VersR 1990, 565

Zur Haftung des Arzneimittelherstellers für die Übertragung von Viren durch Blutprodukte

Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München

 

Zur beabsichtigten Änderung des Arzneimittelgesetzes

Bekanntlich befaßt sich der Aids- Untersuchungsausschuß mit der Aufarbeitung der Probleme, die sich aus der HIV-Kontaminierung von Blutpräparaten Anfang der 80erjahre ergeben. Im Spiegel H. 24 v. 13. 6. 1994, S. 38 heißt es: "Der Aids-Untersuchungsausschuß ist sich schon einig: Bonn trägt Mitverantwortung für HIV-verseuchtes Blut". Sollte es wirklich zutreffen, daß der Ausschuß schon vor Abschluß der Beweiserhebungen (!) zu einer abschließenden Meinungsbildung gekommen ist? Vor dem Hintergrund einer in der Öffentlichkeit sehr emotional geführten Diskussion sind die bereits beschlossenen und die beabsichtigten Änderungen zum Arzneimittelgesetz von großem Interesse. Am 29. 6. 1994 hat der Vermittlungsausschuß sich auf eine Neufassung der 5. AMG-Novelle geeinigt (Vermittlungsausschuß BT-Dr 1217996). Ausgeklammert wurde dabei zunächst das Haftungsrecht. Verschärfte haftungsrechtliche Regelungen sollen wahrscheinlich in Form der 6. AMG-Novelle oder in Form eines neuen Transfusionsgesetzes noch vor der neuen Legislaturperiode vorgelegt werden. Die Überlegungen zur Verschärfung des neuen Haftungsrechts sind begreiflicherweise beeinflußt durch das tragische Schicksal der Betroffenen. Dennoch ist zufragen, ob die vorgesehenen Änderungen des Haftungsrechts sachlich gerechtfertigt sind und in die Dogmatik des Schuldrechts passen.

I. Aufgabe des Untersuchungsausschusses

Daß die mögliche Übertragung von Viren durch Blut oder Blutprodukte, insbesondere im Zusammenhang mit dem Aids-Virus, aber auch mit Hepatitis-Viren, mit großer Betroffenheit in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist mehr als verständlich. Das Schicksal der Betroffenen ist beklagenswert. Der 3. Untersuchungsausschuß des Bundestags ermittelt in einer umfangreichen Beweisaufnahme den Sachverhalt. Ob allerdings der Auftrag des Bundestags an den 3. Untersuchungsausschuß in vollern Umfang verfassungsrechtlich haltbar ist, muß bezweifelt werden. So hat der Deutsche Bundestag mit Dr 12/6749 vom 3. 2. 1994 dem 3. Untersuchungsausschuß die Aufgabe gestellt, zu untersuchen und zu klären,

"Ob zivilrechtliche Verantwortlichkeiten der pharmazeutischen Unternehmer, Produzenten, Blutspendedienste, Krankenhausträger und Ärzte für seit 1. 10. 1980 stattgefundene Virusinfektionen nach dem Recht der Arzneimittelsicherheit, nach Vertragsrecht sowie dem Recht der unerlaubten Handlung von Betroffenen mit hinreichender Aussicht auf Erfolg im Klageweg geltend gemacht werden können..."

Diese Aufgabe obliegt nach dem Prinzip der Gewaltenteilung den Gerichten. Die Verfahrensordnungen stellen geeignete Instrumentarien sicher, die den Grundsatz rechtlichen Gehörs und der Waffengleichheit im Verfahren garantieren. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, befangene Richter abzulehnen. Vergleichbare Möglichkeiten gibt es bei einem Bundestagausschuß nicht. Nach Presseinformationen ist der Ausschuß des Bundestags bereits jetzt vor Abschluß der Beweisaufnahme der Auffassung, die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Arzneimittelhersteller in den erst beginnenden Zeugenvernehmungen beweisen zu können. Sollte das zutreffen, wäre dies der klassische Fall einer vor Durchführung einer Beweisaufnahme feststehenden Haltung der Befangenheit, die im vorliegenden Verfahren verfahrensrechtlich keinen Weg zur Ablehnung ermöglicht.

