ZAP 2000, Fach 23, Seite 491

Anwaltsfeindliche Tendenzen in der Rechtsprechung

Von Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München, Lehrbeauftragter an der Universität Regensburg

Inhalt

I. Rechtsprechung zur Haftung des Anwalts

1. Richter und Anwalt
2. Ex-post-Betrachtung des Richters
3. Sicherster Weg
4. Änderung der Rechtsprechung
5. Büroversehen bei Fristberechnung
6. Fahrlässigkeit
7. Nichtbeachtung eines falschen gerichtlichen Hinweises
8. Sekundärhaftung
9. Haftungsbegrenzung

II. Missbrauchsgebühr als Ohrfeige für Anwälte

III. Abtretung von Anwaltsforderungen

IV. Erfüllungsort anwaltlicher Leistungen

V. Ausweitung des Anwendungsbereichs der Erstberatungsgebühr

Vl. Schlussbemerkung

Ich behaupte keineswegs, dass alle Richter anwaltsfeindlich judizieren. Es gibt aber Anhaltspunkte dafür, dass sich in der Rechtsprechung anwaltsfeindliche Tendenzen bemerkbar machen. Diese These ließe sich anhand zahlreicher Beispiele aus allen möglichen Rechtsgebieten belegen. Einige davon greife ich auf.

I. Rechtsprechung zur Haftung des Anwalts

1. Richter und Anwalt

Dass Richter das Maß an die zu erwartende Sorgfalt bei Richterkollegen und Rechtsanwälten höchst unterschiedlich bestimmen, liegt nicht nur an den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, die für die Haftung der Richter einerseits und der Anwälte andererseits maßgebend sind. Der Spruchrichter haftet nach § 839 Abs. 2 BGB bekanntlich selbst nur bei vorsätzlicher Amtspflichtverletzung, also bei Rechtsbeugung (§ 339 StGB). § 839 Abs. 2 S. 1 BGB lautet: "Verletzt ein Beamter bei einem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht."

Gerichtliche Entscheidungen sind entweder Urteile, Beschlüsse oder Verfügungen. Ein gerichtliches Urteil ist eine Entscheidung, die in einer bestimmten Form ergeht (§ 313 ZPO) und die, von wenigen gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen abgesehen, aufgrund notwendiger mündlicher Verhandlung erlassen wird. Beschlüsse sind Entscheidungen des Gerichts, die ohne oder auf freigestellte mündliche Verhandlung ergehen (THOMAS/PUTZO, ZPO, 2 1. Aufl., Vorbem. 3 zu § 300 ZPO). Ein Urteil ist also kein Beschluss, ein Beschluss kein Urteil. Nach der Verwendung des Begriffs "Urteil" in §839 Abs. 2 BGB ist infolgedessen, jedenfalls nach dem Wortlaut der Vorschrift, eindeutig, dass die haftungsbeschränkende Vorschrift jedenfalls direkt nicht für Beschlüsse anwendbar sein kann. Eine analoge Anwendung bedürfte jedenfalls einer entsprechenden Begründung.

Angesichts des verbreiteten Usus, gesetzlich eindeutig definierte Begriffe und daraus zu ziehende logische Schlüsse aufgrund einer amorphen und subjektiven "Interessenabwägung" beiseite zu schieben und gerichtliche Tatbestände contra legem zu interpretieren, verwundert es allerdings kaum, dass die Rechtsprechung im Interesse des Kollegenschutzes den im Gesetz verwendeten Begriff des Urteils auch auf zahlreiche Beschlüsse ausdehnt (z. B. nach § 91a ZPO, BGHZ 13, 142 = NJW 1954, 1283). Aber auch außerhalb der Spruchrichtertätigkeit zeigen Entscheidungen zur Richterhaftung, dass dem Richter ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt wird (OLG Köln VersR 1998, 893; BGHZ 36, 144 = NJW 1962, 583) und dass die erfolgreiche Inanspruchnahme eines Richters - ebenso wie im Übrigen die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO - in der Praxis die Ausnahme bleibt.

Ganz anders dagegen die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung interpretierte Rechtslage bei der Anwaltshaftung:

Die Rechtsgrundlage der Haftung des Anwalts (aus Anwaltsvertrag) ist regelmäßig positive Vertragsverletzung. Das bedeutet: Haftung für jeden Fehler, auch bei leichter Fahrlässigkeit mit einer aus analoger Anwendung des § 282 BGB entnommenen Beweislastumkehr: Der Anwalt muss beweisen, nicht fahrlässig gehandelt zu haben, wenn er einen Fehler begangen hat.

Die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen bedingen per se eine unterschiedliche Handhabung der Haftungsregelung. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Vorgabe zu einer so krass unterschiedlichen Handhabung zwingt, wie sie in der Rechtsprechung vertreten wird. Denn die Anwaltshaftung hat sich unter der Ägide der Rechtsprechung des BGH inzwischen fast zu einer Gefährdungshaftung des Anwalts entwickelt (vgl. allg. zur Anwaltshaftung RINSCHE ZAP F. 23, S. 249 ff.; SIEG ZAP F. 23, S. 387 ff. m. w. N.).

2. Ex-post-Betrachtung des Richters

Die Anwaltshaftung aus der Rechtsgrundlage der positiven Vertragsverletzung setzt voraus, dass der Anwalt eine Pflichtverletzung begangen hat, diese adäquat kausal einen Schaden verursacht hat und er sich vom danach vermuteten Verschulden (analog § 282 BGB) nicht entlasten kann.

a) Dazu hat die Rechtsprechung einen geradezu immensen Pflichtenkreis des Anwalts entwickelt oder erfunden. Grundlage ist ein Urteil des BGH v. 18. 6. 1968 (VersR 1968, 969). Dort stellt der BGH folgenden Grundsatz auf:

"Nach fester Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt, soweit sein Auftraggeber nicht unzweideutig zu erkennen gibt, dass er des Rats nur in einer bestimmten Richtung bedarf, zur allgemeinen umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Es ist Sache des Anwalts, dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind. Er hat Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. Der Anwalt muss den Mandanten auch - anders als der Notar - über mögliche wirtschaftliche Gefahren des beabsichtigten Geschäfts belehren."

Gefordert ist also eine "umfassende" und "erschöpfende" und damit grenzenlose und niemals genügende Aufklärung und Beratung (vgl. dazu mit Recht krit. SCHEFFLER NJW 1961, 577; OSTLER AnwBl. 1965, 258; vgl. dazu aber auch die Ausführungen von ZUGEHÖR, Handbuch der Anwaltshaftung, Rn. 598 ff. sowie seine Kritik an der hier vertretenen Meinung, a. a. 0., Rn. 626 ff.), die sich keineswegs nur auf den konkret formulierten Auftrag des Mandanten beschränkt, sondern sich auf alles erstreckt, das sich bei der ex-post-Betrachtung aus irgendeinem Grunde letztlich als rechtlich relevant gezeigt hat. Dabei hat der Anwalt stets den "sichersten Weg" zu gehen, den es jedoch gerade in der Kautelarjurisprudenz - jedenfalls in der hier notwendigen Sicht ex ante - häufig gar nicht gibt. Jeder Weg und jeder Rat birgt Vorteile und Risiken.

b) Welcher der sicherste ist, stellt sich erst im Nachhinein heraus. So ist es z. B. bei der baubegleitenden Beratung keineswegs vorauszusagen, ob der sicherste Weg darin besteht, einem Bauherrn die außerordentliche Kündigung eines unzuverlässig und verzögerlich arbeitenden Bauunternehmers zu empfehlen oder davon abzuraten. (Der BGH vertritt allerdings in einer neueren Entscheidung v. 17. 9. 1998 [NJW-RR 1999, 19] die Auffassung, dass zur Kündigung eines bestehenden Bauvertrags wegen § 649 BGB nur geraten werden darf, wenn anzunehmen ist, dass dem Mandanten dadurch kein Schaden entsteht.) Wird eine außerordentliche Kündigung nicht ausgesprochen, hat der Bauherr jedenfalls nach der h. M. keinerlei Möglichkeit, Ersatzvornahmeleistungen unter der Geltung der VOB/B nach § 4 Nr. 7
VOB/B durchzuführen-, diese setzen in jedem Fall vor Abnahme - so die Rechtsprechung eine außerordentliche Kündigung voraus (BGH BauR 1986, 573).

