NJW 1974, 344

"Erledigung der Hauptsache" vor Anhängigkeit?

Von Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München

 

1. Die Antwort auf diese Frage scheint auf den ersten Blick klar:

Da der Begriff der Hauptsache i. 8. des § 91a ZPO mit demjenigen des Streitgegenstandes identisch ist, der Streitgegenstand, mithin auch die Hauptsache, erst mit Beginn des Prozeßrechtsverhältnisses entsteht und vor Entstehen nicht erledigt sein kann, ist eine Hauptsacheerledigung vor Rechtshängigkeit und damit erst recht vor Anhängigkeit unmöglich. Da kein "bisheriger Streitstand" vorliegt, ist auch dessen Erledigung nicht denkbar. Dem entspricht es, wenn die überwiegende Auffassung in Literatur und Rechtsprechung eine Hauptsacheerledigung (bei einseitiger Erledigungserklärung) nur für möglich hält, wenn die Klage zulässig und begründet war.

Die Argumentation ist logisch zwingend und daher sachlich richtig, wenn die Hypothese uneingeschränkt stimmt, daß der Begriff der Hauptsache notwendig stets identisch sein muß mit demjenigen des Streitgegenstandes bzw. des prozessualen Anspruchs und daher die objektive, Erledigung (nicht die Erledigungserklärung) sich immer nur auf den prozessualen Anspruch beziehen kann.

Die Hypothese, es würde immer nur der prozessuale Anspruch vom erledigenden Ereignis betroffen, liegt in der Tat ausgesprochen oder unausgesprochen den in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen zur Erledigung der Hauptsache zugrunde. Aufgabe der nachstehenden Untersuchung soll es sein darzulegen, daß das rigorose Festhalten an dieser vorwiegend mit begrifflichen Argumenten gewonnenen Ausgangsthese in bestimmten Fällen zu unvertretbaren Ergebnissen führt und die Hypothese daher bei interessengerechter Beurteilung durchbrochen werden muß.

II. Das Problem der Hauptsacheerledigung ist im Gesetz nur unvollständig geregelt. § 91 a ZPO betrifft nur den Fall einer übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien. Indessen ist heute allgemein anerkannt, daß bei Eintritt eines erledigenden Ereignisses zwischen zwei verschiedenen prozessualen Möglichkeiten zu unterscheiden ist:

1. Die Parteien erklären die Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Es ist anerkannt, daß es bei übereinstimmender Erledigungserklärung beider Parteien keine Rolle spielt, ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis gegeben war und wann dieses eingetreten ist, also auch, ob es ggf. bereits vor Rechtshängigkeit eingetreten ist.

Die Frage, ob hier ein erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit eingetreten ist oder zuvor, ob also eine zulässige und begründete Klage vor Eintritt eines erledigenden Ereignisses gegeben war oder nicht, kann aufgrund der Dispositionsmaxime vernachlässigt werden: Das Gericht hat die übereinstimmenden Parteierklärungen hinzunehmen und nur noch durch Beschluß über die Kostentragung zu entscheiden.

Konsequent wendet der BGH § 91a ZPO bei übereinstimmender Erledigungserklärung daher auch dann an, wenn das erledigende Ereignis zwischen Einreichung und Zustellung der Klage eintrat, weil es auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses gar nicht mehr ankommt.

Da auch bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien in diesen Erklärungen sachlich ein erledigendes Ereignis vorausgesetzt ist (wenn es auch vom Gericht nicht geprüft werden muß), dieses aber vor Rechtshängigkeit oder sogar vor Anhängigkeit liegen kann, gleichwohl jedoch eine Erledigung des bisherigen Sach- und Streitstandes im Sinne des § 91 a ZPO angenommen wird, kann das Ereignis selbst in diesem Fall nicht den prozessualen Anspruch erledigen. Der prozessuale Anspruch wird nicht durch das Ereignis, sondern durch die Erklärung der Hauptsacheerledigung betroffen. Das erledigende Ereignis seinerseits kann sich dagegen nur auf einen materiellen Anspruch beziehen.

2. Der Kläger erklärt die Hauptsache einseitig für erledigt. Auch hier ist - wie bei den übereinstimmenden Erledigungserklärungen heftig umstritten, welche Rechtsnatur dieser Erklärung zukommt.

Einig ist man sich aber darüber, daß hier festgestellt werden muß, ob und wann das erledigende Ereignis eingetreten ist. Das Gericht muß also über die Erklärung des Klägers hinaus (natürlich nur auf der Basis des Beibringungsgrundsatzes) prüfen, ob und wann die Hauptsache tatsächlich erledigt worden ist.