Freilich sind die Untersuchungen des Bundestags nicht präjudiziell für Entscheidungen von Gerichten. Dies ändert aber nichts daran, daß sich faktisch jedes Gericht an die Wertung der Ergebnisse des Bundestags-Untersuchungsausschusses halten wird. Ob ein solches Verfahren noch als "fair trial" gelten kann, ist zweifelhaft.

II. 5. und 6. AMG-Novelle

Vor dem Hintergrund der in der Öffentlichkeit stattfindenden zum großen Teil nicht wissenschaftlich begründeten Diskussion über die Haftung von Herstellern, die bei allem Verständnis für die begreifliche Betroffenheit der Geschädigten und der Öffentlichkeit aufgrund ihrer starken Ernotionalisierung an Sachlichkeit und juristischer Fundierung zu wünschen übrig läßt, ist aufmerksam zu machen auf die Änderungsentwürfe zur Novellierung des AMG. Die Bundesregierung hat einen Entwurf zur Änderung verschiedener Vorschriften des Arzneimittelgesetzes am 24. 9. 1993 eingebracht , zu der eine Stellungnahme des Bundesrats und eine Gegenäußerung der Bundesregierung vorliegen. Der Bundesrat hat zu diesem Entwurf die Auffassung vertreten, daß die Haftung des pharmazeutischen Unternehmers gern. § 84 AMG bereits dann eintreten soll, wenn "der begründete Verdacht" besteht, daß beim Gebrauch eines Arzneimittels ein Gesundheitsschaden eingetreten ist. Entgegen der bisherigen Regelung soll der pharmazeutische Unternehmer für das Nichtvorliegen eines Produktfehlers und Informationsfehlers gem. § 84 S. 2 AMG die Beweislast tragen. Die Bundesregierung hat in einer Gegenäußerung dieser Verbesserung der rechtlichen Situation zugunsten des Geschädigten grundsätzlich zugestimmt.

Der Bundestag hat den Text der 5. AMG-Novelle am 19. 5. 1994 verabschiedet, jedoch die Passagen zur Haftungsverschärfung ausgeklammert, dieser Bereich sollte in einem späteren eigenen Entschädigungsgesetz geregelt werden.

Der vom Bundestag verabschiedete Text der AMG-Novelle ist an den Bundesrat zur Beratung und Verabschiedung gegangen. Die Novelle wurde dann am 29, 6. 1994 dem Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat vorgelegt. Die Punkte der Einigung betreffen Fragen der Arzneimittelzulassung, eine Ethik-Kommission bei klinischen Prüfungen und andere Fragen. Das Arzneimittelhaftungsrecht wurde zunächst ausgeklammert. Hier wird eine Expertengruppe zusammentreten und eine Novellierung des Haftungsrechts ausarbeiten, die noch vor der neuen Legislaturperiode im September vorgelegt und wahrscheinlich als 6. AMG-Novelle eingebracht werden soll. Diese Änderungsvorstellungen werden sicherlich die Haftungsverschärfungen aufgreifen, die sowohl in der Regierungsnovelle als auch im Entwurf eines 5. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes der Fraktionen CDU, CDU und FDP enthalten waren.

Die vorgesehenen Änderungen beinhalten in bezug auf die Haftungsregelung Vorschläge, die gravierend in die bisherige Rechtsordnung eingreifen:

1. Änderung der Haftungsnorm

Die Haftungsnorm des § 84 AMG, die eine durch die Vertretbarkeitsprüfung nach § 84 Nr. 1 AMG wesentlich eingeschränkte Gefährdungshaftung enthält, soll in einem wesentlichen Punkt geändert werden.

§ 84 AMG S. 2 soll folgender Satz angefügt werden:

§ 84 ... Soweit der Geschädigte die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen nach S. 2 und die Verursachung des Schadens durch das Arzneimittel trägt muß er dafür den Nachweis überwiegender Wahrscheinlichkeit erbringen.