Wird jedoch - nach Rat des Anwalts - außerordentlich gekündigt, um die notwendige Voraussetzung für Ersatzvornahmen zu schaffen, kann es dem baubegleitenden Rechtsanwalt im Prozess ohne weiteres passieren (so die konkrete Erfahrung des Verfassers in einem Fall aus der Praxis), dass das Gericht sich auf den Standpunkt stellt, die Mängel seien für eine außerordentliche Kündigung eines umfangreichen Bauvorhabens nicht gravierend genug (HEIERMANN, RIEDL, RUSAM, Handkommentar zur VOB, 8. Aufl., § 8 Nr. 3 VOB/B Rn. 22 [keine Kündigung bei völlig unbedeutenden Mängeln]). In diesem Fall würde das Gericht die Kündigung als unwirksam betrachten und den Anwalt, der dazu geraten hat, für schadensersatzpflichtig halten. Hat der Anwalt jedoch von der Kündigung abgeraten, kann der Bauherr weitere Bauverzögerungen, Mängelbeseitigungsarbeiten und auch die Neuproduktion von Mängeln gleicher Art mit rechtlichen Mitteln nicht erfolgreich verhindern. Zudem blockt der Bauunternehmer jede Handlungsfreiheit des Bauherrn ab, ggf. durch das Verlangen einer Bürgschaft nach § 648a BGB, und beruft sich dabei auf die h. M., die diese Vorschrift contra legem extensiv interpretiert (vgl. hierzu REINELT BauR 1997, 766).

c) Gleich welcher Rat vom Anwalt in der jeweiligen Situation erteilt wurde: Im Nachhinein stellt sich dann bei der ex-post-Betrachtung des Richters der erteilte Rat des Anwalts als der falsche heraus: Hat er zur Kündigung geraten, sehen sich Anwalt und Bauherr möglicherweise damit konfrontiert, dass das Gericht die Kündigung mangels Erheblichkeit der Mängel als unbegründet ansieht mit allen damit verbundenen schadenersatzrechtlichen Konsequenzen für den Bauherrn. Hat der Anwalt von der Kündigung abgeraten, gibt es dann weitere Bauverzögerungen, erfolgen keine Mängelbeseitigungen und werden weitere Mängel produziert, geht dies auf seinen Rat zurück, von der Kündigung abgeraten zu haben.

In der Regel wird der Richter im späteren Haftungsprozess gegen den Anwalt aus seiner ex-post Sicht feststellen, dass der Rechtsanwalt - gleich welchen Rat er gegeben hat - gerade nicht den sichersten Weg gegangen ist. Richtiger- und fairerweise kann es für die Beurteilung einer Haftung des Anwalts aber nur darauf ankommen, ob er einen Rat erteilt hat, für den gute und vertretbare Gründe ins Feld geführt werden können. Das reicht der Rechtsprechung jedoch für die Verneinung einer Haftung des Anwalts bei weitem nicht aus. In solch eine unvertretbare haftungsrechtliche Zwickmühle gerät der Anwalt letztlich nur deshalb, weil jedenfalls der Haftungsrechtsprechung der Obergerichte jedes Maß fehlt (zutreffend hierzu auch BORGMANN/HAUG, Anwaltshaftung, 3. Aufl., § 21 Rn. 123). Und das wiederum liegt daran, dass der Richter nicht in der Lage oder nicht bereit ist, sich wirklich in die Situation eines dienstleistenden Beraters in der jeweiligen Entscheidungssituation zu versetzen und ggf. mit einer zwar gefestigten, aber falschen Rechtsprechung der Obergerichte zu brechen.

Aus genau diesem Dilemma resultiert die Überspannung der einzelnen Anwaltspflichten und ihrer Grenzen durch die Rechtsprechung.

3. Sicherster Weg

Zu den einzelnen Anwaltspflichten gehören die Informationspflicht (ZUGEHÖR, a. a. 0., Rn. 971 ff.) die Aufklärungspflicht (SIEG, in: ZUGEHÖR, a. a. 0., Rn. 672 ff.), die Pflicht zur sorgfältigen Rechtsprüfung (ZUGEHÖR, a. a. 0., Rn. 548 ff.) und zur Beratung (SIEG, a. a. 0., Rn. 769 ff.) und insbesondere die unerfüllbare Pflicht zur Wahl des sichersten Weges.

a) Es reicht nicht aus, dass der Rechtsanwalt die Anhörung und Befragung des Mandanten einem Büroangestellten überlässt. Er muss dies vielmehr selbst (oder durch einen Volljuristen,
ein Referendar genügt nicht) tun. Zu Umfang und Ziel der Befragung führt der BGH in einem Urteil v. 21. 11. 1960 (NJW 1961, 601) aus:

"Die Pflicht des Rechtsanwalts zur vollständigen Beratung setzt voraus, dass er zunächst durch Befragung seines Auftraggebers die Punkte klärt, auf die es für die rechtliche Beurteilung ankommen kann, und dabei auch die in der Sache liegenden Zweifel, die er als Rechtskundiger erkennen kann und muss, während sie auch einem geschäftsgewandten Unkundigen verborgen bleiben können, bedenkt und erörtert. Wo solche Zweifel bestehen können, darf der Rechtsanwalt sich nicht mit der rechtlichen Würdigung des ihm Vorgetragenen begnügen, sondern muss sich bemühen, durch Befragung des Rechtsuchenden ein möglichst vollständiges und objektives Bild der Sachlage zu gewinnen. Er muss dabei durch richtige Fragen an seinen Auftraggeber die tatsächlichen Grundlagen ans Licht bringen, d. h., die Informationen, die er für eine richtige und umfassende Beratung braucht, schaffen und ergänzen."

Auch hier wird ein Optimum gefordert.

b) aa) Rechtsprüfung ist das zentrale Aufgabengebiet des Anwalts (obwohl in der Praxis die Sachverhaltsermittlung häufig das schwierigere Thema ist). Zu dieser Verpflichtung sagt der BGH (BGH VersR 1959, 638, 641):

"Grundsätzlich hat der Anwalt jeden Rechtsirrtum zu vertreten. Er hat seine Auffassung laufend an Gesetz, Rechtsprechung und Literatur zu orientieren und zu korrigieren. Er muss alle Gesetze und Vorschriften bis ins Detail kennen oder ermitteln. Das gilt auch für neueste Gesetze. Die Beachtung von Auslandsrecht gehört im Rahmen eines erteilten Auftrags ebenfalls zu den Anwaltspflichten; hier muss der Rechtsanwalt sich die entsprechenden Kenntnisse verschaffen."

Hinsichtlich der Judikatur verlangt die Rechtsprechung also nicht nur die Kenntnis der BGH-Entscheidungen sowie die Kenntnis der entsprechenden Literaturmeinungen, sondern auch diejenige der OLG sowie die entsprechenden Literaturkenntnisse. Es gibt sogar Fälle, in denen der Anwalt sich nicht auf die Fortdauer der Rechtsprechung verlassen kann, nämlich dann, wenn neue Gesetze entsprechende Auswirkungen haben (soweit noch verständlich), aber auch dann, wenn Hinweise eines obersten Gerichtes auf die Möglichkeit einer künftigen Rechtsprechungsänderung vorliegen oder wenn ein dogmatischer Wandel auf einem bestimmten Rechtsgebiet vorliegt, zu dem sich die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geäußert hat (ausführlich dazu ZUGEHÖR, a. a. 0., Rn. 571 ff.; BORGMANN/HAUG, a. a. 0., Kap. IV, Rn. 54).

Das kann natürlich auch dazu führen, dass der Anwalt unter Umständen gegen seine eigene Rechtsüberzeugung handeln muss. Es gibt durchaus Fälle, in denen man das vom Mandanten verfolgte Ziel als abwegig ansieht. Wenn es aber in irgendeiner Weise mit Rechtsprechung begründbar ist, kann und muss man gegebenenfalls gegen seine eigene Überzeugung Entscheidungen erstreiten, die dem Mandanten günstig sind.

bb) Die Pflicht zur Belehrung und Beratung erstreckt sich auf alle Rechtsfragen einschließlich der Fragen von Steuern und öffentlichen Abgaben, auf Wirtschafts- und Geschäftsfragen und führt zur Verpflichtung der Erteilung pragmatischer, zweckmäßig erscheinender Ratschläge. Nach der Rechtsprechung des BGH beschränkt sich allerdings die entsprechende Verpflichtung keineswegs auf die Grenzen des erteilten Mandates; vielmehr muss vor Gefahren, die für den Anwalt offenkundig seien, auch ohne ausdrücklichen Auftrag gewarnt werden (vgl. BGH, Urt. v. 9. 7. 1998 - XI ZR 324/97 [n. v.]), und zwar auch dann, wenn es sich um Fragen handelt, die außerhalb des Mandats liegen, dem Anwalt jedoch bei der Mandatierung sozusagen ins Blickfeld kommen (AnwBl. 1998, 536, BRAK-Mitt. 1998, 219). Dass umgekehrt dem Anwalt bei Geltendmachung eines entsprechenden Honorars die außerhalb des Mandats entfalteten Tätigkeiten durch die Rechtsprechung der Honoraranspruch mit der Begründung versagt werden würde, es sei insoweit kein Mandat erteilt, kann keinem Zweifel unterliegen. Also: keine Bezahlung, aber Haftung für unterlassene Aufklärung über Fragen, die außerhalb des Mandats liegen!