Voraussetzung einer Erledigung ist nach herrschender Meinung, daß die Klage zunächst zum Zeitpunkt der Erledigung zulässig und begründet war.

War die Klage zulässig und begründet und trat das erledigende Ereignis nach Rechtshängigkeit ein, so ist die Hauptsache durch das Gericht für erledigt zu erklären und dem Beklagten sind die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Freilich ergeht die Entscheidung durch die für ein streitiges Verfahren vorgesehene Form des Endurteils, die Kostenentscheidung ist § 91 ZPO (nicht § 91a ZPO) zu entnehmen. Das ändert aber nichts daran, daß diese i m. Gesetz nicht geregelten Fälle methodisch durch Analogie zu dem in § 91 a ZPO geregelten Tatbestand zu begründen sind.

Lag ein erledigendes Ereignis vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, aber nach Anhängigkeit, so bedeutet das, daß die Klage bereits bei Zustellung unbegründet war. Deshalb bleibt dem Kläger ausgehend von der herrschenden Meinung nur die Möglichkeit, die Klage zurückzunehmen oder ihre Abweisung zu erleiden.

Eine Feststellung der Erledigung scheidet in diesem Fall nach überwiegender Meinung aus.

Eine andere Auffassung lehnt es ab, den Kläger in diesem Fall mit dem Nachteil der Klagerücknahme zu belasten und läßt auch hier die Feststellung der Erledigung zu mit der Folge, daß das Gericht nur noch unmittelbar über die Kosten zu entscheiden hat.

Die Zufälligkeit, daß das erledigende Ereignis ohne daß der Kläger hierauf irgendeinen Einfluß hätte nach der Einreichung einer zulässigen und begründeten Klage eintritt und damit die Klage unbegründet macht, darf in der Tat bei interessengerechter Beurteilung nicht zu Lasten des Klägers gehen. Der Kläger hat ja keine andere Wahl als Klage zu erheben. War diese bei Klageeinreichung zulässig und begründet, so hat der Beklagte Anlaß zur Klageerhebung gegeben und muß billigerweise auch die Kosten tragen.

Auch dieser Sachverhalt gleicht in der Interessenbewertung daher demjenigen, der in § 91 a ZPO vorausgesetzt ist: Der Kläger soll durch ein ihm nicht zuzurechnendes Ereignis, das er nicht vorhersehen und vermeiden konnte, keinen Kostennachteil erleiden. § 91 a beruht auf einem Zurechnungsgedanken: Derjenige, in dessen Verantwortungssphäre das (erst jetzt eintretende) Erledigungsereignis fällt, soll den hiermit verbundenen Nachteil nicht auf den Gegner abwälzen dürfen.

In Analogie zu dem in § 91 a ZPO geregelten Tatbestand ist deshalb eine Feststellung der Hauptsacheerledigung und Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten (freilich in Form des Endurteils und der Entscheidung nach § 91 ZPO) gerechtfertigt.

Folgt man dieser Auffassung, so ist hiermit bereits die Hypothese durchbrochen, daß das erledigende Ereignis selbst stets den prozessualen Anspruch betreffen müsse, der erst durch Begründung des Prozeßrechtsverhältnisses mit der Klagezustellung entsteht.

III. Ist die Frage einer Erledigung der Hauptsache umstritten, wenn das erledigende Ereignis bei einseitiger Erledigungserklärung zwischen Rechtshängigkeit und Anhängigkeit eintritt, so besteht bislang Einigkeit darüber, daß eine Erledigung vor Anhängigkeit niemals zur Feststellung der Erledigung der Hauptsache führen kann.

1. Als Ersatz für eine Hauptsacheerledigung mit der Folge der Kostenentscheidung nach § 91 ZPO für den Zeitraum vor Rechtshängigkeit - bzw. Anhängigkeit (je nachdem, welcher der genannten Auffassungen man folgt) - gewährt ein Teil der Rechtsprechung, eine bezifferte Kostenklage. Da eine Erledigung mangels bisherigen Streitstandes nicht möglich sei, müsse der Kläger die Klage hinsichtlich der "erledigten" Hauptsache zurücknehmen (mit der prozessualen Folge des § 271 Abs. 3 ZPO) und die bis dahin entstandenen Kosten durch bezifferten Antrag geltend machen. Materielle Rechtsgrundlage für die Erstattung der aufgelaufenen Kosten ist § 286 Abs. 1 BGB. Die bis zur "Erledigung" entstandenen Verfahrenskosten könne der Kläger in Abänderung (d. h. faktisch stets zugleich teilweisen Klagerücknahme) der ursprünglichen Klage weiterverfolgen. Der entsprechend geänderte Klageanspruch muß Erfolg haben, wenn die erste Klage ohne "Erledigung" begründet gewesen wäre.

2. Zu welchen unlösbaren Problemen und chaotischen Verwirrungen diese Rechtsauffassung - sicherlich ungewollt - führt, sei kurz am Schicksal eines Prozesses dargelegt, der in letzter Instanz vom OLG München entschieden wurde (Urt. v. 20. 2. 1973 - 5 U 2309/72).

Vereinfacht ging es um folgenden Sachverhalt: Der Kläger hatte von dem Beklagten ein Grundstück gekauft. Er verlangte in ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrages nunmehr Auflassung. Statt die Auflassung zu erklären, trat der Beklagte unter Berufung auf angeblich nicht erfüllte Käuferpflichten, ohne daß ihm in Wirklichkeit ein Grund hierfür zustand, vom Kaufvertrag zurück. Eine Mahnung des Klägers, binnen einer zweiwöchigen Frist die Auflassung zu erklären, war erfolglos. Der Beklagte wiederholte vielmehr seine unzutreffende Auffassung, der Käufer habe seine Verpflichtungen nicht erfüllt.

Hierauf erhob der Kläger Klage auf Auflassung des Grundstücks (Streitwert: 184600 DM). Ohne Wissen des Klägers hatte indessen der Beklagte unmittelbar vor Anhängigkeit der Klage bei einem bevollmächtigten Notar die Auflassungserklärung abgegeben. Der Kläger erfuhr hiervon erst nach Rechtshängigkeit und konnte dies vorher auch nicht erfahren.

Im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung mußte der Kläger nunmehr notgedrungen die Klage ändern und beantragen, den Beklagten in die durch Einreichung der Klage entstandenen Kosten zu verurteilen.

Da diese Kosten einen Betrag von ca. 2700 DM ausmachten, enthielt die Klageänderung zugleich eine Teilklagerücknahme über etwa 181900 DM. Auf Grund der vom OLG richtig erkannten, mit der Klageänderung verbundenen teilweisen Klagerücknahme wurde bei der Kostenquotelung dem in der Hauptsache erfolgreichen Kläger der überwiegende Kostenteil auferlegt. Der Kostenbeamte sah sich nun bei der Kostenausgleichung erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt: Sollte er die vom Kläger zum Kostenausgleich angemeldete Prozeßgebühr und die Auslagenpauschale berücksichtigen oder nicht? Diese Beträge waren ja bereits in der Hauptsacheentscheidung zugesprochen. Die Hauptsacheentscheidung ging ihn aber im Prinzip nichts an, weil er nur für den Kostenausgleich zuständig war. Im übrigen war ja auch nicht einzusehen, warum nur Kosten des Beklagten und nicht des Klägers bei der Kostenausgleichung Berücksichtigung finden sollten, weil ja Kosten erneut auf beiden Seiten entstanden waren.

Der Kostenbeamte entschied sich dafür, die Prozeßgebühr beider Prozeßbevollmächtigter, also auch des Klägervertreters, in der Ausgleichung zu berücksichtigen.

Auf Erinnerung des Beklagten, die dem OLG München als Beschwerde vorgelegt wurde, wies das OLG durch Beschluß den Rechtspfleger an, die Prozeßgebühr des Klägers (nicht aber die des Beklagten) aus der Kostenausgleichung herauszustreichen, weil dieser Betrag ja bereits in der Hauptsache zugesprochen sei. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden dem Kläger auferlegt.

Ergebnis dieses Prozesses: Der Kläger, dem Kosten des Prozesses in der Hauptsache in Höhe von ca. 2 700 DM als Schaden gemäß § 286 Abs. 1 BGB zugesprochen worden waren, hatte nach durchgeführter Kostenausgleichung an den Beklagten 1217 DM zu erstatten und an den eigenen Anwalt ca. 2 300 DM zu zahlen. Obwohl dem Kläger nach allgemeiner Auffassung - auch der des erkennenden Gerichts - der Betrag an Verfahrenskosten in Höhe von 2 700 DM im Ergebnis hätte zugute kommen müssen, erhielt er schließlich nichts und mußte für den von ihm gewonnenen Prozeß zusätzlich bezahlen.

Dieses Ergebnis ist nicht nur eine zufällige Folge fehlerhafter Rechtsanwendung des Kostenbeamten oder der Gerichte ausgehend von einer grundsätzlich richtigen Auffassung, sondern in erster Linie Konsequenz der herrschenden Meinung, die eine Erledigung vor Anhängigkeit für unmöglich hält. Ausgehend von dieser Auffassung bleibt kein anderer Weg, als die Verfahrenskosten als Hauptsache geltend zu machen. Die Folge der hiermit verbundenen teilweisen Klagerücknahme ist eine Belastung des Klägers mit Kosten. Bei der Kostenausgleichung wiederum können die bereits in der Hauptsache zugesprochenen Kosten des Klägers nicht noch einmal berücksichtigt werden. Aber auch wenn man sie noch einmal berücksichtigen wollte, würde der Kläger im Ergebnis niemals das erhalten, was er durch die Kostenklage eigentlich bekommen soll. Am Ergebnis erweist sich die Unpraktikabilität und Unbilligkeit der herrschenden Meinung, die eine Feststellung der Hauptsacheerledigung aufgrund einseitiger Erledigungserklärung des Klägers nur dann für möglich hält, wenn das erledigende Ereignis nach Rechtshängigkeit oder doch äußerstenfalls nach Anhängigkeit eintritt. So paradox es auch klingen mag: Daß die Klage von Anfang an unbegründet war bzw. daß es zu einer unbegründeten Klage kam, ist hier nicht dem Kläger, sondern dem Beklagten anzulasten.

Vl. 1. Folgt man der überwiegenden Meinung, wonach bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses keine Rolle spielt, so wäre in diesem Fall bei übereinstimmender Erledigungserklärung nur nach § 91 a ZPO über die Kosten zu entscheiden gewesen, die sicherlich nach Billigkeit dem Beklagten aufzuerlegen gewesen wären. Natürlich hätte der Beklagte gerade aus diesem Grunde eine Erledigungserklärung niemals abgegeben.

Hätte daher der Kläger den Antrag gestellt, die Erledigung der Hauptsache festzustellen und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, so wäre der Erledigungsantrag ausgehend von der herrschenden Meinung als unzulässig zurückgewiesen und die Klage als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen worden, obwohl im Ergebnis sicher kein Zweifel daran bestehen kann, daß es die billigste und zweckmäßigste Lösung wäre, die Erledigung festzustellen und die bis dahin angefallenen Kosten dem Kläger unmittelbar im Wege einer Kostenentscheidung zuzusprechen.

Wenn aber dieses Ergebnis der Billigkeit und der Prozeßökonomie entspricht, also eine interessengemäße Lösung darstellt, können nur schwerwiegende Gründe eine solche Lösung verbieten.

2. a) Entscheidender Einwand dagegen, eine Erledigung auch vor Anhängigkeit anzunehmen, ist die eingangs erwähnte Hypothese, eine Streitsache könne begrifflich nur nach Entstehen erledigt werden, sie entstehe aber erst mit Beginn des Prozeßrechtsverhältnisses, eine Erledigung komme mithin nur in Betracht, wenn die Klage ursprünglich zulässig und begründet war. An der zwingenden Logik der Argumentation: ein Streit könne nicht erledigt werden, bevor er entsteht, kommt man sicher nicht vorbei. Der Fehler liegt also nicht in der Argumentation selbst, sondern in der eingangs erwähnten Hypothese: Offen ist nämlich, ob ein Streit tatsächlich erst durch das Prozeßrechtsverhältnis entsteht, mithin auch notwendig erst nach Begründung des Prozeßrechtsverhältnisses erledigt sein kann.

b) Es ist zwar richtig, daß § 91 a ZPO und die in Analogie hierzu bisher in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Fälle der einseitigen Erledigungserklärung (mit Entscheidung durch Endurteil und Kostenentscheidung nach § 91 ZPO) von dieser Situation ausgehen. Damit ist indessen nicht gesagt, daß eine Erledigung nicht auch in anderen Fällen eintreten kann.

Bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung wurde bereits dargelegt, daß das erledigende Ereignis auch vor Rechtshängigkeit oder gar Anhängigkeit liegen kann. Auch im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung ist sachlich ein erledigendes Ereignis vorausgesetzt (wenn das Gericht dies aufgrund der Dispositionsmaxime auch nicht zu überprüfen hat).

Bei einseitiger Erledigungserklärung und Eintritt des erledigenden Ereignisses zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit gebietet die Billigkeit, eine Feststellung der "Hauptsacheerledigung" zuzulassen, weil dem Kläger, der dies sonst nicht verhindern kann, eine unbillige Klagerücknahme, verbunden mit weiterer Kostenbelastung, erspart werden muß.

