jurisPR-BGHZivilR 3/2012 Anm. 4

Konkretisierende Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs

BGH 3. Zivilsenat, Beschluss vom 30.11.2011 - III ZB 19/11
Dr. Barbara Genius, Rechtsanwältin beim Bundesgerichtshof

Leitsatz
Zur Zulässigkeit der Konkretisierung einer schiedsgerichtlichen Zins- und Kostenentscheidung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs.

A. Problemstellung
Die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung muss den inländischen Bestimmtheitsanforderungen für Vollstreckungstitel genügen. Gegebenenfalls ist die ausländische Entscheidung so zu konkretisieren, dass sie die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann.

Die besprochene Entscheidung überträgt die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung auf den Fall der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Mit Schiedsspruch vom 25.11.2008 hatte das ständige Schiedsgericht in Barcelona die Klage des Schiedsklägers abgewiesen und diesem die Kosten auferlegt. Mit weiterem Schiedsspruch vom 19.12.2008 hatte dasselbe Schiedsgericht entschieden, dass in den Kosten der endgültige Rechnungsbetrag enthalten ist, den das Schiedsgericht über den von der Schiedsbeklagten gezahlten Betrag erteilt (I.-), und die Anwaltshonorare auf 24.145,15 Euro festgesetzt werden, zuzüglich der entsprechenden Zinsen ab dem Datum, zu dem die beglaubigte Einforderung der Zahlung derselben erfolgt, bis zum Zeitpunkt der Zahlung (II.-).

Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung hat die frühere Schiedsbeklagte (Antragstellerin) vor dem Oberlandesgericht beantragt, die Schiedssprüche anzuerkennen und daraus 10.214,73 Euro Gerichtskosten sowie 24.145,15 Euro Anwaltskosten nebst 4% Zinsen seit dem 24.04.2009 gegen den früheren Schiedskläger (Antragsgegner) für vollstreckbar zu erklären.
Das Oberlandesgericht hat beide Schiedssprüche anerkannt und in ihrer wörtlichen Fassung für vollstreckbar erklärt, dagegen das weitergehende Begehren der Antragstellerin bezüglich der Bezifferung der Gerichtskosten und der Zinsen zurückgewiesen.

Ein staatliches Gericht sei nicht ermächtigt, den Inhalt eines Schiedsspruchs, hier zu den Kosten, zu verändern. Eine fehlende Kostenentscheidung könne unzweifelhaft nicht nachgeholt werden. Nichts anderes gelte aber auch für eine tatsächlich getroffene Kostenentscheidung, die in bestimmter Hinsicht, insbesondere zur Höhe der zu erstattenden Kosten, ergänzungs- oder konkretisierungsbedürftig sei.

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat der BGH die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 19.12.2008 zu Ziffer I.- dahin abgeändert, dass ein Betrag von 10.214,73 Euro gegen den Antragsteller für vollstreckbar erklärt wird, und zu Ziffer II.- teilweise („… zuzüglich der entsprechenden Zinsen ab dem Datum, zu dem die beglaubigte Einforderung der Zahlung derselben erfolgt, bis zum Zeitpunkt der Zahlung.“) aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

C. Kontext der Entscheidung
Schiedsgerichtsbarkeit ist private Gerichtsbarkeit, die aufgrund freiwilliger Parteivereinbarung die staatliche Gerichtsbarkeit ersetzt. Der das Schiedsverfahren beendende streitentscheidende Schiedsspruch ist gemäß § 1055 ZPO einem rechtskräftigen Urteil gleichgestellt. Diese Gleichstellung endet allerdings dort, wo zur Rechtsdurchsetzung bzw. zum Vollzug ein Titel benötigt wird, weil etwa die unterlegene Partei den Schiedsspruch nicht freiwillig erfüllt und die andere Partei diesen deswegen im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen muss. Eine Zwangsvollstreckung kann jedoch erst stattfinden, wenn der Schiedsspruch durch ein staatliches Gericht für vollstreckbar erklärt worden ist. Dies gilt wegen § 1061 ZPO auch bei einem ausländischen Schiedsspruch. Ähnliches gilt bei ausländischen Urteilen, aus denen eine Zwangsvollstreckung nur stattfindet, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurteil ausgesprochen ist, §§ 722, 723 ZPO.

Über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des (ausländischen) Schiedsspruchs entscheidet gemäß § 1062 ZPO das zuständige Oberlandesgericht durch Beschluss. Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO ist alleine diese Entscheidung des staatlichen Gerichts, die den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt, nicht der Schiedsspruch.
Nach deutschem Vollstreckungsrecht muss ein Vollstreckungstitel den durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt sowie Umfang der Leistungspflicht bezeichnen. Zwar hat notfalls das Vollstreckungsorgan den Titel auszulegen. Dazu muss dieser jedoch aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen.