Nach der bisherigen Rechtslage ist notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung einer Haftung nach § 84 AMG die Darlegung und der Nachweis eines Kausalzusammenhangs durch den Geschädigten zwischen der Verabreichung eines vom Anspruchsgegner vertriebenen Arzneimittels und der entsprechenden Rechtsgutverletzung beim Geschädigten. Der Schaden muß gerade durch die schädliche Eigenschaft des Arzneimittels verursacht sein . Wie überall im Zivilrecht er fordert der Nachweis eines solchen Kausalzusammenhangs, daß der Richter in dem zu entscheidenden Fall die Überzeugung "mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gewinnt, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen". Erforderlich ist also nicht eine naturwissenschaftlich zwingende, wohl aber eine nach der richterlichen Überzeugungsbildung nahezu zweifelsfreie Kausalität. Dieser Grundsatz, der für den Nachweis jeden Kausalzusammenhangs im Zivilrecht gilt, wird durch die vorgeschlagene Änderung aufgegeben. Statt der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit soll nunmehr der Nachweis überwiegender Wahrscheinlichkeit genügen.

Die Begründung des Gesetzesvorschlags führt dazu aus, daß die Anfügung des neuen Satzes 2 in § 84 AMG zur notwendigen Verbesserung des Patientenschutzes geschehe. Die Anforderungen an den Beweismaßstab werden an das vom Geschädigten leistbare Maß angepaßt, um dem Anspruch des Geschädigten zur wirksameren Durchsetzung zu verhelfen.

Bei allem Verständnis für das Bemühen um Hilfe und Unterstützung für den Geschädigten, gerade im Bereich der Arzneimittelhaftung, ist es doch fraglich, ob hier der richtige Weg zur Verbesserung des Patientenschutzes eingeschlagen wird. Bereits der Begriff der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit enthält eine wertende Einschränkung des ontologischen Begriffs des Kausalzusammenhangs, der durch die conditio sine qua non-Formel definiert ist. Für das Bestehen eines realen Kausalzusammenhangs ist danach erforderlich, daß eine Ursache tatsächlich eine bestimmte Folge bewirkt. Bei der neu vorgeschlagenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist dies nicht notwendigerweise, sondern nur möglicherweise so. Die Neuformulierung eröffnet eine Haftung bei möglicher, aber keineswegs zur Überzeugung des Richters nachgewiesener Kausalität. Der Gefährdungshaftungstatbestand des § 84 AMG wird durch eine vermutete Kausalität, die allerdings wahrscheinlich sein muß, ersetzt.

Die vorgeschlagene Regelung nähert sich damit der im angloamerikanischen Recht anhand von spektakulären Serienschäden entwickelten market-share-Iiability (Marktanteilshaftung) an, bei der die führenden Produzenten ohne Kausalnachweis entsprechend ihren Marktanteilen zum Schadensersatz herangezogen werden, wobei auf den Nachweis eines Kausalzusammenhangs insgesamt verzichtet wird.

Dem deutschen Recht ist eine solche Haftung (bislang) fremd. Eine Haftung für einen vermuteten, aber nicht nachgewiesenen Kausalzusammenhang gibt es im Zivilrecht grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme bietet lediglich § 830 12 BGB, ein Tatbestand, bei dem eine Haftung auch ohne nachgewiesene Kausalität gegeben sein kann. In diesem Ausnahmefall wird jedoch der notwendige Nachweis der Kausalität durch das gefährdende oder deliktsrechtlich relevante mittäterschaftliche Zusammenwirken ersetzt: Die Beteiligung an einem gemeinsamen gefährlichen Tun rechtfertigt es, die Akteure auch ohne bewiesene Kausalität zur Haftung heranzuziehen. Allerdings ist dieser Tatbestand eng begrenzt auf ein tatsächlich gefährdendes Zusammenwirken. Eine Beteiligung i. S. des § 830 12 setzt voraus, daß mehrere wissentlich an einer gefährlichen zur Schadensverursachung geeigneten Tätigkeit teilgenommen haben. Der gemeinsam verfolgte Zweck muß die Teilnahme an einer unmittelbar gefährdenden Handlung sein. Nur in einem solchen Ausnahmefall ist es gerechtfertigt, auf den Nachweis eines Kausalzusammenhangs zu verzichten. Ob das verständliche Bestreben, dem Geschädigten zu helfen, ausreichen kann, uni den Nachweis eines begründeten Kausalzusammenhangs erstmalig bei einem Gefährdungshaftungstatbestand aufzugeben, muß bei ausgewogener Betrachtung der Interessen von Schädiger und Geschädigtem bezweifelt werden.