Aber auch vor Beginn des Prozeßrechtsverhältnisses besteht ein materieller Interessengegensatz zwischen den Parteien, der sich aufgrund besonderer Umstände erledigen kann. Es gibt daher keinen logisch zwingenden oder aus bestimmten Rechtsvorschriften sich ergebenden Grundsatz, eine Erledigung dieses Streits vor Anhängigkeit und deren gerichtliche Feststellung mit der Folge der Kostenentscheidung nach § 91 ZPO auszuschließen. Das erledigende Ereignis bezieht sich in diesen Fällen auf einen materiellen Anspruch, nicht aber auf den prozessualen Streitgegenstand und das Prozeßrechtsverhältnisses als solches. Erst die Erledigungserklärung selbst betrifft dann Streitgegenstand und Prozeßrechtsverhältnis.

e) Da die Erledigung der Hauptsache im Gesetz nur im speziellen Fall der übereinstimmenden Erklärung nach § 91 a ZPO - und auch hier nur unvollständig geregelt ist, bleibt es Rechtsprechung und Lehre überlassen, die Lücke in Anlehnung an die sich aus § 91 a ZPO ergebende Interessenabwägung zu schließen.

Entgegen der herrschenden Meinung besteht aber eine Lücke nicht nur für den Fall, daß bei einseitiger Erledigungserklärung ein erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit oder doch Anhängigkeit eintritt, sondern auch in den Fällen, in denen ein solches Ereignis vor Anhängigkeit liegt, aber dem Kläger - nicht zurechenbar - nicht bekannt ist. Denn auch in diesen Fällen darf es einer Partei nicht gestattet sein, den mit Eintritt eines "erledigenden Ereignisses" verbundenen Nachteil auf den Gegner abzuwälzen, wenn diese Partei selbst für den (Erst-Jetzt-)Eintritt des erledigenden Ereignisses verantwortlich ist.

Der Grundgedanke des § 91 a ZPO beruht darauf, daß der Kläger durch einen nicht ihm, sondern dem Beklagten oder einem Dritten zuzurechnenden Umstand, durch den seinem Begehren die Grundlage entzogen wird, nicht zu einer Zurücknahme seiner Klage gezwungen werden darf, daß er die Möglichkeit haben soll, die Abweisung seiner Klage zu vermeiden und eine billige Kostenentscheidung zu erstreiten.

Ein Vergleich des in § 91 a ZPO geregelten Falles und des in Analogie hierzu bereits entwickelten der einseitigen Erledigungserklärung aufgrund erledigenden Ereignisses nach Rechtshängigkeit (oder Anhängigkeit) einerseits mit demjenigen einer einseitigen Erledigungserklärung im Prozeß aufgrund eines dem Kläger ohne VerschuIden nicht bekanntgewordenen erledigenden Ereignisses vor Anhängigkeit andererseits ergibt, dass der Kläger aus prozeßökonomischen und Billigkeitsgreden zur Vermeidung einer bezifferten Kostenklage und des hiermit verbundenen rechtlichen Chaos das selbe legitime Interesse hat, den Konsequenzen einer mit der Klagerücknahme verbundenen Klageänderung zu entgehen.

So gesehen ist die hier befürwortete Erweiterung des Anwendungsbereichs der Erledigung der Hauptsache (gewonnen aus einer Analogie zu § 91 a ZPO) für die genannten Fälle zugleich die Kehrseite einer teleologischen Reduktion des § 271 ZPO.

Freilich ergeht die gerichtliche Entscheidung im Falle einseitiger Erledigungserklärung durch Endurteil, die Kostenentscheidung ist § 91 ZPO (nicht § 91 a ZPO) zu entnehmen. Es entspricht der Billigkeit und der Prozeßökonomie und ist dogmatisch in Analogie zu § 91 a ZPO und zu dem anerkannten Fall der Feststellung der Erledigung aufgrund einseitiger Erledigungserklärung gerechtfertigt, in Ausnahmefällen eine entsprechende gerichtliche Feststellung mit Kostenentscheidung nach § 91 ZPO zuzulassen, wenn das erledigende Ereignis vor Anhängigkeit liegt.

Ergebnis: In analoger Anwendung des § 91 a ZPO ist dann, wenn der Kläger bei Einreichung der Klage schuldlos oder ihm nicht zurechenbar das den materiellen Anspruch (oder dessen Durchsetzbarkeit) erledigende Ereignis nicht kennt, eine einseitige Erledigungserklärung möglich. Das Gericht hat zu prüfen, ob die Klage ohne das erledigende Ereignis zulässig und begründet gewesen wäre und ob der Kläger - ohne daß es ihm zuzurechnen wäre - vom erledigenden Ereignis keine Kenntnis hatte. Bejahendenfalls ist die Hauptsacheerledigung durch Endurteil festzustellen. Dem Beklagten sind nach § 91 ZPO dann die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.