Besonders schwierig ist die Frage bei der Prüfung und Belehrung über Verjährung, insbesondere weil auch hier die Rechtsprechung häufig ihre Meinung ändert. So gab es z. B.
einen Wechsel der Rechtsprechung in der Verjährung von Vergütungsansprüchen des Architekten von 30 Jahre auf 2 Jahre. Hier hat das OLG München wenigstens entschieden, dass der Rechtsanwalt sich auf die bisherige Auffassung des Reichsgerichts- und Bundesgerichtshofs' verlassen konnte und nicht damit rechnen konnte, dass der BGH die insoweit von ihm bisher vertretene Meinung aufgeben würde (OLG München - 3 U 3084/75).

c) Der Grundsatz, dass der Rechtsanwalt bei Erfüllung seiner Pflichten den sichersten Weg zu gehen hat, findet sich in unzähligen Haftpflichturteilen. Die Verpflichtung, den sichersten Weg zu wählen, hat sowohl materiell-rechtliche als auch prozessuale Konsequenzen. In materieller Hinsicht muss bei Erhebung einer Klage einer möglicherweise eintretenden kürzeren Verjährung Rechnung getragen werden, es müssen sämtliche denkbarerweise zur Begründung herangezogenen Tatsachen und rechtlichen Vorschriften erwogen werden. Prozessual muss insbesondere geprüft werden, gegen wen Klage erhoben oder Streit verkündet werden soll. Der BGH hat den Anwalt sogar verpflichtet, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken (BGH NJW 1974, 1865).

4. Änderung der Rechtsprechung

Wie problematisch die Haftungssituation der Anwälte z. B. bei Änderung der Rechtsprechung sein kann, zeigt sich an folgendem Beispiel: Nach neuerer Rechtsprechung ist die Vollstreckungsunterwerfung, die üblicherweise von Notaren nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO verwendet wurde, unwirksam. Sie ist nämlich so formuliert, dass Nachweise für die Fälligkeit für die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung nicht notwendig sind. Nach der Entscheidung des BGH v. 22. 10. 1998 (NJW 1999, 5 1) ist die Vollstreckungsunterwerfung unwirksam, weil sie gegen das AGBG verstößt. Damit ist die ganze bisherige Notariatspraxis bei Bauträgerverkäufen, die jahrzehntelang gegolten hat, plötzlich durch die Rechtsprechung für rechtswidrig erklärt worden (LG Lübeck IBR 1999, 263; AG Hamburg IBR 1999, 216; OLG Jena IBR 2000, 25).

Auswirkungen auf die materiellen Verpflichtungen hat das nicht, weil die Vollstreckungsunterwerfung Prozesshandlung ist und § 139 BGB hier nicht gilt (BGH NJW 1994, 2755). Das führt jedoch zu folgender Situation: Bisher haben die Bauträger sich darauf verlassen können, 30 Jahre wegen der durch die Vollstreckungsunterwerfung gesicherten Forderung vorzugehen. Jetzt plötzlich geht das nicht mehr. Das heißt, dass die zugrundelegenden Kaufpreisansprüche in der kurzen Frist des § 196 BGB (2 oder 4 Jahre) verjähren. Wenn ein Anwalt eine solche vollstreckbare Urkunde mit entsprechender Formulierung im Rahmen eines Bauträgerkaufvertrags im Zusammenhang mit einer Mandatsübertragung zu irgendeinem Zeitpunkt bekommen hat, muss er auf die jetzt drohende Verjährung hinweisen. Tut er das nicht, kann er sich schadensersatzpflichtig machen. Im Grunde muss also jeder Anwalt seinen ganzen Aktenbestand durchforsten, ob solche Fälle vorliegen. Die Rechtsprechung würde sich nicht scheuen, den Anwalt im Rahmen einer - allerdings mit Einschränkungen bejahten (BGH NJW-RR 1990, 459) -Beratungspflicht auch für solche Fälle zur Verantwortung zu ziehen, die eigentlich abgeschlossen sind.

5. Büroversehen bei Fristberechnung

Unterläuft dem Anwalt ein Fehler, z. B. bei Fristberechnungen, kann er nur in seltenen Fällen auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ff. ZPO hoffen. Diese wird ihm nämlich nur gewährt, wenn er den Fehler nicht selbst zu verantworten hat (ggf. auch im Rahmen fehlerhafter Büroorganisation), sondern ein Büromitarbeiter oder eine Büromitarbeiterin, die sich bisher als absolut zuverlässig erwiesen haben (§§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO; im Einzelnen THOMAS/PUTZO, a. a. 0., § 233 Anm. 41f). Auch hier neigt die Rechtsprechung dazu, dem Anwalt ein solches Maß an Organisationspflichten aufzubürden, dass i. d. R. von einem Organisationsverschulden auszugehen sein wird, von dem er sich nicht entlasten kann:

• Der Anwalt genügt nicht der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht an die Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist, wenn er sein Büro durch Anbringen eines Klebezettels an den Aktendeckel anweist, die Frist einzutragen (Klebezettel ging verloren - BGH NJW 1999, 1336).

• Der Rechtsanwalt muss die Berufungsbegründungsfrist schon unmittelbar nach Einreichung der Berufung eintragen lassen (es ist zu riskant, abzuwarten, bis die Eingangsmitteilung des Gerichts kommt, vielleicht geht sie verloren). Wenn das nicht beachtet wird, bejaht die Rechtsprechung einen Organisationsmangel (BGH NJW 1999, 142).

• Der Rechtsanwalt hat eine geeignete Vorsorge zu treffen, die gewährleistet, dass im Falle seiner Erkrankung fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig eingereicht werden können (BGH AnwBl. 1999, 227).

• Einen Rechtsanwalt kann ein Verschulden einer Fristversäumung treffen, wenn er trotz zahlreicher Fehlversuche, dem Berufungsgericht die Berufungsbegründung per Telefax zu übermitteln, die auf seiner Handakte notierte Telefaxnummer des Gerichts nicht auf ihre Richtigkeit überprüft (BGH AnwBl. 1999, 173).

• An die Fristenberechnung werden höchste Anforderungen gestellt. Wenn der Anwalt das nicht selbst macht, darf er nur zuverlässiges gutgeschultes langjährig erprobtes und sorgfältiges Personal einsetzen (BGHZ 43, 148 = NJW 1965, 1021; BGH NJW 1988, 2045). Das BAG verlangt sogar (anders als der BGH), dass der Anwalt die Fristenberechnung persönlich vornimmt (BAG NJW 1975, 232).

• Der Anwalt muss sein Büropersonal regelmäßig und sorgfältig überwachen. Bei langjährig in der Funktion beschäftigtem Personal müssen Stichproben, bei besonders erprobten Kräften Kontrollen in Abständen von zwei Monaten (BGH VersR 1967, 1204), bei neuen Angestellten regelmäßige Beobachtung (BGH VersR 1976, 494) erfolgen. Die Rechtsprechung ist, wie kaum anders zu erwarten, in der Bejahung von Organisationsmängeln des Anwalts außerordentlich schnell bei der Hand (BGH VersR 1977, 1032; BGH VersR 1964, 269; VersR 1983, 924; VersR 1983, 401).

6. Fahrlässigkeit

a) Wenn eine Pflichtverletzung bejaht wird - wie meist - gibt es in der Praxis kaum eine Möglichkeit der Haftungsentlastung analog § 282 BGB. Früher galt wenigstens noch in der Rechtsprechung der Grundsatz, dass die Beratung eines Anwalts dann nicht schuldhaft falsch sein kann, wenn sie übereinstimmt mit einer durch ein Kollegialgericht getroffenen Entscheidung (also noch nicht einmal mit derjenigen eines Einzelrichters!). Aber auch dieser Grundsatz wurde inzwischen weitgehend aufgegeben. Die Fahrlässigkeit wird an der hypothetischen Figur eines optimal befähigten und handelnden Anwalts gemessen (KLEINE-C0SACK, BRAO, 1997, vor § 51b Rn. 28) und bezogen auf die Idealfigur eines juristischen "Supermannes" (PRINZ VersR 1986, 317). Auf abweichende Entscheidungen, auch von Kollegialgerichten oder Auffassungen in der Kommentarliteratur darf sich ein Anwalt heute nicht mehr verlassen, von ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen abgesehen (BGH NJW 1985, 495; OLG München VersR 1987, 208).

b) Ein typischer Fall zum "Verschulden" des Anwalts:

Ein Anwalt vertrat einen Beklagten, gegen den bereits Versäumnisurteil ergangen war. Der Anwalt hatte rechtzeitig Einspruch eingelegt. Zum Einspruchstermin blieb er in einem Stau auf der Straße stecken. Er telefonierte vom Handy mit der Geschäftsstelle und teilte mit, dass er sich verspäten werde. Als er dann eine halbe Stunde verspätet ankam, war bereits 2. Versäumnisurteil ergangen (obwohl der Richter die Nachricht vom Anruf des Anwalts erhalten hatte). Der Anwalt legte Berufung ein. Berufung ist nach § 513 Abs. 2 ZPO gegen ein 2. Versäumnisurteil nur mit der Begründung zulässig, dass ein Fall der Versäumnis nicht vorgelegen habe. Dem steht gleich, dass die Versäumnis unverschuldet war (Beweislast beim Berufungskläger, vgl. Argument aus § 337 ZPO).

Die Auffassung des OLG Köln hierzu (MDR 1998,617 m. abl. Anm. E. SCHNEIDER MDR 1998, 577 und 617): Jeder Anwalt muss einen Stau einkalkulieren, also ist Versäumnis verschuldet. Erfreulicherweise hat der BGH (MDR 1999, 161) diese sehr praxisfremde und nur aus einer undifferenzierten Richtersicht erklärbare Entscheidung des OLG Köln aufgehoben. Der BGH verneint in seinem Urteil v. 19. 11. 1998 hierzu ein Verschulden des Anwalts an der Versäumung des Termins. Der Anwalt hatte sich wie folgt eingelassen: Auf die Terminstunde um 9.30 seien insgesamt 5 Sachen terminiert gewesen. Er sei am Verhandlungstag noch vor 9.30 mit seinem Pkw zum LG gefahren. Die übliche Wegzeit betrage etwa 10 Minuten. Unterwegs sei er in einen Stau geraten, weil ein parkender Lieferwagen die Fahrbahn versperrt habe. Nach Beseitigung des Verkehrshindernisses habe er um 9.40 einen Wachtmeister des LG telefonisch gebeten, der zuständigen Zivilkammer mitzuteilen, dass er in etwa 10 Minuten erscheinen werde (Begründung: der Verkehrsstau). Gegen 9.50 Uhr etwa 5 Minuten nach Ablauf der üblichen Wartefrist habe er den Verhandlungssaal betreten.

Dass zwei Instanzen in einem solchen Fall überhaupt auf die Idee kommen können, ein Verschulden des Anwalts zu bejahen (und die jeweiligen Versäumnisurteile zu erlassen), spricht für sich und bestätigt anwaltsfeindliche Tendenzen in der Rechtsprechung. Es ist erfreulich, dass der BGH das korrigiert hat. Er vertrat die einzig mögliche Auffassung: das Versäumnis war unverschuldet.

Angesichts der sonstigen Haftungsrechtsprechung der Obergerichte muss diese ausnahmsweise mit dem gesunden Menschenverstand übereinstimmende Entscheidung als geradezu sensationell bezeichnet werden.

7. Nichtbeachtung eines falschen gerichtlichen Hinweises

a) Zu welchen abstrusen Entscheidungen es in der Rechtsprechung kommen kann, lässt sich illustrieren an der Entscheidung des BGH v. 25. 6. 1974 (NJW 1974, 1865). Der BGH hat in dieser Entscheidung zwar ein Endurteil eines OLG, das den Anwalt in die Haftung genommen hatte, aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen. Er hat jedoch zur Haftung folgenden Grundsatz aufgestellt:

Ein Anwalt haftet auch dann, wenn er einen ihm nach § 139 ZPO gegebenen falschen Hinweis des Gerichts nicht beachtet, weil er ihn mit Recht für unhaltbar hält.

Der Hintergrund: Gegenüber einer vom Bauunternehmer geltend gemachten Restforderung berief sich der den Bauherrn vertretende Anwalt auf ein Zurückbehaltungsrecht. Die 1. Instanz wies darauf hin, dass Gewährleistungsansprüche möglicherweise verjährt seien und deshalb ein Zurückbehaltungsrecht nicht mehr geltend gemacht werden könne.

Das erstinstanzliche Gericht hielt nunmehr den Anwalt für verpflichtet, hilfsweise eine Aufrechnung mit Gegenansprüchen wegen vorhandener Mängel nach § 390 S. 2 BGB geltend zu machen. (Vermutlich wollte der Mandant das gar nicht, denn ein Zurückbehaltungsrecht bei Mängeln mit dem Ziel der Nachbesserung ist etwas anderes als die Schaffung der Voraussetzungen für Ersatzvornahme oder Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs, mit dem allenfalls aufgerechnet werden könnte). Diesen falschen Hinweis der 1. Instanz hatte der Anwalt nicht beachtet. Die Baumängel wurden in der erstinstanzlichen Entscheidung daher rechtswidrig - nicht berücksichtigt. In der Berufungsinstanz hat der Anwalt daraufhin (offenbar nach Schaffung der Voraussetzungen für einen Kostenvorschussanspruch nach § 633 Abs. 3 BGB oder einen Ersatzvornahmeanspruch nach §§ 634, 635 BGB) hilfweise unter Berufung auf § 390 S. 2 BGB Aufrechnung mit Kostenvorschuss- oder Ersatzvornahmeansprüchen erklärt. Die Aufrechnung hat die Berufungsinstanz zu Unrecht nicht gelten lassen, mit dem Argument, die Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung erst in 11. Instanz sei wegen der unterlassenen Beachtung des richterlichen Hinweises in 1. Instanz nicht sachdienlich. Auch das Berufungsgericht hat daraufhin - wiederum unzutreffend - dem Bauherrn die Rechte im Zusammenhang mit geltend gemachten Mängeln abgeschnitten. Der Anwalt wurde hierfür zur Rechenschaft gezogen.

b) Richtiger Ansicht nach - so auch der BGH - war jedoch der Hinweis der l. Instanz deshalb überflüssig oder gar falsch, weil ein Zurückbehaltungsrecht auch dann fortbesteht, wenn die Gewährleistungsansprüche verjährt sind, jedoch in unverjährter Form dem Werklohnanspruch seinerzeit gegenüber standen (BGH NJW 1967, 1902-, NJW 1970, 56 1). Es war also seinerzeit bereits seit mindestens vier Jahren in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass auch der verjährte Mängelbeseitigungsanspruch dem Auftraggeber bei rechtzeitiger Mängelanzeige ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Werklohnforderung gibt. Diese gefestigte Rechtsprechung war offensichtlich den Richtern der I. und II. Instanz unbekannt. Mit Recht hatte der Anwalt daher den Hinweis des Gerichts für falsch gehalten und war ihm nicht nachgekommen (denn Zurückbehaltung ist eben etwas substantiell anderes als Aufrechnung mit Gegenforderungen).

Die ersten beiden Instanzen haben falsch entschieden (nämlich das Zurückbehaltungsrecht nicht berücksichtigt). Das OLG hat den Rechtsanwalt zusätzlich damit bestraft, dass es die nunmehr vorgenommene Hilfsaufrechnung als nicht sachdienlich nicht zugelassen hat, dies alles, weil die sechs Richter der zwei ersten Instanzen nicht vollständig über die Rechtslage informiert waren.

Bei dieser Situation hat auch der BGH sich tatsächlich nicht gescheut, den Anwalt schadensersatzpflichtig zu machen, weil er infolge des fehlerhaften Hinweises des Gerichts nicht vorsorglich Hilfsaufrechnung unter Berufung auf § 390 S. 2 BGB bereits in 1. Instanz erklärt hat.

Mit anderen Worten: Nach Auffassung des BGH geht die Anwaltshaftung so weit, dass der Anwalt die Konsequenzen für fehlerhafte richterliche Rechtsansichten zweier Kollegialgerichte zu übernehmen hat. Auch hier wieder zweierlei Maß: Richter dürfen grobe Fehler produzieren, der Anwalt wird sogar für solche Fehler des Gerichts in die Haftung genommen.

8. Sekundärhaftung

In dieselbe Richtung einer unzumutbaren und gesetzwidrigen Haftungserweiterung tendiert auch die Erfindung der sog. Sekundärhaftung des Anwalts nach § 51b BRA0 durch die Rechtsprechung. Nach dieser Vorschrift verjähren Ersatzansprüche gegen den Anwalt in drei Jahren vom Zeitpunkt der Anspruchsentstehung, spätestens jedoch nach drei Jahren nach Beendigung des Auftrags. Diese gesetzliche Rechtslage hat die Rechtsprechung contra legem ausgehebelt und einen sog. sekundären Ersatzanspruch des Mandanten gegen den Anwalt eingeführt. Der BGH hat mit diesem Sekundäranspruch eine Verpflichtung des Anwalts konstatiert, den geschädigten Mandanten auf sein (des Anwalts) eigenes Fehlverhalten und die Möglichkeit des Regresses vor Ablauf der Verjährung hinzuweisen. Mit diesem richterlich erfundenen Sekundäranspruch wird das Ziel verfolgt, zur "Vermeidung von Härten und zum Schutz des Mandanten" das Gesetz zu unterlaufen (BGH NJW 1975, 1655; 1993, 199; 1996, 48). Damit wird die Verjährung praktisch auf sechs Jahre verlängert. Nach zutreffender Auffassung in der Literatur ist diese Entwicklung mit dem Vorrang des Gesetzes in Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren (KLEINE-COSACK, a. a. 0., § 5 1 b Rn. 227; a. A. ZUGEHÖR, a. a. 0., Rn. 1268).

Von der Logik dieser Entscheidungen her müsste es auch einen Tertiär- und Quartär-Anspruch (etc.) geben, den die Rechtsprechung bisher verneint. Im Übrigen müsste der gleiche Grundsatz konsequent für die Haftung etwa von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und anderen Dienstleistenden gelten. Merkwürdigerweise werden aber nur die Rechtsanwälte mit diesem Sekundäranspruch und der Verlängerung der Verjährung bestraft. Eingeschränkt gibt es den Sekundäranspruch allerdings auch gegen Steuerberater, jedenfalls dann, wenn der Mandant im Hinblick auf eine Pflichtverletzung anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hat (OLG Koblenz, Urt. v. 10. 6. 1999 - 5 U 1770/98). Die logisch zwingenden Schlüsse für andere Dienstverträge zieht die Rechtsprechung aus ihrer eigenen Prämisse nicht und räumt damit inzident deren Unhaltbarkeit ein.