Weil Vollstreckungstitel allein die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung ist (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO), beziehen sich diese Anforderungen allerdings nur auf die deutsche Entscheidung über die Vollstreckbarkeit, nicht auf die zu vollstreckende ausländische Entscheidung. Dies war bereits bisher für andere ausländische Entscheidungen, insbesondere ausländische Urteile, anerkannt (BGH, Urt. v. 06.11.1985 - IVb ZR 73/84 - NJW 1986, 1440 Rn. 15; BGH, Beschl. v. 04.03.1993 - IX ZB 55/92 - BGHZ 122, 16 Rn. 17), gilt aber – wie aus der besprochenen Entscheidung folgt – gleichermaßen für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche. Weil sich die innerstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen nur auf die deutschen Vollstreckungstitel beziehen, sind ausländische Entscheidungen nicht allein deshalb nicht für vollstreckbar zu erklären, weil sie diesen nicht genügen. Vielmehr ist in solchen Fällen – gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme zum ausländischen Recht – der ausländische Titel so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann. Auch dies hatte der BGH bereits im Rahmen der Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile ausgesprochen (BGH, Urt. v. 06.11.1985 - IVb ZR 73/84 - NJW 1986, 1440 Rn. 17; BGH, Beschl. v. 04.03.1993 - IX ZB 55/92 - BGHZ 122, 16 Rn. 19; BGH, Beschl. v. 21.12.2010 - IX ZB 28/10 Rn. 5) und ist nun gleichermaßen auf die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche zu übertragen.
Dasselbe gilt für Inhalt und Reichweite des Konkretisierungsgebots: Ist eine Konkretisierung im Einzelfall nicht zuverlässig möglich, muss der Antrag zurückgewiesen werden, weil es dem deutschen ordre public widerspräche, eine zu vollstreckende Anordnung zu erlassen, die von den Vollstreckungsorganen nicht ausgeführt werden kann (BGH, Beschl. v. 04.03.1993 - IX ZB 55/92 - BGHZ 122, 16 Rn. 18). Andererseits darf bei einer solchen Konkretisierung das deutsche Gericht nicht seine eigene Entscheidung an die Stelle der des Schiedsgerichts setzen oder diese inhaltlich verändern, sondern nur den in der ausländischen Entscheidung bereits – wenn auch unvollkommen und für eine Vollstreckung noch nicht ausreichend bestimmt – zum Ausdruck kommenden Willen verdeutlichen und insoweit diesem zur Wirksamkeit verhelfen.

In den Grenzen des Verbots einer revision au fond (vgl. die ausdrückliche Verbotsnormierung in § 723 Abs. 1 ZPO bezüglich der Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile) sind die staatlichen Gerichte mithin gehalten, die ausländische Entscheidung auszulegen – der BGH betont die unbeschränkte Befugnis des Rechtsbeschwerdegerichts zur Auslegung eines Schiedsspruchs (Senatsbeschl. v. 08.11.2007 - III ZB 95/06 - SchiedsVZ 2008, 40 Rn. 14, und Senatsbeschl. v. 29.01.2009 - III ZB 88/07 - BGHZ 179, 304 Rn. 17) – und sie gegebenenfalls – auch unter Ermittlung ausländischen Rechts oder ausländischer Rechtspraxis gemäß § 293 ZPO – konkretisierend für vollstreckbar zu erklären.

Gegen diese Grundsätze hatte das Oberlandesgericht verstoßen. Zwar hatte es im Ausgangspunkt richtig erkannt, dass im Falle des Fehlens einer Kosten- oder Zinsentscheidung diese im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht nachgeholt werden kann. Darum ging es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Im Hinblick auf die Gerichtskosten waren vielmehr der Inhalt des Schiedsspruchs in Verbindung mit einer erteilten Bestätigung zu beachten und hatte das Oberlandesgericht insoweit unter Verstoß gegen das Auslegungsgebot die begehrte konkretisierende Bezifferung des Titels abgelehnt. Dem Begehren hat der BGH in seiner Entscheidung entsprochen und einen bezifferten Betrag von 10.214,73 Euro für vollstreckbar erklärt. Hinsichtlich der Anwaltskosten hatte das Oberlandesgericht eine gebotene Ermittlung gemäß § 293 ZPO unterlassen, ob nach spanischem Recht oder spanischer Rechtspraxis unter „entsprechende“ Zinsen die gesetzlichen Zinsen zu verstehen sind. Denn es ist anerkannt, dass in Fällen, in denen der ausländische Titel auf die gesetzlichen Zinsen verweist, ohne diese näher zu beziffern, eine entsprechende Ergänzung im Vollstreckbarerklärungsverfahren möglich ist (so schon für andere ausländische Titel: BGH, Urt. v. 06.11.1985 - IVb ZR 73/84 - NJW 1986, 1440 Rn. 17; BGH, Beschl. v. 05.04.1990 - IX ZB 68/89 - NJW 1990, 3084 Rn. 26 f.; BGH, Beschl. v. 04.03.1993 - IX ZB 55/92 - BGHZ 122, 16 Rn. 19, und BGH, Beschl. v. 27.05.1993 - IX ZB 78/92 Rn. 12). Insoweit handelt es sich nicht um eine unzulässige Auffüllung des Schiedsspruchs, sondern um die Anerkennung der Wirkung, die dem Schiedsspruch nach dem ausländischen Recht zukommt. Zur Nachholung dieser Prüfung hat der BGH den angefochtenen Beschluss bezüglich der Zinsen aufgehoben und das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

D. Auswirkungen für die Praxis
Auch ausländische Schiedssprüche sind, falls sie für eine Vollstreckung noch nicht ausreichend bestimmt sind, im Verfahren der Vollstreckbarerklärung einer Konkretisierung zugänglich, wie die besprochene Entscheidung für eine schiedsgerichtliche Zins- und Kostenentscheidung zeigt. Anzuwenden sind dieselben Grundsätze wie für die Vollstreckbarerklärung anderer ausländischer Entscheidungen. Der III. Zivilsenat bestätigt im Sinne der Rechtseinheitlichkeit die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung.