger nur persönlich zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe seiner Einzelquote verpflichtet sein kann, bestehen keine Bedenken dagegen, daß ein Schädiger im Außenverhältnis dem Geschädigten gegenüber als Gesamtschuldner zur Leistung einer Schmerzensgeldsumme verpflichtet ist, die seine letztlich zu tragende Quote übersteigt.

Auch bei Schmerzensgeld muß zunächst unabhängig vom Mitverschulden des Verletzten ein für die entstandenen Schmerzen angemessener Betrag ermittelt werden. Dann erst ist der den Geschädigten im Hinblick auf das Gesamtgeschehen treffende Verursachungsbeitrag abzusetzen.

Die individuellen persönlichen Verhältnisse der Schädiger (finanzielle Verhältnisse, Intensität der Beteiligung), die im Wege einer Beurteilung des Einzelverhaltens gemessen am Gesamtgeschehen ermittelt werden, sind nur für die interne Ausgleichsverpflichtung mehrerer Schmerzensgeldschuldner von Bedeutung.