9. Haftungsbegrenzung

In der Frage der Haftungsbegrenzung sieht es für den Anwalt trotz einer die Haftungsbegrenzung ausdrücklich regelnden Vorschrift in § 51a BRAO düster aus:

Nach § 51a BRAO kann die Haftung in dreifacher Weise begrenzt werden:

• durch schriftliche Vereinbarung. im Einzelfall bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme (derzeit 500.000 DM),

• durch AGB bei einfacher Fahrlässigkeit auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht (§ 5 la Abs. 1 Nr. 2 BRAO) und

• bei Partnerschaftsgesellschaften durch vorformulierte Vertragsbedingungen und Beschränkung der Gesamtschuldnerschaft auf namentlich benannte Mitglieder der Partnerschaft.

a) Die erste Regelung einer Begrenzung der Haftung durch schriftliche Vereinbarung im Einzelfall bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme hat keine praktische Relevanz. Denn die Rechtsprechung geht nach bisherigen Erfahrungen in jedem Fall davon aus, dass Haftungsbegrenzungsvereinbarungen keine Einzelfallvereinbarungen sind, sondern dem AGBG unterliegen, jedenfalls wenn eine Haftungsbegrenzungsvereinbarung (wie stets) öfter als einmal in einer Anwaltskanzlei verwendet wird.

Die Darlegungs- und Beweislast ist für den Anwalt ungünstig: Tauchen entsprechende Vereinbarungen mehrfach auf, muss der Anwalt darlegen und beweisen, dass sie im Einzelfall im Sinne der Rechtsprechung im Einzelnen ausgehandelt sind. Dabei genügt nach der Auffassung des BGH nicht, dass über die einzelnen Klauseln verhandelt wurde, sondern der Rechtsanwalt muss sie "ernsthaft zur Disposition gestellt haben" (BGH BB 1992, 1813; BB 1992, 169; BB 1992, 226). Ob jemand eine Klausel "ernsthaft zur Disposition gestellt" hat oder nicht, kann wohl nicht einmal ein Psychologe oder Psychiater beurteilen, geschweige denn ein Richter. Die Formel ist völlig inhaltsleer und ein Einfallstor für beliebige richterliche Willkür. Kein Mensch kann dieser Voraussetzung des "Ernsthaft-zur-Disposition-Stellens" einen nachvollziehbaren Inhalt geben, auch nicht die Rechtsprechung. Wenn man sich überhaupt einen Sinn denken könnte, könnte es wohl nur derjenige sein, dass der Rechtsanwalt "ernsthaft"(?) so getan haben müsste, dass er gegebenenfalls auch von der Klausel abgehen würde, im Einzelfall aber nicht davon abgeht. Natürlich gelingt dem Anwalt ein solcher Beweis (er habe eine Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt) nicht. Von einer Individualvereinbarung wird man so gut wie in keinem Fall ausgehen können.

b) Es bleibt die Beschränkungsmöglichkeit im Einzelfall bei einfacher Fahrlässigkeit. Bei einer solchen Vereinbarung herrscht aber erhebliche Rechtsunsicherheit, weil niemand im Vorhinein weiß, ob die Rechtsprechung die entsprechende Fahrlässigkeit als einfach oder grob einstufen wird. Man kann allerdings eine relativ sichere Prognose wagen: Einfache Fahrlässigkeit gibt es beim Anwalt nicht (vgl. BORGMANN/HAUG, a. a. 0., § 41 Rn. 42 ff.).
Die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung (abgesehen von der Wahl der Rechtsform) steht daher mehr oder weniger nur auf dem Papier. Einen wirksamen Schutz gegen die ausufernde Rechtsprechung bieten solche Vereinbarungen nicht.

II. Missbrauchsgebühr als Ohrfeige für Anwälte

1. In der Erfindung anwaltsfeindlicher oder die Anwälte belastender Rechtsinstitute war die Rechtsprechung (aber auch die Gesetzgebung) seit jeher ausgesprochen kreativ. So hat sie das ohnehin bedenkliche Institut der Missbrauchsgebühr nach § 34 Abs. 2 BVerfGG in kaum vertretbarer Weise ausgeweitet. Die Missbrauchsgebühr wird nach Gutdünken der Verfassungsrichter demjenigen auferlegt, der eine nach Auffassung des Verfassungsrichters unzulässige oder unbegründete Verfassungsbeschwerde in missbräuchlicher Weise eingelegt hat (dazu zutreffend ZUCK NJW 1999, 187 ["Ohrfeigen für Rechtsanwälte"]).

2. Eine solche Missbrauchsgebühr wurde einem in eigener Sache Verfassungsbeschwerde einlegenden Rechtsanwalt (in Höhe von 1.200 DM) auferlegt. Der Sachverhalt: Ein Berliner Anwalt, der in eigener Sache gegen einen Strafbefehl in einer Steuersache Einspruch eingelegt hatte, bekam wegen eines Streiks der Verkehrsbetriebe Schwierigkeiten, rechtzeitig zum Termin zu kommen. Er bat deshalb die zuständige Amtsrichterin um die Verlegung des Termins um eine Stunde oder um Vertagung. Die Staatsanwaltschaft und die Richterin lehnten das ab und verwarfen den Einspruch. Die Verfassungsbeschwerde des Anwalts enthielt kräftige Vorwürfe gegen die Richterin, unter anderem erklärte der Anwalt das Verhalten der Amtsrichterin sei "unverschämt". Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen und statt dessen dem beschwerdeführenden Rechtsanwalt eine Missbrauchsgebühr von 1.200 DM auferlegt mit folgender inhaltlich sowie sprachlich bemerkenswerten Begründung:

"Der Beschwerdeführer äußert sich in herabsetzender Weise über die im Ausgangsverfahren tätig gewesenen Gerichte. Obwohl er als Rechtsanwalt weiß, dass die Rechtsprechung auf das Verständnis und die Anerkennung durch die Bürger angewiesen ist, lässt er es in seiner Verfassungsbeschwerdeschrift an der notwendigen Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit fehlen. Das Bundesverfassungsgericht muss es nicht hinnehmen, bei der Erfüllung seiner Aufgaben in dieser Weise durch eine sinnentleerte Inanspruchnahme seiner Arbeitskapazität behindert zu werden."

Also: Während das BVerfG sich auf der einen Seite - verfassungswidrig (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) - zum Supergesetzgeber aufgeschwungen hat, entwickelt es zunehmend Abwehrmechanismen in Bezug auf seine originären Aufgaben, z. B. bei der Verfassungsbeschwerde (E. SCHNEIDER ZAP F 19, S. 333 ff.; WOLF, Die Krise des Rechtsstaats, 1994, Herausgeber LÜKE, S. 39 f.).

Auch hier: Jedes Verständnis für die angeblich so überlasteten Richter (deren Erledigungsquote in vielen Bereichen jährlich konstant sinkt; vgl. zuletzt BARTH, Anwaltsmagazin, ZAP-Aktuell, S. 261 in ZAP 4/2000) sowie Rechtsverweigerung und mangelndes Verständnis für einen Anwalt, der sich durch ein unzumutbares Verhalten eines Richters auch einmal zu krassen Meinungsäußerungen hinreißen lässt.

III. Abtretung von Anwaltsforderungen

1. Die Zulässigkeit der Abtretung anwaltlicher Honorarforderungen war in der Vergangenheit in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, eine solche Abtretung - ohne Zustimmung des Mandanten - erfülle auch bei Abtretung an Rechtsanwälte den objektiven Tatbestand des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) und sei deshalb nach § 134 BGB nichtig (BGH NJW 1993, 1638; a. A. LG München 1 NJW 1992, 2165).

2. a) Mit dem Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte v. 2. 9. 1994 wurde eine neue Vorschrift, nämlich § 49b Abs. 4 BRAO eingeführt: Diese lautet in S. 1:
"Der Rechtsanwalt, der eine Gebührenforderung erwirbt, ist in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet, wie der beauftragte Rechtsanwalt."

Nach der Neufassung dieser Vorschrift in der BRAO (zumal in Kenntnis der früheren umstrittenen Auffassung durch den Gesetzgeber) ist die Rechtslage eindeutig: Danach ist der Rechtsanwalt, der eine Gebührenforderung erwirbt, in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Rechtsanwalt. Wenn die Vorschrift ausdrücklich normiert, dass ein Rechtsanwalt auch als Zessionar zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, folgt daraus logisch zwingend, dass die Abtretung einer Honorarforderung an einen Anwalt zulässig sein muss. Sie kann somit gerade nicht den strafrechtlichen Schuldvorwurf des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB auslösen und nach § 134 BGB nichtig sein.

b) Dem entspricht die amtliche Begründung für den verabschiedeten Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 12/4993 v. 19. 5. 1993, S. 3), die ausdrücklich ausführt, dass die neu eingeführte Vorschrift die Abtretung eines Gebührenanspruchs zulässt (so auch FEUERICH/BRAUN, BRAO, 4. Aufl., 1999, § 49b Rn. 35 m. w. N.).