2. Ersatzpflicht für Körperverletzung

Von erheblicher Bedeutung ist ein anderer Änderungsvorschlag der Novelle: Der Vorschrift des § 87 AMG, die den Umfang der Ersatzpflicht bei Körperverletzung nach der gültigen Fassung auf Ersatz der Heilungskosten und des Vermögensnachteils beschränkt, soll folgender Satz angefügt werden:

§ 87. Wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Verletzte eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) verlangen.

Mit dieser Vorschrift würde zum erstenmal im deutschen Recht abgewichen von dem Grundsatz, daß Schmerzensgeld nur bei der Erfüllung deliktsrechtlicher Vorschriften, also im Falle einer Verschuldenshaftung zuzubilligen ist (§ 847 BGB).

Bereits im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes, das bei der Verabreichung von Arzneimitteln bekanntlich nicht Anwendung findet (§ 15 ProdHG), war die Frage diskutiert worden, ob der deutsche Gesetzgeber sich dazu entschließen sollte, Schmerzensgeld auch bei Erfüllung der Gefährdungshaftungstatbestände des Produkthaftungsgesetzes zuzubilligen. Die EG-Richtlinie zur Produkthaftung vom 25. 7. 1985 hatte dem nationalen Gesetzgeber diese Möglichkeit offengelassen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Auf dem 26. Deutschen Verkehrsgerichtstag 1988 hatte der produkthaftungsrechtliche Arbeitskreis empfohlen, den immateriellen Schaden nicht in die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz einzubeziehen. An diese Empfehlung hat sich der Gesetzgeber mit dem am 1. 1. 1990 in Kraft getretenen Produkthaftungsgesetz gehalten. Es ist zu bezweifeln, ob es richtig ist, diese generelle Entscheidung -Anknüpfung von Schmerzensgeldansprüchen nur an deliktsrechtliche Tatbestände - nunmehr durch die entsprechende Änderung des AMG aufzugeben. Sicherlich ist es verständlich, daß dem Geschädigten geholfen werden soll. Der Geschädigte kann aber - bei Erfüllung der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 I BGB - sowohl bei Schädigung durch ein Arzneimittel als auch bei Schädigung durch ein anderes Produkt - nach deliktsrechtlichen Vorschriften Schmerzensgeldansprüche geltend machen (§ 847 BGB). Vom Nachweis des Verschuldens ist er durch die in der Rechtsprechung zum Produkthaftungsrecht entwickelte Beweislastumkehr seit dem Hühnerpest-Urteil befreit.

Es besteht kein sachlich einleuchtender Grund, den durch ein Arzneimittel Geschädigten anders zu behandeln als denjenigen, der durch ein anderes Produkt oder Umwelteinwirkungen zu Schaden gekommen ist. In der Konsequenz müßten dementsprechend in. E. sämtliche Gefährdungshaftungstatbestände Schmerzensgeldansprüche nach sich ziehen können. Ein solcher Schritt hätte jedoch eine unabsehbare Ausweitung der Haftungsrisiken mit allen kostenmäßigen und versicherungsrechtlichen Konsequenzen zur Folge. Es würde damit eine Entwicklung in Gang gesetzt, wie sie sich - rechtspolitisch fragwürdig - in der amerikanischen Produkthaftung ergeben hat.

3. Einrichtung eines Entscheidungsfonds

Damit soll nicht dafür plädiert werden, daß Betroffene in jedem Fall ihren Schaden aus eigenem Lebensrisiko tragen. Begrüßenswert ist deshalb der Vorschlag, einen Entschädigungsfonds für Arzneimittelschäden einzurichten (§ 94b). Nach dieser Vorschrift tritt die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds subsidär ein, wenn es dem Ersatzberechtigten nicht gelingt, von einem pharmazeutischen Unternehmen oder einem Versicherer entsprechenden Ersatz zu erlangen. Daß diese Regelung allerdings erhebliche Konsequenzen für Versicherungen und deren Verteuerung zur Folge haben wird, liegt auf der Hand. Dennoch ist die Einrichtung eines Arzneimittelentschädigungsfonds nach dem Vorbild des Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen nach dem Pflichtversicherungsgesetz sicherlich ein sinnvoller Schritt in Richtung auf Verbesserung des Schutzes des Geschädigten.