Wenn aber Begründung und Wortlaut der Neuregelung des § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO eindeutig voraussetzen, dass eine Honorarforderung von einem Anwalt an einen anderen Anwalt zulässig ist und ein Abtretungsvertrag nach § 398 BGB zwischen Zedent und Zessionar (ohne Mitwirkung des Schuldners) rechtlich möglich ist, folgt daraus logisch notwendig, dass nach der Neuregelung des §49b Abs. 4 BRAO die Abtretung von Honorarforderungen zwischen Rechtsanwälten uneingeschränkt zulässig sein muss.

3. a) Die eindeutige Rechtslage hat jedoch das AG München nicht gehindert, durch Entscheidung (Urt. v. 18. 10. 1996 - 154 C 6633/96 n. v., vgl. ZAP F 23, S. 229 mit zutreffender abl. Anm. von E. SCHNEIDER; vgl. auch LG München 1, Urt. v. 4. 2. 1997 - 32 S 15290/96 n. v.; LG Baden-Baden NJW 1998, 202) und - wie kaum verwunderlich - ohne entsprechenden Hinweis an die Parteien nach § 139 ZPO eine im Verfahren erfolgte Abtretung einer solchen Honorarforderung für nichtig (§ 134 BGB), berufswidrig und damit auch für strafbar (§ 203 StGB) zu halten und die Klage des Zessionars deshalb im Wege eines nicht berufungsfähigen Überraschungsurteils abzuweisen. (Dass das BVerfG die dagegen gerichtete zulässige Verfassungsbeschwerde entsprechend seiner üblichen rechtsverweigernden Praxis nicht angenommen hat, ist natürlich wiederum keine Überraschung; vgl. Nichtannahmebeschl. v. 9. 12. 1996 - 1 BvR 2366/96).

Die eigene verfahrens- und materiellrechtlich unvertretbare Entscheidung hat der Richter am AG dann in einem zivilrechtlichen Beitrag (PRECHTEL NJW 1997, 1813) im Wege der Vorwärtsverteidigung gerechtfertigt. Er hat mit allen heute so beliebten scheinmethodischen Verrenkungen, die das von vornherein erwünschte Ergebnis begründen (in Wirklichkeit nachträglich rechtfertigen) sollen, den Nachweis zu führen versucht, dass § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO n. F. zwar die Wirksamkeit der Abtretung voraussetzt, eine solche Abtretung ohne Zustimmung des Mandanten jedoch entgegen dem Gesetz gleichwohl unwirksam sei, mit anderen Worten, dass A = Non-A sei. Wie häufig erfolgt hier eine vom Gesetz abweichende und mit Regeln der Logik nicht zu vereinbarende Begründung eines offensichtlich erwünschten Ergebnisses aus der höchst subjektiven, durch die jeweilige vorgefasste Meinung des entscheidenden Richters bedingten "lnteressenabwägung", die nach Auffassung des Richters/Autors zu Lasten der Rechtsanwälte ausgehen muss. Der Begründungssatz reduziert sich im Wesentlichen auf folgende Erkenntnis des entscheidenden Richters:

"Falls man davon ausgeht, dass aufgrund § 49b Abs. 4 Satz 1 BRAO eine Übertragung anwaltlicher Honorarforderungen an einen Rechtsanwalt auch ohne vorherige Zustimmung des Mandanten uneingeschränkt rechtmäßig ist, würde dies zu einer Sonderbehandlung der Rechtsanwälte führen....

Die dargestellte Ungleichbehandlung verschiedener Geheimnisträger würde jedoch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG verstoßen...."

Die "Sonderbehandlung", die der Verfasser bekämpft, ist gerade so (aus gutem Grund) in der Neufassung des § 49b Abs. 4 Satz 1 BRAO gesetzlich geregelt! Kein Wunder, dass man zum Schluss kommen muss, dass hier Vorurteile gegen Rechtsanwälte eine amorphe und nicht nachvollziehbare "lnteressenabwägung" in Gang setzen, die die eindeutige durch die gesetzliche Neuregelung geschaffene Rechtslage und die Regeln der Logik über Bord wirft, um zu einem durch Vorurteile bedingten vorgefassten Ergebnis zu gelangen!

b) Dementsprechend geht das LG München 1 in einer unveröffentlichten Entscheidung v. 25. 8. 1999 (15 S 20614/98) auch mit Recht als selbstverständlich davon aus, dass eine Abtretung von Gebührenforderungen zwischen Rechtsanwälten unbedenklich möglich sei.

Die Entscheidung des AG München, die Auffassung des Münchner Amtsrichters und die ihm folgende Entscheidung des AG Bonn (Beschl. v. 3. 2. 2000 - 15 C 311/99 n. v.) stehen in kontradiktorischem Gegensatz zur eindeutigen Rechtslage und sind daher rechtswidrig.

IV. Erfüllungsort anwaltlicher Leistungen

1. a) Kein Wunder, dass derselbe Autor in einem weiteren Beitrag (PRECHTEL NJW 1999, 3617) die eindeutig herrschende und gefestigte Meinung bekämpft, dass bei Klagen des Rechtsanwalts auf Honorar der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO am Ort der Kanzlei nicht gegeben ist (so anerkannte und gefestigte Rechtsprechung, vgl. z. B. THONIAS/PUTZO, a. a. 0., § 29 Rn. 6; ZÖLLER/VOLLKOMMER, ZPO, 21. Aufl., § 29 Rn. 24; BAUNIBACH/LAUTERBACH/ALBERS/HARTMANN, ZPO, 57. Aufl., § 29 Rn. 18 und viele andere). Diese gefestigte Rechtsprechung beruht auf dem zutreffenden Grundsatz, dass der Gerichtsstand des gesetzlichen Erfüllungsorts nach § 269 Abs. 1 BGB, der primär nach der Natur des Schuldverhältnisses zu bestimmen ist, wie bei anderen Dienstverträgen auch, beim Arbeitsvertrag, beim Bauvertrag, beim Architektenvertrag, beim Beherbungsvertrag, beim Krankenhausvertrag und bei anderen vergleichbaren Verträgen am jeweiligen Sitz des die charakteristische Leistung erbringenden Dienstleisters oder Werkleisters gegeben ist (ZÖLLER/VOLLKOMMER, 20. Aufl., § 29 Rn. 25, m. w. N.; PALANDT/HEINRICHS, BGB, 59. Aufl., § 269 Rn. 11 ff.). Dazu heißt es in der Begründung des Amtsrichters aus München:

- . . Demgegenüber fehlt ein besonderes Schutzbedürfnis des Rechtsanwalts. Wie bei einer Vielzahl anderer gegenseitiger Verträge auch ist es gerade ihm zuzumuten, seine Ansprüche auch über etwaige Landgerichtsgrenzen hinaus wahrzunehmen."

und weiter:

"Die Argumente der herrschenden Meinung respektive Rechtsprechung sind nicht überzeugend. Ein genereller Gerichtsstand am Ort der Kanzlei für anwaltliche Gebührenforderung ist rechtlich nicht begründbar. .. ."

PRECHTEL wehrt sich gegen eine "begründungslose Übernahme zweifelhafter Judikatur" (die für die beiderseitigen Rechte und Pflichten des Anwaltsvertrages einen einheitlichen Erfüllungsort am Kanzleisitz annimmt). Dafür zieht er sich auf einen "programmatischen Schlussgedanken" zurück, es "solle nicht übersehen werden, dass die Zuständigkeitsordnung nicht zuletzt auch einen verfassungsrechtlichen Bezug (hat), "gesetzlicher Richter" Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG". Dass aus diesen allgemeinen Redensarten und Scheinbegründungen nur ein nicht tragfähiger Zirkelschluss resultiert, liegt auf der Hand.

b) Es ist gerade umgekehrt als der beitragverfassende Richter meint: Der Verfasser verlangt eine (negative) Sonderbehandlung des Anwaltsvertrags gegenüber anderen Dienstverträgen. Ebenso wie bei zahlreichen anderen Dienstverträgen ist beim Anwaltsvertrag als Dienstvertrag besonderer Art (als solchen qualifiziert ihn mit Recht seit Jahrzehnten die Rechtsprechung und Literatur-, vgl. statt vieler BORGMANN/HAUG, a. a. 0., Kap. 111, § 10 Rn. 22 f.). Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen i. S. des § 269 Abs. 1 BGB und damit Gerichtsstand nach § 29 ZPO (aufgrund der danach vorrangig zu prüfenden Natur des Schuldverhältnisses) ist der Sitz des Dienstleisters. Die charakteristische Leistung, nämlich die Dienst- oder Werkleistung, prägt die Natur des Schuldverhältnisses und begründet damit den Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen.

2. Obwohl der Verfasser hier eine Mindermeinung vertritt und die Rechtsprechung sich ansonsten gerne blind der herrschenden Meinung anschließt, besteht bei dieser Mindermeinung des Verfassers gute Aussicht darauf, dass sie sich in der Rechtsprechung durchsetzt. Ausnahmsweise haben die Richter hier ein Interesse daran, einer Mindermeinung zu folgen, führt sie doch dazu, dass man mit einer Verweisung oder einer Klageabweisung wegen Unzuständigkeit relativ einfach Arbeit vom Hals bekommt. Dementsprechend hat das AG Bonn mit einer unveröffentlichten Entscheidung v. 3. 2. 2000 (15 C 311/99) sich der nicht schlüssig begründbaren Auffassung des Verfassers PRECHTEL mit einer noch weniger haltbaren Begründung angeschlossen, nämlich:

"Insofern wird auf die überzeugenden Ausführungen von Dr. (!) PRÄCHTEL (richtig Dr. PRECHTEL) Voll inhaltlich Bezug genommen. Ergänzend ist festzustellen, dass es sich bei den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht um sogenannte "Managementvorschriften" handelt, sondern um Vorschriften, die in nicht unerheblichem Maße auch dem Schutz der Prozessparteien dienen.

Im Übrigen ergeben sich erhebliche Bedenken gegen die wohl herrschende Meinung auch aus folgenden Überlegungen: Sollte ein Rechtsanwalt eine Gebührenforderung klageweise geltend machen, die schon vom Grunde her nicht besteht, da ein Anwaltsauftrag nicht erteilt worden ist, müsste der zu Unrecht in Anspruch Genommene, der in einem anderen Gerichtsbezirk wohnt als der klagende Anwalt, sich vor einem örtlichen unzuständigen Gericht verteidigen, dessen Unzuständigkeit sich ggf. erst als Ergebnis des Rechtsstreits herausstellt."

Diese oberflächliche und einseitige Begründung, die der Richter durch ein argumentum ex auctoritate unter Hinweis auf die Promotion des Beitragsverfassers zu verstärken versucht, bedarf eigentlich keiner weiteren Kommentierung. Man kann dazu nur umgekehrt sagen: Der zu Recht klagende Anwalt müsste in einem anderen Gerichtsbezirk auftreten, dort hinreisen oder seinerseits einen anderen Anwalt nehmen. Soll die einseitige Darstellung eines bestimmten Fallaspektes durch das AG Bonn eine Begründung ersetzen? In allen Fällen entscheidet ein Gericht nur aufgrund des klägerischen Vorbringens, ob es zuständig ist, z. B. auch beim Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gern. § 32 ZPO (Vgl. ZÖLLER, a. a. 0., § 32 Rn. 19 m. w. N.). In Wirklichkeit wird hier nur das als erwünscht erfühlte Ergebnis (im Zweifel natürlich gegen den Anwalt, aber für die Arbeitsersparnis des Richters!) mit dem Scheinmäntelchen einer Begründung versehen.

Der Richter konnte so mit wenigen Worten die Angelegenheit loswerden, sich für örtlich unzuständig erklären und den Rechtsstreit verweisen (erfreulicherweise hat das AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, an das verwiesen wurde, die Verweisung als nicht bindend, weil rechtswidrig angesehen, Az.: 2 C 137/00, Mitteilung v. 14. 2. 2000)! Dem von PRECHTEL vorgeschlagenen einfachen Weg der Verweisung wegen angeblicher örtlicher Unzuständigkeit folgt das AG Spandau in einem Beschluss v. 20. 1. 2000, NJW 2000, 1654.

V. Ausweitung des Anwendungsbereichs der Erstberatungsgebühr

1. Das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 hat in die BRAGO eine neue Vorschrift in § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO eingeführt. Danach kann der Rechtsanwalt für die Erstberatung keine höhere Gebühr als 350 DM fordern. Die Begrenzung dieser Erstberatungsgebühr soll die Eingangsschwelle für Mandanten, die sich beraten lassen wollen, niedriger machen. Nach der Gesetzesbegründung dieser Vorschrift gilt (BT-Drucks. 12/6962 zum Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 v. 24. 6. 1994, BGBl. 1, S. 1325):

"Die Regelung des Satz 2 bezieht sich nur auf die Gebühr für die erste Beratung. Sie greift nicht ein, wenn nach dem ersten Beratungsgespräch oder dem ersten schriftlichen Rat oder einer solchen Auskunft sich eine weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts anschließt, mag diese auch mit der ersten Beratung im engen Zusammenhang stehen oder diese fortsetzen."

Die Auffassung des Gesetzgebers ist also eindeutig: Kommt es zu einer Fortsetzung der Tätigkeit über die erste Beratung hinaus, gilt die beschränkende Vorschrift des § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO mit der Begrenzung auf 350 DM nicht, vielmehr ist der Bereich der Erstberatungsgebühr verlassen und der Rechtsanwalt kann eine Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 S. 1 BRAGO oder eine ziffernmäßig nicht begrenzte Ratsgebühr nach § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO abrechnen (GEROLD/SCHMIDT/VON EICKEN/MADERT, BRAGO, 13. Aufl., § 20 Rn. 11). Die Erstberatungsgebühr wird auf die insgesamt nach der BRAGO entstehenden Kosten angerechnet. Die Begrenzung auf 350 DM nach §20 Abs. 1 S. 2 BRAGO kommt nur dann zum Zug, wenn es nur zu einer einzigen Beratung des Rechtsanwalts kommt und auch dabei bleibt. Setzt sich die Beratung fort, gilt die alte Gebührenrechtslage wie bisher.

2. Diese eindeutige Rechtslage ignorieren das LG Erfurt und das Thüringer OLG (Jena) in zwei neuen Entscheidungen (erstinstanzliche Entscheidung LG Erfurt [4 0 1016/98] v. 9. 3. 1999, Berufungsentscheidung Thüringer OLG [8 U 674/991 v. 23. 11. 1999 [beide soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht]). Der Sachverhalt: Eine Subunternehmerin hatte bei ihrem Generalunternehmer einen Nachtrag von über 4 Mio. DM wegen gestörten Bauablaufs eingereicht. Zu diesem Nachtrag und seiner Durchsetzbarkeit ließ sie sich beim Rechtsanwalt kurz vor einer Besprechung mit dem Generalunternehmer beraten. Der Anwalt kam hinsichtlich des Nachtrags in der Beratung zu einer skeptischen Beurteilung.

Kurz darauf fand ein Gespräch zwischen Subunternehmerin und Generalunternehmer ohne Beteiligung des Anwalts statt. Der Generalunternehmer entwarf im Anschluss daran eine Vereinbarung über die Mehrkosten, in der ein Teil der geforderten Summe von 4 Mio. DM (600.000 DM) anerkannt und vereinbart werden sollte. Diesen Entwurf überprüfte der Rechtsanwalt im Auftrag der Mandantin.

Der Anwalt berechnete daraufhin - zutreffend - eine 7,5/10 Ratsgebühr auf der Grundlage des ursprünglichen Gegenstandswerts (verlangter Betrag rund 4 Mio. DM) nach § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO. Die Gebühr ist wie diejenige des § 118 BRAGO eine Rahmengebühr. Bei der Ausfüllung des Rahmens war im vorliegenden Fall unstreitig, dass der Ansatz mit 7,5/10 angemessen war.

Gezahlt hat die Mandantin (Subunternehmerin) jedoch nur eine Erstberatungsgebühr von 350 DM und eine 7,5/10 Ratsgebühr aus dem angeblich zwischenzeitlich verringerten Gegenstandswert von 600.000 DM (also der Höhe des Betrags, der sich in der Nachtragsvereinbarung mit dem GU fand).

Beide Entscheidungen (LG Erfurt und Thüringer OLG) kommen zum Ergebnis:

• Die anwaltliche Beratung zum Nachtrag fällt unter die sog. Erstberatungsgebühr (350 DM gem. § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO).

• Die folgende anwaltliche Beratung zum Vergleichsentwurf ist mit einer 7,5/10 Ratsgebühr aus einem Gegenstandswert von 600.000 DM nach § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO abzurechnen.

3. Die Auffassung ist widersprüchlich und falsch. Entgegen der eindeutigen Regelung des § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO und der in der Begründung des Gesetzgebers ausdrücklich erklärten Auffassung zur Neuregelung ist der Bereich der Erstberatung verlassen, wenn die gleiche Angelegenheit nach der Erstberatung weitergeht. Es handelt sich also um ein einheitliches Mandat. Maßgebend für die angefallene Geschäftsgebühr ist der ursprüngliche Gegenstandswert von über 4 Mio. DM. Der Rechtsanwalt hat richtig abgerechnet, die Gerichte haben falsch, ohne Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschrift des § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO und der Begründung des Gesetzgebers entschieden. Wären die Entscheidungen der Gerichte zutreffend, wäre jedes Mandat immer aufzuteilen in eine Erstberatung (abzurechnen mit 350 DM) und in eine Folgeberatung (bei ggf. verändertem - hier reduziertem - Streitwert) bei Fortsetzung. Das ist gerade das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber regeln wollte und geregelt hat. Die Begrenzung auf die Erstberatungsgebühr tritt ausschließlich dann ein, wenn es bei der ersten Beratung im Mandat bleibt.