4. Erweiterung der Auflagenbefugnisse

Eine erhebliche Erweiterung der Auflagenbefugnisse durch die Zulassungsbehörde enthält der Neuvorschlag zur Ergänzung von § 28 durch einen Absatz 3 c:

§ 28 (3 c). Die zuständige Bundesoberbehörde kann durch Auflage ferner anordnen, daß bei der Herstellung und Kontrolle solcher Arzneimittel und ihrer Ausgangsstoffe, die biologischer Herkunft sind oder auf biotechnischem Wege hergestellt werden,

1. bestimmte Anforderungen eingehalten und bestimmte Maßnahmen und Verfahren angewendet werden,

2. Unterlagen vorgelegt werden, die die Eignung bestimmter Maßnahmen und Verfahren begründen, einschließlich von Unterlagen über die Validierung,

3. die Einführung oder Änderung bestimmter Anforderungen, Maßnahmen und Verfahren der vorherigen Zustimmung der zuständigen Bundesoberbehörde bedarf,

soweit es zur Gewährleistung angemessener Qualität oder zur Risikovorsorge geboten ist. Die angeordneten Auflagen sind sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.

Diese erhebliche Ausweitung der Auflagenbefugnisse der zuständigen Behörden zur Risikoabwehr geht weit über das hinaus, was § 28 AMG in der geltenden Fassung der zuständigen Bundesoberbehörde ermöglicht hat. Die bisherigen Auflagen betrafen im wesentlichen Kennzeichnungen, Angaben für Unterlagen, Warnhinweise, Dokumentation und Art und Weise der Prüfung des Arzneimittels. Die vorgeschlagene Ergänzung soll nach der Begründung der Zulassungsbehörde im Interesse eines Ausbaus des vorbeugenden Gesundheitsschutzes zusätzliche Handlungsmöglichkeiten zur Risikovorsorge geben. So soll beispielsweise die Behörde die Spenderauswahl bei der Gewinnung von Blut, die Quarantänelagerung von Blutplasma bestimmen und andere in den Herstellungsprozeß eingreifende Maßnahmen treffen können. Da es sich um Maßnahmen der Gefahrenabwehr handelt, sollen Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung haben.

Mit diesen - weitgehenden - Befugnissen kann die Behörde wesentliche Entscheidungen im Rahmen der Herstellung des entsprechenden Arzneimittels an sich ziehen. Unabhängig von der Frage, ob es fachlich und rechtspolitisch richtig ist, einer Behörde so weitgehende Bestimmungsmöglichkeiten in bezug auf den Herstellungsprozeß einzuräumen, muß in. E. jedenfalls eine solche Maßnahme Rückwirkungen auf den Haftungstatbestand des § 84 AMG haben. Denn wenn Schäden gerade aufgrund behördlicher Anordnungen im Zusammenhang mit der Herstellung des Produkts eintreten, die der Hersteller aufgrund der (sofort vollziehbaren) Eingriffsmöglichkeiten der Behörde nicht verhindern kann, ist es für ihn nicht zumutbar, haftungsrechtlich für die Folgen einzustehen, die sich aus solchen Anordnungen ergeben. Der Gesetzentwurf sieht jedoch in diesem Fall keine Einschränkung der Herstellerhaftung vor. Niemand kann jedoch für eine Maßnahme zur Rechenschaft gezogen werden, die er weder selbst veranlaßt hat, noch verhindern kann. M. E . müßte deshalb § 84 AMG für diesen Fall eine Haftungseinschränkung erfahren. Soweit Schäden gerade deshalb entstehen, weil behördliche Anordnungen im Rahmen des Herstellungsprozesses (ggf. trotz Widerspruchs des Herstellers) einen Produktfehler verursachen, muß die Haftung der öffentlichen Hand an die Stelle der Herstellerhaftung treten.