Ergebnis: Der Rechtsanwalt, der bei richtiger Abrechnung ohne Mehrwertsteuer rund 11.600 DM (7,5/10 Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 S. 1 BRAGO) oder § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO verdient hätte, erhält statt der ihm zustehenden rund 11.600 DM netto nur die Erstberatungsgebühr von 350 DM und eine 7,5/10 Geschäftsgebühr aus einem angeblich verringerten Streitwert von 600.000 DM, das sind rund 3.500 DM, also 3.850 DM netto insgesamt.

Die Richter waren wohl der Auffassung, das gute Drittel der eigentlich verdienten Gebühren sei für den Anwalt ausreichend. Sie haben den Rechtsanwalt durch ihre falschen Entscheidungen rechtswidrig um zwei Drittel des von ihm verdienten Honorars gebracht. Der Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO und die ausdrückliche erklärte Absicht des Gesetzgebers in der Begründung zum Gesetz, die zu einem anderen Ergebnis zwingen würden, haben die Richter offenbar nicht weiter interessiert. (Ähnlich anwaltsfeindliche Tendenzen in bezug auf Gebühren der Rechtsanwälte zeigt die Rechtsprechung im übrigen dann, wenn es um die Versagung der Vergütung des Anwalts bei vorzeitiger Kündigung des Mandats geht, vgl. BGH NJW 1982, 437; NJW 1985, 41; und die zutreffenden Ausführungen von MUGLER AnwBl 2000, 19.)

Vl. Schlussbemerkung

Die geschilderten anwaltsfeindlichen Tendenzen in der Rechtsprechung, z. B. in Bezug auf Anwaltshaftung, haben sich so stark zementiert, dass eine Änderung kaum zu erwarten ist. Leider ist es eine Erfahrungstatsache, dass das eigene juristische Denken unter der Flagge der herrschenden Meinung weitgehend durch Berufung auf Autoritäten ersetzt wird (E. SCHNEIDER, ZAP, Zur Psychologie und zum Einfluss der herrschenden Meinung, Beilage zu Heft 13/99). Dementsprechend bestehen zahlreiche gerichtliche Entscheidungen wie literarische Beiträge auch darin, dass Zitate aus dem Garten einer Entscheidung oder eines Aufsatzes in den eigenen verpflanzt werden.

Da sich die Gerichte ihrer Bindungsfreiheit aber auch ihrer Verantwortung bei ihren Entscheidungen ganz über-wiegend freiwillig begeben und sich dem Diktat der einmal gefestigten herrschenden Meinung unterwerfen (E. SCHNEIDER, a. a. 0.), stehen die Chancen schlecht, die völlig verfehlte, überzogene und einer Gefährdungshaftung angenäherte Rechtsprechung des BGH zur Anwaltshaftung auf ihre rechtlichen Fehler zu prüfen und ihre psychologischen Hintergründe kritisch zu hinterfragen. Eine an den gesetzlichen Normen orientierte Argumentation dürfte keinesfalls zu einer so weitgehenden, sachlich durch nichts mehr zu rechtfertigenden Übersteigerung der anwaltlichen Haftung führen. Es soll nicht behauptet werden, dass jeder Richter anwaltsfeindlich ist. Ich meine aber, dass es zwischenzeitlich doch eine Art Gruppendruck der herrschenden Meinung gibt, im Zweifel bei der sog. Interessenabwägung die Interessen des Anwalts hintanzustellen.

Wenn es für eine solche Entwicklung in der Rechtsprechung, insbesondere der Haftungsrechtsprechung der Obergerichte, keine zwingenden, ja teilweise auch überhaupt keine nachvollziehbaren juristischen Gründe gibt, was sind dann die (metajuristischen) Gründe, die zu dieser Entwicklung geführt haben? Warum judiziert die Rechtsprechung in so merkwürdig übersteigertem Maße gegen anwaltliche Kollegen, während sie durch praktische Eliminierung erfolgreicher Richterablehnungen i. S. des § 42 ZPO - niemals ist ein Richter
befangen! - die entsprechende gesetzliche Regelung in der ZPO nahezu ausgehebelt hat? Könnten vielleicht die folgenden Gründe eine Rolle spielen?

• Der Richter ist es gewohnt, nur abgeschlossene Sachverhalte ex post zu beurteilen, kennt also die jeweiligen Kausalverläufe und kann oder will sich aufgrund dieser regelmäßigen Betrachtungsweise kaum mehr in die Situation der ex-ante-Betrachtung versetzen. Glaubt mancher Richter deshalb vielleicht, alles besser als der Anwalt zu wissen, und lässt er ihn das deshalb (ein bisschen von oben herab) auch spüren?

• Lässt es sich wirklich ausschließen, dass ein (bis zu seinem 50. Lebensjahr ständigen Beurteilungen seines Dienstvorgesetzten ausgesetzte) Richter gelegentlich den Anwalt um seinen meist höheren wirtschaftlichen Erfolg und seine größere persönliche Unabhängigkeit beneidet? Ist es denkbar, dass ein Richter sich deswegen wenig in die Situation des beratenden Anwalts und seiner notwendigen ex-ante-Betrachtung zu versetzen geneigt ist und er, der Richter, sich aufgrund einer dunklen, vielleicht doch vorurteilsbehafteten "lnteressenabwägung" selbst eher mit dem geschädigten Mandanten identifiziert?

Seit mehreren Jahrzehnten befindet sich die Rechtsprechung in einer, wie ich meine, kritischen Entwicklung: Rechtssichere Prognosen über den Ausgang gerichtlicher Verfahren sind schlechthin nicht mehr möglich. Metajuristische Einflüsse, individuelle Vorstellungen und Vorurteile des Richters bestimmen häufig die Entscheidungen in größerem Maße als gesetzliche Vorschriften, man denke nur an das Wohnungsmietrecht, Reiserecht, AGB-Recht etc. Eine Prognose gerichtlicher Entscheidungen ist nur noch in Annährungswerten möglich, insbesondere dann, wenn man den einzelnen Richter kennt und seine Denkweise beurteilen kann (vgl. zu den außerordentlich bedenklichen Entwicklungen E. SCHNEIDER, Die Chaos-Theorie im Recht, ZAP-Kolumne ZAP 4/2000). Nach der Freigabe der Postulationsfähigkeit ab 1. 1. 2000, die es allen Rechtsanwälten der Bundesrepublik erlaubt, vor allen erstinstanzlichen Gerichten unter dem Oberlandesgericht aufzutreten, wird die Prognostizierbarkeit gerichtlicher Entscheidungen zusätzlich erschwert, weil die Parteien und die beteiligten Anwälte die jeweiligen Richter und deren Rechtsprechung noch weniger als bisher kennen. Ohne Rechtssicherheit gibt es jedoch kein Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat, ohne Rechtssicherheit gibt es keine Sicherung und grundlegende Entlastung der richterlichen Arbeit (Vgl. WOLF, a. a. 0., S. 74).

Das ist im Übrigen auch einer der Gründe, warum Rechtsuchende sich zunehmend von der Justiz abwenden und ihr Heil z. B. in der privaten Schiedsgerichtsbarkeit oder der "Mediation" suchen. Die metajuristischen Einflüsse und richterlichen Vorurteile haben sich gerade auf Gebieten, in denen die Rechtsprechung sich mit Anwälten auseinander zusetzen hat, unter der Ägide des BGH zu einem konformen, gegen die Anwälte gerichteten Gruppendruck entwickelt, der in Einzelfällen abstruse Entscheidungen produziert. Anwälte werden durch die Haftungsrechtsprechung gezwungen, ohne Rücksicht auf ihre Rechtsansicht und ggf. auch auf objektiv zutreffende Rechtsansichten der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu folgen. Verstoßen sie gegen diese faktische Bindung, haften sie dem Mandanten wegen Verfehlens des - allenfalls - ex post feststellbaren sichersten Wegs auf Schadenersatz (RINSCHE, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 6. Aufl., 1998; BORGMANN/HAUG, a. a. 0., Rn. 113 ff., insbes. 123). Es bleibt zu hoffen, dass weitere Juristengenerationen die auch hier verkrusteten Strukturen aufbrechen, die Begründungsfehler zementierter Rechtsprechung aufdecken und es wagen, ggf. auch gegen die herrschende Meinung vorurteilsfrei und wohl abgewogen, insbesondere auch im Anwaltsrecht, zu judizieren. Dass Richter bei der Beurteilung von Rechtsfragen, in die Anwälte involviert sind, häufig so unausgewogen entscheiden, mag auch damit zusammenhängen, dass das Klima zwischen Richtern und Anwälten insgesamt rauher geworden ist (vgl. MUGLER AnwBl. 2000, 19). Wer selbst einige Zeit als Anwalt gearbeitet hat, entwickelt notgedrungen mehr Verständnis für die verantwortungsvolle und schwierige Aufgabe des Rechtsanwalts. Vielleicht sollte man für eine Justizreform aus dem angloamerikanischen Rechtskreis lernen: Dort wird nur Richter, wer zuvor einige Zeit als Anwalt tätig war.